Männer sind Schweine – Frauen aber auch

Frauen, oft auch in der Rolle als Mütter, können ja ziemlich fiese Biester sein. Und das nicht nur in Soaps wie Verbotene Liebe oder der ZDF-Ku’damm-Reihe, diversen Geschichten Agatha Christies, dem einen oder anderen Tatort oder Polizeiruf 110, sondern auch im echten Leben oder eben auch in Romanen. Und Männer sind nicht besser oder tragen einen gewissen Teil dazu bei, dass ihre Frauen nicht mehr die netten Geschöpfe sind, die sie vielleicht mal waren.

Diese Thematik greift die nordmazedonische Schriftstellerin Rumena Bužarovska in ihrem auf Deutsch im Suhrkamp-Verlag erschienenen Band Mein Mann auf. In elf Kurzgeschichten schreibt die Autorin aus der Sicht der meist namenlosen Frauen, was ihre Männer alles tun, wie die Herren der Schöpfung sie teils vergöttern, teils erniedrigen, teils betrügen und teils einfach vernachlässigen. Die Frauen sind meist zu Hause bei Kind und Haushalt, die Männer kümmern sich um ihre (nicht selten erfolglosen) Karrieren als Gynäkologe, Dichter oder Botschafter. Sympathie will aber am Ende weder für die Frauen noch für die Männer aufkommen, denn auch die Frauen zeigen sich bisweilen von ihren entsetzlicheren Seiten.

Frauen in Südosteuropa haben es nicht leicht

Bereits im Klischee würde man vermuten, dass die Gesellschaften Südosteuropas sehr stark durch Männer dominiert sind und Frauen darunter allzu oft leiden. Alem Grabovac hat dies in seinem Roman Das achte Kind sehr eindrücklich anhand seiner Biografie geschildert und auch die Journalistin Julia Finkernagel beschreibt in ihrem Buch Immer wieder ostwärts, wie hart das Leben für Frauen auf dem Balkan gerne einmal ist. Und erst gestern mussten wir erleben, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in der von Nordmazedonien nicht allzu weit entfernten Türkei nicht die ihr zustehende diplomatische Ehre zuteil wurde. Frauenrechte und eigentlich auch menschlicher Respekt und Anstand scheinen in der Gegend nicht universell zu sein, wie der Austritt des Landes aus der Istanbul-Konvention nur allzu deutlich zeigt.

Rumena Bužarovska hat mit ihren elf Kurzgeschichten, die im Original in ihrer Heimat bereits im Jahr 2014 erschienen, einen ganz fabelhaften Band zusammengestellt, in dem sie die Frauen eine Episode aus deren Leben erzählen lässt. Sie fügt damit den obigen Schilderungen eine weitere Facette hinzu und beschreibt mit viel Humor, wie Frauen unter den meist noch immer vorherrschenden „klassischen Rollenbildern“ zu leiden haben. Und sie zeigt ganz gekonnt, welche Doppelmoral diese Rollenbilder verkörpern. Betrügt ein Mann seine Frau, dann ist das ja sein gutes Recht. Wenn eine Frau das tut, dann Gnade ihr Gott! Und wenn ein Kind einen Unfall hat, den die Mutter zu verantworten hat, führt die Angst vor der Reaktion des Mannes schon einmal dazu, dass die Blessuren verheimlicht werden, nur um selbst keine seitens des geehrten Gatten abzubekommen.

Sympathie? Fehlanzeige!

Richtig sympathisch werden den Leserinnen und Lesern daher aber auch die Frauen nicht. Viele der Protagonistinnen denken eher an sich selbst als an ihre Kinder und ihr Umfeld. Manche greifen in ihrer Raserei schon einmal zu, sagen wir unkonventionellen, Mitteln, um die Affäre des Mannes aufzudecken und vielleicht auch mit Erde zu bedecken. Das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass die meisten Männer ihre Frauen nicht gut behandeln oder dies gar entschuldigen, ganz im Gegenteil. Aber auch die Frauen kommen in Bužarovskas Geschichten eben meist nicht sehr gut weg.

Viele Fragen stellen sich in diesem Zusammenhang: Warum verhalten sich viele der Frauen so? Ist es so, dass sie Aufmerksamkeit wollen? Wollen sie sich rächen? Geht es ihnen um sich selbst? Und warum begeben sie sich überhaupt teils auf ein so niedriges Niveau herab? Sie könnten es doch besser wissen und machen!

Die Macht des Patriarchats

Und im Zentrum steht die Frage, welchen Anteil das gesamte Gesellschaftsbild hat. Die Macht des Patriarchats wird von Bužarovska doch sehr eindrücklich dargestellt und obwohl die meisten der Frauen scheinbar einen für südosteuropäische Verhältnisse eher gehobenen Lebensstandard haben dürften, treten auch bei den Frauen teils archaische Verhaltensmuster zutage. Dennoch: Gewisse Handlungen und Reaktionen lassen sich vermutlich dadurch erklären, dass die Frauen eben unter einem entsprechenden Gesellschaftsbild aufgewachsen sind.

Auch in Bezug auf Queerthemen wird das deutlich: An zwei Stellen im Buch weben die jeweiligen Frauen Anspielungen und Gedanken an Homosexualität ein und leider zeigt sich auch hier (aus einer westeuropäischen Perspektive), wie archaisch und rückständig diese Ansichten auf dem Balkan heute wohl noch oft sind. Bužarovska stellt diese Ansichten zwar nur ganz an den Rand ihres Buches, aber gibt dadurch einen wesentlichen Einblick, wie Queerness auch heute leider noch auf dem Balkan gesehen wird.

Mein Mann – entsetzlich gut

Am Ende steht ein unterhaltsamer Sammelband, der sehr schön die „traditionelle“ Beziehung zwischen Mann und Frau beleuchtet, die Umstände, unter denen viele Frauen heute noch leben müssen und welche Macht das Patriarchat in vielen Gesellschaften leider noch heute hat. Und der Suhrkamp-Verlag hat die von Benjamin Langer fabelhaft übersetzte deutsche Fassung von Rumena Bužarovskas Mein Mann sicherlich nicht rein zufällig genau am 8. März 2021, dem Internationalen Frauentag, veröffentlicht.

Die nordmazedonische Autorin zeigt hier gekonnt ihr erzählerisches Talent und verknüpft dieses mit der Schilderung der Situation von Frauen in Südosteuropa. Sie verbindet kurzweilige Geschichten von teils entsetzlichen Frauen mit noch entsetzlicheren Männern mit den Fragen einer noch einmal entsetzlicheren Gesellschaft und das sehr ist lehrreich, humorvoll und unterhaltsam zugleich.

HMS

Eine Leseprobe findet ihr hier.

Rumena Bužarovska: Mein Mann – Stories; 1. Auflage, März 2021; 171 Seiten; Hardcover mit Schutzumschlag; Übersetzung aus dem Mazedonischen von Benjamin Langer; ISBN: 978-3-518-42976-; Suhrkamp Verlag; 22,00 €; auch als eBook erhältlich

Hinweis: Rumena Bužarovska am 29. Mai auf der Leipziger Buchmesse 2021.

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