Geistiger Dünnschiss!

Das Beitragsbild zeigt den Petersplatz, darauf das Buchcover. // Kompostion: © the little queer review

Von Holger Doetsch

Der Autor dieser Buchbesprechung hat sich wirklich redlich bemüht. Ja, er wollte eigentlich die Lektüre des bei C. Bertelsmann Buchs Der Pakt gegen den Papst. Franziskus und seine Feinde im Vatikan von Andreas Englisch bereits auf Seite 50 entnervt abbrechen. Doch hat man ja einen Auftrag der Redaktion. Also Augen auf und durch, obwohl man ahnt: Wenn du 50 Seiten dieses Buchs gelesen hast, hast du alles gelesen. Und so war es dann auch …

Der Autor dieser Buchbesprechung hat es dann sogar bis zur Seite 164 geschafft, und es war dies eine vollumfänglich verschwendete Lebenszeit. Mehr noch: Der Schreiber dieser Zeilen hätte sich versündigt, wenn er sich auch noch die nächsten 250 Seiten reingezogen hätte. 

So peinlich, es verschlägt einem die Sprache

Wer sich dem Autor, Journalisten und Reiseführer Andreas Englisch annähern möchte, muss nur auf das Cover eines seiner anderen Bücher schauen: Mein Rom. Nun, da steht auf dem Cover also nicht “Rom”, sondern da schreit einen Mein Rom an, und da passt es geradezu vorzüglich, wie er grinsend und mit verschränkten Armen vor seinem Oberkörper vor dem Petersdom steht. Sein Antlitz ist natürlich scharf, der Petersdom im Hintergrund indes verblasst wie in einem Nebel. 

In Mein Rom, so der Verlag, enthüllt Englisch „überraschende Geheimnisse“, und das tut er auch in Der Pakt gegen den Papst. Gleichwohl: Dieses Buch ist derart peinlich, dass es einem schier die Sprache verschlägt, und da muss man noch nicht mal ein “Vaticanisti” sein, also einer, der sich im Vatikan wirklich auskennt.

Dieses Buch ist gar eine Zumutung, weil der Leser oder die Leserin Seite für Seite für dumm erklärt wird, und wer das glaubt, was drin steht, dem ist nicht mehr zu helfen. Da gibt es Dialoge mit vermeintlich ganz wichtigen, leider nicht namentlich genannten Menschen im Vatikan, Dialoge, die nicht nur bemüht daher kommen, sondern so niemals stattgefunden haben können. Hätte Englisch einen Roman geschrieben über einen Papst, der gemeuchelt werden soll (gibt es bereits zu Genüge), wäre er wohl gelungen. Hier aber liegt ein “Sach”buch vor, und deshalb ist der Inhalt schlicht und ergreifend unerträglich, weil auf fast jeder Seite deutlich wird, dass dieses Buch von einem Mann geschrieben worden ist, der sich für sehr, sehr wichtig hält. Fast ist man gewillt, den Mann als einen eitlen Gockel zu bezeichnen, dem es völlig egal ist, wer unter ihm Papst ist. Und wo Andreas Englisch ist, da lässt der Papst nicht lange auf sich warten. 

Ständig schreibt Englisch von Bischöfen und Priestern, mit denen er geredet haben will. Belege dafür? Nullkommanix. Englisch beruft sich bei alledem natürlich auf den Quellenschutz, ein hohes Gut im Journalismus, und dieses Werkzeug “Unter 2!“, also das Verbreiten von Informationen ohne Angabe der Quelle, wird seit jeher von windigen Schreiberlingen, siehe Relotius/Spiegel, gerne auch mal missbraucht.

„Ich!, Ich!! Ich!!!“ und die Homosexualität

Das erste Kapitel „Ärger am Tiber“ beginnt mit „Ich“. Noch so ein Grundproblem dieses Machwerks. Es geht nämlich ständig um „Ich!, Ich!!, Ich!!!“, und da verwundert es halt nicht – siehe oben – daß Rom sein Rom ist. „Ich war dabei, als …“ schreibt Englisch, und wenn ihm der Weihrauch, mit dem er sich verhüllt, selbst vielleicht zu viel ist, dann lässt er andere zu ihm sagen: „Du warst doch 1994 in Bari …“

Es folgen nicht nachvollziehbare Einschätzungen über Papst Franziskus, etwa die, dass er sich für Homosexuelle einsetzen würde, was Franziskus eben genau nicht tut, sieht man mal von wohlfeilen Worthülsen, die er diesbezüglich ab und an absondert, und die aber stets folgenlos blieben, ab. Natürlich fehlen auch nicht die reißerischen Hinweise auf „Kirchenmänner, die in äußerst heftige Eifersuchtsfehden im homosexuellen Spektrum verstrickt“ sein sollen. Hier wird von Andreas Englisch das bedient, was sich Hanni und Nanni vom Innenleben des Vatikans eben so vorstellen. 

Holger Doetsch 2003 bei einer Audienz bei Papst Johannes Paul II. Anschließend sprach er etwa eine Stunde mit Kardinal Joseph Ratzinger // Vatikan

Dass Englisch behauptet, seine „Informanten“ würden Franziskus vorwerfen, „die Grundfesten der Kirche” anzugreifen und der Papst „das von Gott gelegte Fundament zum Wanken bringt“, dieser Quatsch macht einen einmal mehr schier fassungslos. Zum Lachen hingegen bringt es den Leser und die Leserin, wenn Englisch von einer „sehr attraktive(n) junge(n) Frau“ angesprochen wird (die in einem Roman, das scheint dieses Buch im Grunde zu sein, natürlich nicht fehlen darf). Sie erbat von ihm eine Erklärung des Wesens der heiligen Messe. Für Englisch natürlich kein Problem: „Nach etwa einer halben Stunde waren wir fertig.“ Bei so viel Weisheit verwundert es einen natürlich nicht, dass Englisch weltweit der einzige war, der wusste (!): „Papst Benedikt XVI. wird zurücktreten.“ Der Autor dieser Rezension wiederum wundert sich nicht darüber, warum – eigens recherchiert und hier leider nun auch „Unter 2!“ verbreitet – ein genervter Joseph Ratzinger angewiesen haben soll, Englisch von ihm fernzuhalten, weil seine Versuche des ständigen Anwanzens kaum mehr auszuhalten gewesen seien.

In diesem Buch gibt es ein ständiges Raunen. Geistliche, natürlich meistens die ganz wichtigen, scheinen bei ihm zu Hause ein und aus zu gehen. Oder er trifft sich mit ihnen in Kaffeebars, Parks oder Restaurants. Seine Gesprächspartner werden dann zu „dicken Priestern“ oder zu „dünnen Priestern“, die ihm irgendwas erzählen. Und, auch darauf verweist Englisch gerne: „Bei mir stand das Telefon nicht mehr still.“ Ab und an ist es auch mal so, dass sein Handy verrückt spielt. All dies geschieht stets dann, wenn im Vatikan ein Sack Reis umgefallen ist, der für Englisch „Breaking News“ ist, drunter geht es bei ihm nicht.

Der Heilige Geist möge es dem Autor dieser Rezension verzeihen, aber dieses Buch ist in erster Linie eines: Geistiger Dünnschiss, gepresst zwischen zwei Buchdeckeln.

Eine Leseprobe findet ihr hier.

Andreas Englisch: Der Pakt gegen den Papst. Franziskus und seine Feinde im Vatikan; Oktober 2020; Hardcover mit Schutzumschlag; 416 Seiten; C. Bertelsmann; ISBN: 978-3-570-10368-5; 22,00 €; auch als eBook erhältlich

Unser Autor Holger Doetsch ist katholischer Christ und beschäftigt sich seit mehr als zwanzig Jahren mit dem Innenleben der Katholischen Kirche. Er ist sowohl Papst Johannes Paul II. als auch Joseph Ratzinger begegnet, als dieser noch Vorsitzender der Glaubenskongregation war. Doetsch war von 1998 bis 2021 in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Referent im Deutschen Bundestag.

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