Der CDU-Parteitag: Eine Weichenstellung

Bild: © Andrii Yalanskyi, Getty Images // the little queer review

An diesem Freitag, dem 15.1.2021, beginnt der erste komplett digitale Bundesparteitag der CDU um 18:00 Uhr mit ökumenischer Andacht und Ehrung der Verstorbenen, gefolgt von einer Rede der dann Noch-Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer, dem Grußwort der Kanzlerin Angela Merkel, des Berichts von Generalsekretär Paul Ziemiak und Grußworten des CSU-Parteivorsitzenden, Markus Söder, wie auch der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen. Ob diese Dinge nun nur etwas für Politbuffs sind oder nicht, das vermögen wir hier nicht zu sagen. 

Stark interessant allerdings dürfte für sehr, sehr viele Menschen in Deutschland (und sicherlich auch so einige im nicht nur deutschsprachigen Ausland) die Wahl zum neuen Vorsitzenden der Christlich Demokratischen Union sein (hier findet ihr das Parteitags-Programm). Zur Wahl stehen der Ex-Politiker mit ausgeprägtem Wiedereinstiegswunsch Friedrich Merz, der ehemalige Europa-Abgeordnete und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen Armin Laschet und der ehemalige Bundesumweltminister und unbestreitbar versierte Außenpolitiker Norbert Röttgen. 

Viele verschiedene Positionen: Auch in Buchform

Vor kurzem haben wir euch die Armin Laschet Biografie Der Machtmenschliche von Moritz Küpper und Tobias Blasius vorgestellt. Ebenso haben wir euch unsere Ansichten zum neuen Buch von Friedrich Merz, Neue Zeit. Neue Verantwortung., dargelegt. Es ist ein klassisches „Bewerbungsbuch“ eines Politikers, fällt definitiv hinter die Laschet-Biografie und kann auch nicht mit dem interessanten Buch von Michael Bröcker über Jens Spahn mithalten.

In Bereichen LGBTQ*-freundlicher Politik hat sich übrigens keiner der Kandidaten hervorgetan. Merz siehe weiter unten. Laschet agiert in NRW auch eher nicht sehr LGBTQ*-integrativ, hat ja nun aber Jens Spahn an seiner Seite. Und Röttgen stimmte im Bundestag beispielsweise gegen die Einführung der Ehe für alle. Aber wie wir es auch an Annegret Kramp-Karrenbauer sehen konnten, sind Wandel und Veränderung glaubwürdig möglich.

Nun stellt sich am Samstag also die große Frage: Wohin geht es mit der CDU? Wird sie im Stil von Angela Merkel und der leider irgendwie gescheiterten AKK (dennoch nach wie vor lesenswert ist ihre Biografie von Eva Quadbeck und Kristina Dunz) weitergeführt werden, sollte Armin Laschet neuer Vorsitzender werden? Hinter ihm stehen laut Spiegel-Information immerhin die CDU-Fraktionschef der Länder NRW, Niedersachsen, Thüringen, Brandenburg und Bremen. Wird sie eine zwar der Zukunft zugewandte, aber im Kern christlich-konservativ und international-liberale Partei werden, wie Norbert Röttgen es reklamiert? Er konnte massiv aufholen und ist so präsent, Wasser gefühlt 24/7 überall parallel zwei Interviews zu Allem gibt. Oder kommt es zu einer kulturell-konservativen, wirtschaftsliberalen und sozialpolitischen, in Teilen rückwärts gerichteten Wende mit dem nach eigener Aussage profiliertesten und von fast allen, außer Teilen des Establishments, präferierten Kandidaten Friedrich Merz? Und rückt sie mit dem nach rechts? So scheint es, wenn man seine jüngsten Entgleisungen zu Homosexuellen betrachtet. Interessant ist das auch, wenn wir betrachten, dass die LSU als offizielle Parteigruppierung anerkennt werden und eine verbindliche Frauenquote debattiert und beschlossen werden sollte. Dies entfällt nun allerdings und je nachdem wer Vorsitzender wird, mag es künftig nicht erneut auf die Agenda kommen.

Die Frauen-Union stellt sich übrigens gegen Merz, sicherlich auch weil er gegen die Quote ist. Nee, quatsch, „nur der Vorstand“ der Frauen-Union stellt sich gegen ihn, wie er in der letzten Kandidatenrunde menschlich süffisant betonte. Herrje. Sollte er Vorsitzender werden erinnern wir ihn an diese Einordnung und fragen dann direkt mal, für wen ein Parteivorsitzender eigentlich sprechen wolle. Aber wieder im Ernst: Die Frauen-Union habe, wie ihre Vorsitzende Annette Widmann-Mauz in einem Pressegespräch am heutigen Donnerstag berichtete, in einem aufwendigen Verfahren ermittelt, für welchen Kandidaten sich ihre Mitglieder aussprechen würden. Und das Ergebnis sei eindeutig gewesen: Norbert Röttgen und Armin Laschet lagen da mit Abstand vor Friedrich Merz. Ob Frau Widmann-Mauz die Aussage „nur der Vorstand“ für despektierlich hielte, haben wir gefragt. Direkt darauf antworten wollte sie nicht, hat nochmals das aufwendige Verfahren und die Aussagekraft des eindeutigen Ergebnisses für die gesamte Frauen-Union betont. Keine  – direkte – Antwort ist auch eine Antwort. 

Egal: Ein (Mini-)Rechtsruck allerdings wäre vermutlich das Schädlichste, was der CDU passieren könnte. So äußert sich auch Volker Kauder, bis 2018 Fraktionschef der Union im Deutschen Bundestag, laut einer Vorabmeldung der ZEIT-Verlagsgruppe in einem Interview mit Christ & Welt entsprechend und warnt seine Partei vor einem Rechtsruck: „Mit Sorge höre ich immer wieder, dass die CDU konservativer werden müsse.“ Dabei wisse aber niemand genau, was das inhaltlich eigentlich bedeute. Dieser Gedanke ist nicht von der Hand zu weisen. Der Konservatismus von Friedrich Merz ist ein anderer als der von Andreas Rödder, ist ein anderer als der eines Alexander Mitsch. Allesamt CDU-Mitglieder, alle haben sie Bücher veröffentlicht und sich mit ihren konservativen Werten (oder in manchem Fall „Werten“) auseinandergesetzt. 

Die Adenauer-Stiftung und die Junge Gruppe

Auch bei der Auseinandersetzung mit den jeweils von Norbert Lammert, beziehungsweise der Konrad-Adenauer-Stiftung herausgegebenen Wälzern Christlich Demokratische Union: Beiträge und Positionen zur Geschichte der CDU und Balanceakt für die Zukunft: Konservatismus als Haltung (Co-Herausgeber: Joachim Klose) fallen in den diversen Beiträgen große Unterschiede auf. Ebenso lesen sich auch die Bücher NEUSTAAT und Eine Politik für Morgen noch einmal ganz anders. Wobei NEUSTAAT sich vorrangig mit digitalem Wandel befasst und es sich bei Eine Politik für Morgen quasi um Teaser-Text einiger, demnächst ehemaliger, Politiker*innen der Jungen Gruppe innerhalb der CDU/CSU-Bundestagsfraktion handelt (unsere Besprechung findet ihr hier).  

Zurück zum Interview mit Volker Kauder: Er spricht sich auch dafür aus, dass die CDU wieder stärker ihre Ausrichtung am christlichen Menschenbild betonen solle (was nicht überrascht) und dass zu diesem „C“, welches Kompass der Partei sei, auch der Klimaschutz gehöre: „Wir haben in der Vergangenheit den Fehler gemacht, das nie nach vorn zu stellen.“ Hinter das „christliche Menschenbild“ stellen sich sicherlich alle drei Kandidaten, wie es auszulegen ist, da begegnen wir wohl wieder der Problematik der inhaltlichen Bedeutung. Ob nun bezogen auf den Klimaschutz oder den Umgang mit Flüchtlingen.

Kauder, der seinen Favoriten im Kandidatenrennen nicht nennen will, fordert weiterhin Zusammenhalt nach dem Parteitag und keine Zickereien (unser Wort): „Wichtig ist, dass die drei nach der Abstimmung untereinander zusammenstehen.“ Die CDU müsse sich nach dem Parteitag „hinter dem neuen Vorsitzenden versammeln und gemeinsam in die Schlacht um die Bundestagswahl im Herbst ziehen.“ Das sind wahre, ja beinahe weise Worte. Und Friedrich Merz hat sogar schon seine Bereitschaft zur friedlichen Mitarbeit angekündigt (Deja vu?!). In einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland gab er zu Protokoll, dass er bei einer Niederlage auch bereit wäre „eine andere wichtige Rolle“ in der Partei zu übernehmen. Das müssten dann der neue Parteichef und die Kanzlerin klären, er selbst beschäftige sich nicht mit der Frage. Nun, scheinbar ja doch. Aber vor allem: Wieso die Kanzlerin einbeziehen? Angela Merkel hat innerhalb der Partei CDU kein Amt mehr, sie ist zwar Kanzlerin, aber sonst „nur“ einfache Bundestagsabgeordnete. Möchte er das etwa so verstanden wissen, dass wenn nicht ein starker Mann wie er Vorsitzender würde, Merkel ohnehin die eigentliche Chefin bliebe und nichts ohne sie liefe? Ein Schelm wer sich dies denkt, statt es einfach als eine Respektbekundung zu verstehen. Er schätzt doch die Frauen und ihre Meinungen (siehe oben).

Geschlossenheit oder Schlachterplatte?

Wir sind gespannt was passiert, nicht nur während des Parteitags, sondern auch in den Stunden, Tagen und Wochen danach. Kann sich die Partei auf Geschlossenheit einigen und so tatsächlich stark in den Wahlkampf ziehen? Dabei zu bedenken: 2021 ist ein Superwahljahr und in vielen Bundesländern geht es um die schwere Verteidigung des Amtes oder eine möglich Wiedereroberung der jeweiligen Staatskanzlei. Oder gibt es eine Schlachterplatte nach Art der SPD und die CDU befasst sich mit allem, nur nicht mit solider Politik? Wird es gar keiner der drei derzeit zur Debatte stehenden Kandidaten? Tritt Jens Spahn doch noch fix hervor? Erlaubt sich gar eine „dieser“ Frauen in der Union einen Spaß mit all diesen tollen Männern und tritt noch spontan an? Wer weiß! 

Apropos Spaß: Politik ist ja nicht nur Arbeit, manchmal auch Arbeit mit gutem Ausblick und manchmal auch Erholung in Begleitung eines sehr menschelnden und durchaus subjektiven Journalisten.

Wir sind gespannt, definitiv. Und mal mit allem Ernst: Gerade in Zeiten einer sich fortsetzenden Pandemie und gesellschaftlicher Umbrüche bedeutet so eine Wahl, einer wie ihr dem Beitrag entnehmen konntet ziemlich diversen Partei, auch durchaus gern eine Weichenstellung. 

Eure queer-reviewer

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