„Chaos ist unterhaltsam. Da schalten die Leute ein.“

Im Zuge der Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten am 3.11.2020 schauen wir etwas genauer auf die dortigen politischen Gepflogenheiten, Akteure und Mechanismen, wie auch auf die internationalen Zusammenhänge. Alle bisherigen Beiträge findet ihr unter dem Stichwort US-Wahl.

Alex Jones und sein InfoWars dürften nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, dass Donald J. Trump die Präsidentschaftswahl im November 2016 gewonnen hat und der 45. Präsident der Vereinigten Staaten wurde. Selbst wenn man den Fakt einbezieht, dass er weniger Stimmen in der Bevölkerung (das sog. Popular Vote) hatte als Hillary Clinton und nur durch das vor allem uns Europäern recht abstrus anmutende Wahlmännergremien-System (engl.: Electoral College) gewinnen konnte, trug der Verschwörungsmythiker und Panikmacher Alex Jones wesentlich dazu bei, dass Trump sich der Stimmen wütender, frustrierter, teils vormaliger Nichtwähler sicher sein konnte. Die Dokumentation Labyrinth der Lügen – Trump und die Fake News-Macher geht dem Phänomen Alex Jones auf den Grund und erläutert die Zusammenhänge.

Eine gut geölte Lügenmaschine

So geht es entgegen dem deutschen Titel also nicht um „die“ Fake-News-Macher, sondern speziell um diesen einen, der sein Leben lang nichts anderes tat, als genau das: Populistische Lügen verbreiten, seine Anhängerschaft erweitern und mit immer abwegigeren Geschichten aufwarten (und reichlich Produkte verkaufen). In dem Film von Michael Kirk und Mike Wisner kommen diverse Journalisten.innen, Autor.innen und weitere Protagonisten.innen zu Wort, wie auch Jones’ Anwalt, Robert Barnes, oder der Anwalt der Eltern des Sandy Hook-Anschlags, Mark Bankston.

Denn bei diesem fiel Jones seine Lügenmaschinerie einmal auf die Füße, da einige Eltern gegen ihn und seine Geschichten, das Massaker sei inszeniert und die vermeintlichen Betroffenen lediglich engagierte Schauspieler, klagten. Viele Anhänger Jones’ machten sich nicht nur in den sozialen Netzwerken in antisemitischen und homophoben Beiträgen („Was für’n Schwuchtelname Noah Pozner“; „Wohl aus nem Kibbuz bei Tel Aviv“) über die getöteten Kinder und deren Eltern her, sondern bedrohten die Eltern auch persönlich. 

Die Dokumentation setzt sich neben der Erzählung der Geschichte von Alex Jones auch mit den Mechanismen von Verschwörungsmythen auseinander, nimmt dabei aber immer Jones und seine Aussagen als untermauerndes Beispiel, was Labyrinth der Lügen eine interessante Dynamik verleiht. So kann anhand konkreter Beispiele hinter jeden Theoriekomplex ein Häkchen gesetzt werden.

Angst und Unwissenheit

Die Politikwissenschaftlerin Dr. Christina Greer erklärt unter anderem, wie Alex Jones gekonnt die Ängste aber auch die Unwissenheit (im Englischen sagt sie „ignorance“, was sich verschiedentlich übersetzen ließe) seiner Zuschauer und Hörer (die meisten seiner Anhänger sind weiß und männlich) ausnutzt, sondern auch wie seine Geschichten im Zusammenhang mit Donald Trump funktionieren. Denn nachdem Jones erst einmal Trumps Ohr hatte, kam es immer häufiger dazu, dass er sich „wilde Behauptungen ausdenkt, Trump wiederholt sie als Tatsache, die Zeitungen drucken sie als Tatsache. Medien und Fernsehsendungen wiederholen es – als Tatsache. Und Trump tweetet es dann als Fakt“, so Greer.

Gallionsfigur des Protestes gegen den Lockdown im Corona-Hotspot Texas: der rechte Radiomoderator Alex Jones bei einer Demonstration in Austin am 18. April 2020. // © ZDF/Callaghan O’Hare

Weitere interessante Einblicke geben vor allem auch Yamiche Alcindor von PBS News Hour (dem die Dokumentation produzierendem Sender), die seinen Umgang mit 9/11 beschreibt und Morgan Pehme, der auch Co-Regisseur von Get Me Roger Stone ist, der das Verhältnis beschreibt, dass Jones und Stone, ein getreuer Anhänger und Handlanger Trumps, verband: Stone verschaffte Alex Jones mit seinem Auftritten bei InfoWars Legitimität und Jones brachte die Wähler an die Urne, die sonst nicht gekommen wären. 

Auch wird immer wieder die Frage aufgeworfen, inwieweit Alex Jones diese Geschichten selbst glaubt, ob er gar psychisch erkrankt sei oder er sich seiner Lügen bewusst ist und sie gezielt zur Manipulation eines Teils der amerikanischen Bevölkerung einsetzt. Dass Roger Stone kaum eine der Geschichten für voll nimmt und sie lediglich und völlig ungerührt als nützliche Vehikel betrachtet ist klar, aber Jones? 

Covid-19 & George Floyd – er hört nie auf

Es kommen auch ehemalige Mitarbeiter von InfoWars zu Wort, die einen Einblick in das Gedankenkonzept von Jones geben, genau wie seine Ex-Frau. Die Kommentare eines der ehemaligen Mitarbeiter wirken allerdings ein wenig irritierend, da es so klingt, als sei er bereits in den Jahren ab 2012 teilweise entsetzt über die Methoden von Jones gewesen, blieb aber doch bis 2017 Teil von dessen Team. 

Die Dokumentation endet schließlich im „Heute“: Nachdem Jones wegen „entmenschlichender Sprache, Verherrlichung von Gewalt und Hasstiraden“ von diversen Portalen und Netzwerken gesperrt, beziehungsweise gelöscht wurde, gab es Gerichtsverfahren und man hatte ihn schon als erledigt abtun wollen. Doch weit gefehlt! Ob Covid-19 oder George Floyd – Alex Jones ist wieder vorn mit dabei. Lügt, brüllt, hasst, hetzt. Und erneut greift Donald Trump einige „Inhalte“ auf und integriert sie in seine Wahlkampfreden und begeistert damit seine Anhänger und die, die es noch werden könnten.

Labyrinth der Lügen – Trump und die Fake News-Macher gibt einen beachtenswerten Einblick in die Funktionsweise von Fake News und verdeutlicht welche Relevanz diese für Trump, den Wahlkampf und seine Anhänger hatten und unverändert haben. Das ist nicht frei von einem gewissen Gruselfaktor und sollte uns zu denken geben.

AS

Labyrinth der Lügen – Trump und die Fake News-Macher; Ein Film von Michael Kirk und Mike Wiser; eine Produktion von PBS Frontline und WGBH Educational Foundation 2020; dt. Bearbeitung: Kelvinfilm; Redaktion: Jochen Leibig; ca. 44 Minuten; in der Mediathek verfügbar bis: 6.11.2020; Ausstrahlungstermine: 2.11.2020, 18:45 Uhr, ZDFinfo

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