Bunte und stolze Musik

Beitragsbild: Links: Cover „Love in the Dark“ von MKSM und Leopold; Mitte oben: Screenshot Saturday Night Live Lil Nas X performt „Montero (Call Me By Your Name)“; Mitte unten: Coverausschnitt EP „Near Life Experience Part One“ von L Devine; Rechts: Petra Pleite und Marcella Rockefeller für „Schüchtern ist mein Glück“, © Marcella Rockefeller

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Mit dem 17. #IDAHOBIT*, dem Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Trans*feindlichkeit, konnten wir am 17. Mai indirekt schon einmal die kommende Pride-Saison einleiten, die nun im Juni so richtig an Fahrt aufnehmen wird – und was wäre die Zeit ohne passende Musik? Wir haben ein paar der Highlights der jüngsten Zeit herausgesucht, die wir euch kurz vorstellen wollen. Natürlich findet ihr diese und eine Menge weiterer queerer Songs in unserer Spotify-Playlist QUEER SOUNDS.

Gegen Hass und für Kult

Bereits Anfang Mai veröffentlichten die beiden queeren Musikkünstler MKSM und Leopold die eingängige und hintergründige Pop-Nummer „Love in the Dark“, die sie gemeinsam geschrieben haben und mit der sie die Kampagne I am not an ideology unterstützen, die von der Initiative ENOUGH is ENOUGH! gemeinsam mit der polnischen Organisation Fundacja Równość vor Kurzem ins Leben gerufen wurde. So kommen alle Einnahmen aus Streams und Downloads der Kampagne zugute und unterstützen die Arbeit der LGBTIQ*-Community in Polen.

© the little queer review

Wie ihr möglicherweise ganz richtig vermutet, dient die Kampagne, deren offizieller Song „Love in the Dark“ ist, dazu, auf die unerträgliche Situation von LGBTIQ*-Menschen in Polen aufmerksam zu machen. Der Titel der Kampagne verweist natürlich auf den Ausspruch des polnischen Präsidenten Andrzej Duda, der LGBT*s das Menschsein absprach und von Ideologie sprach. Gemeinsam mit der klerikal-konservativen und nationalistischen Partei Prawo i Sprawiedliwość (PiS), aus der er 2015 aus symbolischen Gründen austrat, macht er Programm gegen queere Menschen und schafft so ein Klima der Unsicherheit, Angst und Gefahr (ganz ähnlich wie es schon einmal in Polen verlief). Mit der Schaffung sogenannter LGBT-freier Zonen wurde die Situationen für queere Menschen vor allem in Städten und Gemeinden Süd-Polens immer heikler. Das Europaparlament rief die Europäische Union zwar in einem symbolischen Akt zur LGBTIQ*-Freiheitszone aus, wie wir aber bereits schrieben, wird man sehen müssen, ob es da über bloße Symbolpolitik hinausreicht. Immerhin haben einzelne Gemeinden die Deklaration LGBT-freier Zonen zurückgezogen. Weil sie offener geworden sind? Nein… ein profanerer Grund sorgte dafür: Die Gemeinden verloren Geld.

Somit ist „Love in the Dark“ also ein wunderbares Mittel, um weiter verstärkt auf die prekäre Situation queerer Menschen in Polen aufmerksam zu machen, dazu kommt er noch mit einer wunderbaren Message, die ganz allgemein gegen Homo- und Queerfeindlichkeit geht, daher, wenn es etwa heißt:

„Ready to open up your doors / Tearing down their walls // We turn on the lights / So we don’t have to love in the dark“

(deutsch: „Seid bereit die Türen zu öffnen / Deren Mauern niederzureißen // Wir schmeißen die Lichter an / So müssen wir nicht im Dunklen lieben“)

MKSM und Leopold „Love in the Dark“

Das Video zur Empowerment-Hymne mit vielen tollen Gästen seht ihr hier und den Song gibt es hier und natürlich in unserer Playlist. 

Ob es gut ist, während der Pride-Saison – und überhaupt – besonders schüchtern zu sein? Wir wissen’s ehrlich gesagt nicht. Was wir aber wissen, ist, dass die neue Single-Auskopplung „Schüchtern ist mein Glück“ (Glück, nicht Glucke!!) aus dem recht famosen Album „Anders als geplant: Marcella singt Plate und Sommer“ von Marcella Rockefeller (die im Oktober vier Live-Konzerte geben wird) gemeinsam mit Petra Pleite aka Peter Plate. Der Song, eigentlich ein Plate-Original, kommt nun in gänzlich neuem Gewand, was vor allem für das großartige Musikvideo und Petra Pleite gilt. Gemeinsam mit Marcella huldigt sie den 70er-Jahren, der Travestie- und Dragkunst und wie nebenher noch ABBA. 

Ein wunderbar ehrlicher, stimmiger und melancholisch-lebensfroher Song, der von einem kräftigen Augenzwinkern begleitet wird, wenn zur Entstehungsgeschichte erklärt wird, dass Petra Pleite in einer verzweifelten Minute ihre Busenfreundin Marcella Rockefeller anrief, da ihre große Plattenfirma sie aufgrund von Übergewicht und Botoxsucht endgültig vor die Tür gesetzt hatte. Marcella nahm sich trotz ihres kometenhaften Aufstiegs und andauernden Erfolgs die Zeit, das Duett aufzunehmen. Das von Wirecard gesponserte Video – im Übrigen gedreht von Friedrich Schmerz – beweist, dass Petra Pleite zwar fertig ist, aber lange noch nicht am Ende! Herrlich! Hört euch den Song an, er ist klasse und vor allem schaut das Video.

ESC und Sünde

Die Geschichte der Petra Pleite (ob sie wohl an einem Musical ihrer Lebensgeschichte arbeitet?) klingt doch wie die Geschichte mancher Künstler*innen, die auch schon auf der Eurovision Song Contest-Bühne standen. Nun hoffen wir mal, dass es so dramatisch nicht für den diesjährigen deutschen Act Jendrik laufen wird, der mit „I Don’t Feel Hate“ einen, sagen wir mal umstrittenen, Song geliefert hat. Wir hier mochten ihn, haben auch schon einmal eine Plate-Jendrik-Zusammenarbeit heraufbeschworen und wundern uns über so viel Hater. Egal, was man vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk halten mag, für die Tonne ist der Song nun wirklich nicht. Abgesehen davon: Es gibt so einen Hook im Track, der auch an Lenas gefeiertes „Satellite“ erinnert – und das haben doch alle irgendwie geliebt.

Hier jedenfalls nochmals das Video zum Song, uns macht es Freude. Übrigens: Fiete & Kefir sprechen in ihrem ESC-Special-Podcast auch darüber und sind sehr unterschiedlicher Meinung. In der QUEER SOUNDS-Playlist findet ihr übrigens weitere ganz subjektive ESC-Highlights wie auch den tollen Song der lesbischen irischen Sängerin Lesley Roy „Maps“, die unverdienterweise bereits im Semifinale ihre Heimat wieder annavigieren musste, oder „Voices“ von Tusse.

Fröhlich ist auch der neue Song von Years & Years, das seit kurzem nur noch als Solo-Projekt von Olly Alexander gelten darf, auch wenn er sich immer mal wieder featured Artists ranholt. So hat er dem kürzlich veröffentlichten, völlig durchgeknallten, beste Laune machenden Knaller-Song „Starstruck“ vor einer Woche noch einen Remix mit Kylie Minogue nachgeliefert, die uns im vergangenen Jahr ohnehin mit ihrem Disco-Album viel Freude bereitet hat.

Olly Alexander hat auch für die am 20. Juni in Deutschland startende Serie It’s a Sin (hier eine Vorschau, unsere ausführliche Review folgt) den gleichnamigen Pet Shop Boys-Klassiker neu eingespielt. Und als sei das noch nicht großartig genug, gibt es nun auch eine richtig geile Version gemeinsam mit Elton John, die die beiden stilecht bei den Brit Awards 2021 performt haben. Die Einnahmen dieser Version kommen der Elton John AIDS Foundation zugute. Apropos Elton John: Auch zu ihm gibt’s im Juni noch ein, zwei Highlights von uns. Hier erst einmal das Video der fantastischen Brit Awards-Nummer:

Teuflischer Sex und kaputte Hosen

Fantastisch: Die neue Single der britischen Sängerin und Songschreiberin L Devine „Girls Like Sex“, die einigen durch den Kracher-Song „Sad Songs“, den sie gemeinsam mit Route 94 aufnahm, definitiv ein Begriff sein müsste. Darüber hinaus hat sie unter anderem Songs für Rudimental und Icona Pop geschrieben. „Girls Like Sex“ ist nach „Naked Alone“ und „Don’t Say It“ die dritte Vorabveröffentlichung ihrer kommenden EP „Near Life Experience Part One“, auf die wir mehr als gespannt sind. Ein offizielles Musikvideo gibt es leider nicht – dafür einen klasse Teaser und ihr findet den Track natürlich in unserer QUEER SOUNDS-Playlist.

Nicht nur Girls mögen Sex, sondern auch Lil Nas X und das kann auch teuflisch zugehen, ähnlich wie die Debatte um den Song „Montero (Call Me By Your Name)“, die einmal mehr gezeigt hat, wie welt- und menschenfremd die institutionalisierte Kirche unterwegs sein kann. Sei’s drum: Der 22-jährige Künstler hat am vergangenen Wochenende in der letzten Folge der aktuellen Staffel von Saturday Night Live den Song performt und seine neue Single „Sun Goes Down“ vorgestellt. Bei der sexy Bühnenshow riss dem Künstler dann auch direkt mal die Hose, etwas, das ihm dann doch noch nicht passiert sei. So schrieb er später auf Twitter, dass er zwar gern mal absichtlich Blödsinn mache, „aber meine Hose live im Fernsehen zu zerreissen gehört nicht dazu.“ Okay. Jedenfalls hielt er sich von da an die Hand in den Schritt (was natürlich ebenfalls einen gewissen Effekt hat) und fuhr nach einem kurzen Verlegenheitslächeln fort.

Und hier gibt es das Video zu „Sun Goes Down

Übrigens noch einmal kurz zum ESC – denn auch da riss eine Hose. Nämlich die vom Frontmann der Sieger-Band Måneskin, Damiano David, als diese nochmals ihren Song „Zitti E Buono“ aufführte. Die Mitglieder der Band bezeichnen sich übrigens als „bisexuell“, „heterosexuell“, „sexuell frei“ und „neugierig“ – letzteres dürfte auf den 22-jährigen Damiano zutreffen, der zwar mit Model und Influencerin Giorgia Soleri verlobt ist, sich aber in einem Gespräch zum Sanremo-Festival 2021 als neugierig bezeichnete. Hier noch die Sieges-Performance der Band.

Übrigens sang Dusty Springfield im Jahre 1965 den Song „Tu Che Ne Sai“ auf dem Sanremo-Festival. Die seltene Aufnahme fand nun Verwendung in der neuen Ryan Murphy-Mini-Serie Halston, die seit dem 14. Mai auf Netflix verfügbar ist und deren Review wir am morgigen Sonntag veröffentlichen werden. 

Roy Halston war sicherlich kein einfacher Mensch und manches Mal einfach ein höllisch furchtbarer Kerl. Eine schöne Assoziation zur Hölle schafft Greyson Chance in seinem Song „Hellboy“, der nach dem von uns geliebten „Holy Feeling“ einen weiteren Ausblick auf das kommende Album „Trophies“ bietet und die Neugierde steigen lässt. Das Video zum Song ist, nun ja, recht seltsam, aber auch ganz cool. Seht am besten einfach selbst. 

Zu guter letzt bringt uns die gerade veröffentlichte, neu aufgemachte Version von Lady Gagas „Judas“ in Wallung. Big Freedia (die einen der geilsten Songs für den sexy Tanzfilm Work It beigesteuert hat) hat dem Track in der neuen Version ihre ganz eigene Note verpasst – was wohl nicht anders zu erwarten war. So können wir auch hier gespannt auf das Mitte Juni erscheinende „Born This Way Reimagined“-Album schauen. Dazu verraten wir euch an anderer Stelle mehr. Nur so viel: Neben Big Freedia werden auch einige weitere Künstler*innen, die die LGBTIQA*-Community repräsentieren und für sie einstehen, vertreten sein, verriet Gaga auf Twitter.

So viel zu einigen unserer Highlights – vollständig ist hier natürlich nichts. Auch in diesem Sinne lohnt immer wieder ein Blick in die QUEER SOUNDS-Playlist, in der wir breitgefächert queere Künstler*innen und Queer-Allies vorstellen und einen Mix aus etablierten und aufstrebenden Musiker*innen präsentieren. Startet gut in die Pride-Saison und seit gespannt auf unsere Juni-Pridelights!

Love & Peace

Eure queer-reviewer

PS: Einer geht noch. Das neue Video von Troye Sivan mit Regard und Tate McRae: „You“. Schon länger in unserer Liste ist das zugehörige Video nun Ende der Woche veröffentlicht worden. Und dazu gab’s nen interessanten Austausch zwischen Troye und Lil Nas X auf Twitter. Läuft.

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