#ActOut und alle sind laut

Ein Kommentar // For English version scroll down. 👇🏽

„Wir sind hier und wir sind viele! 

Wir sind Schauspieler:innen und identifizieren uns unter anderem als lesbisch, schwul, bi, trans*, queer, inter und non-binär.“

So beginnt das Manifest #ActOut, das gestern Abend mit einer großangelegten Aktion online ging. Parallel dazu veröffentlicht die Süddeutsche Zeitung in ihrem heute der Hauptausgabe beiliegenden SZ-Magazin das #actout-Manifest und die Bilder der Menschen, die es unterzeichnet haben – „ohne Nennung des Personalpronomens. Die Ansprache und das selbst gewählte Personalpronomen können aber essenzieller Teil eines Coming-outs sein“, wie die Redaktion in einer Art Disclaimer formuliert.

Teil des auch online verfügbaren Beitrags ist ein ausführliches und vielschichtiges Interview mit sechs Schauspieler*innen – Mehmet Ateşçi, Jonathan Berlin, Godehard Giese, Karin Hanczewski, Eva Meckbach und Tucké Royale – die nicht nur über ihr Coming-out, sondern gleichsam so manche Unsitte und Unmöglichkeit im Schauspielgewerbe sprechen. Geführt wurde das Gespräch von Carolin Emcke, die mit Moritz Müller-Wirth für das Outing-Interview Thomas Hitzlspergers im Jahr 2014 verantwortlich war, und Lara Fritzsche.

Doch was hat dieses Manifest, das Outing der 185 nun zu bedeuten? Wird es, wie Karin Hanczewski sagt, oder wünscht, etwas verändern? Ist dieses hier und da eher unglücklich „Massen-Outing“ genannte Zeichen nun ein erster Schritt hin zu einer nachhaltigen Veränderung, einer merklichen Verbesserung, einer sich nach außen offen gebenden Welt, die nach innen aber häufig bigott und nicht zuletzt auch entsetzlich sexistisch ist?

Das wird vermutlich, wie so oft, nur die Zeit zeigen. Jetzt wohl werden wir vorerst viel Lob und Repektsbekundungen vernehmen. Nicht nur aus der queeren Welt, auch von den sich als aufgeklärt verstehenden Blättern und Magazinen, die sich zumindest oberflächlich weltanschaulich zumeist mit der Süddeutschen abklatschen dürften. Inwieweit sie auf die Lobeshymnen auch in ihrer oft sehr klassischen und zumeist zwar formal intellektuell geprägten, inhaltlich aber gern wolkigen Berichterstattung insbesondere im Feuilleton, gerade wenn um wesentliche Themen geht, die als nicht so massentauglich gesehen werden, anschließend geschriebene Taten folgen lassen, muss gesehen werden.

Hier und da werden wir die rhetorische Frage hören, ob es denn nötig gewesen sei. Denn schließlich solle doch jedermann (hier wird nicht gegendert wird es heißen oder es wird „ein Jede*s – hahaha“ daraus gemacht werden) ohnehin nach seiner Façon und so… Außerdem, da sind ja nicht nur „neue“ Gesichter zu sehen… Es ist ja auch die Maren Kroymann abgebildet, da wüssten wir es doch seit schon immer, und die Ulrike Folkerts, seit über dreißig Jahren so erfolgreich und der Jannik Schümann, der hat sich doch so niedlich still geoutet, und der Georg Uecker, der hat doch auch schon vor dreißig Jahren in der Volkssendung Lindenstraße einen Mann geküsst und die durften so „heiraten“! Da wäre doch eindeutig, dass es gut gehe, wozu nun Aufwirbeln, was so ruhig liegt? Die Façon und so…

Diesen, sich auch gern in den Mantel vermeintlicher Liberalität im Sinne einer stillen Individualität, still, ausgenommen ihrer Stimme, hüllenden Personen möchten wir gerne sagen: Nein. Einfach Nein. Der Schritt ist so nötig, weil er neben allem, was damit an persönlicher Befreiung verbunden ist, auf ein strukturelles Problem aufmerksam macht, auf das derlei Kommentator*innen und nicht so gern behelligt werden wollende Zuschauer*innen partout nicht gestoßen werden möchten. Die Anerkennung und Auseinandersetzung damit könnte schließlich zur Notwendigkeit enormer geistiger, vielleicht auch emotionaler, Anstrengungen führen, die am Ende noch das eigene, sorgsam gepflegte biedermeiereske Weltbild zurechtrücken könnten. 

Und es wird jene Stimmen, vor allem aus der LSBTIQ*-Community geben, die sagen: „Na und…? Was interessiert es mich? Ich habe mich vor zwanzig Jahren im Betrieb geoutet, da hat auch niemand drüber geschrieben! Wer ist das da überhaupt? Wollen die jetzt alle einen Preis?“ Denen sei ans Herz gelegt, sich das Interview in Ruhe anzusehen. Denen sei gesagt, ob ihr die Personen kennt oder nicht, es sind viele und sie sind nun untrennbar mit einem wichtigen Zeichen verknüpft. Denen sei die Frage gestellt, wie viel besser sie sich bei ihrem Outing gefühlt hätten, wenn sie vielleicht nicht die einzigen im Betrieb, im Seminar, in der Straße, in der Schule gewesen wären. Wenn es mehr selbstverständliche, nicht ausschließlich Stereotypen entsprechende Sichtbarkeit in den Medien gegeben hätte. 

Wir werden sehen, warten ab, werden engagiert bleiben und schließen mit den Worten des Manifests: „Wir freuen uns auf all die neuen Geschichten, die wir gemeinsam darstellen und erzählen können. Die Welt verändert sich, wir tragen alle dazu bei!“

Eure queer-reviewer 🏳️‍🌈💙🏳️‍⚧️

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#ActOut and we’re all loud

„We’re here and there are a whole lot of us! 

We are actors who identify as lesbian, gay, bi, trans*, queer, inter and non-binary, amongst many other things.“

That’s how the #ActOut-Manifesto starts, which was published online as the beginning of a bigger campaign on Thursday evening. Part of the campaign is a huge interview in the Süddeutsche Zeitung Magazin with six of the 185 individuals who are part of the #ActOut-Manifesto and are pictured on the cover and throughout the magazine, which was available as a print issue on Friday (it’s also online). They’ve all signed it with their names but without a personal pronoun. Although how to be addressed and the chosen personal pronoun can be essential parts of a coming out, as the editors state.

The six actors – Mehmet Ateşçi, Jonathan Berlin, Godehard Giese, Karin Hanczewski, Eva Meckbach und Tucké Royale – do not „only“ talk about their Coming Out, but also about some nuisances and impossibilities in the acting business and the film and theater industry as a whole. The  insightful discussion was led by Carolin Emcke, who helped German soccer player Thomas Hitzlsperger with his Coming-Out-Interview in 2014, and Lara Fritzsche.

So here’s the question: what does the Manifesto, the outing of the 185 people mean? Will it matter? Will it, as Karin Hanczewski says or wishes, change anything? Will this, sometimes in a more unfortunate way so called „mass-outing“, help to change culture? Will there be a distinct improvement in a world that on the surface seems to be open-minded, but is within itself bigoted and ultimately quite sexist?

Time will tell, as it is often the case. For now, we will hear a lot of praise, people will express their respect and so on. Not only from parts of the queer community, but also from those newspapers and media outlets in general, which are by their self-conception liberal, sophisticated and empathetic. To what extent they will follow up on their chorus of praise – we’ll see. At some times they are, especially in the feuilleton / arts section, formally intellectual, worldly and open-minded, but simply empurpled and shallow when it comes down to substantial issues which are not perceived as suitable for the masses.

Also, we will hear some rhetorical questions, such as if the whole thing was really necessary. because, ya know, ultimately: Let every man seek heaven in his own fashion (in these areas, they don’t gender, except when they make fun of it) and so on. Besides, there aren’t just „new“ faces… There is, for example, Maren Kroyman, who has been out as a lesbian for quite some time now, then there is Ulrike Folkerts, big in business for over thirty years or Jannik Schümann, who came out in such a cute and tranquil way some weeks ago or Georg Uecker, who famously played the first gay character on the cult weekly soap „Lindenstraße“; they had the first gay kiss on a television all but thirty years ago! And then a „ gay marriage“! So, it should be obvious that everything is just fine as it is. Why raise a stink? Let every man seek and such…

Well, to those commentators and columnists, who pretend to be true liberals in the sense of quiet individuality, except, of course, from their own voice, we want to say: No. Simply no. This step is a necessity, because, besides every personal liberation related to their coming out, it raises awareness for a structural problem, which those commentators and some audiences with a don’t-bother-me-attitude just won’t have. The perception and examination with that could eventually lead to the necessity of some enormous mental, spiritual and probably emotional efforts. And dear Goddess – who would want to have their Biedermeieresque view of life adjusted?

And, lastly, there will be those voices, mainly coming from the LGBTIQ*-Community, which will say: „So? It doesn’t bother me! What does that have to do with me? I had my coming out at the plant / company / … twenty years ago, and nobody wrote about that! Who are these people? Do they expect an award now?“ We’d entrust them to read the interview and the statements. We’d tell them it doesn’t matter if you know all of them or none, they are many and from now on they are inextricably linked to the #ActOut Manifesto. We’d ask them: Wouldn’t you have felt better, had you not been the only one at your place of work? Your seminar? Your street? Your school? Wouldn’t it have been better and easier, had there been more natural role models and not primarily gay stereotypes in the media? We tell them: We love you.

So, as it’s been established: Only time will tell. We will wait, engage and are committed to the course and want to conclude with the closing words of the Manifesto: „We are looking forward to all the new stories we’ll be able to tell and the characters we can portray. The world is changing and we are all playing a part in it!“

The queer-reviewers 🏳️‍🌈💙🏳️‍⚧️

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