Mal kurz um die Ecke gereist

Trotz ausgefallener „Osterruhe“ dürften sich der Lockdown oder zumindest Kontakt- und Reisebeschränkungen noch ein wenig hinziehen. Und selbst dann dürfte es noch eine Weile dauern, bis längere Reisen wieder möglich oder sinnvoll sind. Umso mehr können wir uns nun mit so manchem Naherholungsziel beschäftigen. Hierzu bietet sich der im vergangenen Herbst im Bruckmann Verlag erschienene Band Fernweh Deutschland – Naturparadiese direkt vor der Haustür erleben der Autorin Julia Schattauer an.

Worum geht es: In etwa 60 Kapiteln nimmt Schattauer ihre Leserinnen und Leser mit in bezaubernde Moorlandschaften, auf imposante Mittelgebirgsberge und Hügel oder an pittoreske Seen, Wälder oder auch ins Wattenmeer. In drei Abschnitten – Norden, Mitte, Süden – zeigt uns die Autorin die Schönheit der teils unberührten Natur Deutschlands. Diese werden unterbrochen durch ganzseitige Fotos von Sonnenauf- und -untergängen, Seenlandschaften, Burgen oder ähnliche Schönheiten. Auch inspirierende Zitate oder Gedanken tauchen immer mal wieder ganzseitig auf.

Was passt: Fernweh Deutschland kombiniert sehr gut Bild und Text. Die Beiträge umfassen jeweils zwischen einer und zwei Doppelseiten mit aufschlussreichem Text zu der jeweiligen Gegend. Dazu finden sich auf jeder Doppelseite etwa zwei bis drei kleinere Fotos, die den Text ergänzen, die dortigen Erläuterungen illustrieren und ganz überwiegend einfach sehr hübsch aussehen. Ein konkreter Tipp für eine spezielle Aktivität rundet jeden Abschnitt ab, also beispielsweise eine besondere Übernachtungsmöglichkeit (unter anderem in alten Abteilen der Transsibirischen Eisenbahn im brandenburgischen Rehagen), ein besonderes Restaurant oder eine Aktivität wie beispielsweise eine Alpaka-Wanderung im Westerwald.

Die Saarschleife bei bestem Licht. // © shutterstock/Marie-Therese Schlierkamp / Bruckmann Verlag

Mit mehr als 60 Beispielen in ganz Deutschland ist für fast jeden etwas dabei: Von der Saarschleife im Saarland über Burgen und Schlösser, wie dem Schloss Drachenburg und der Ruine Drachenfels am Rhein, dem Königssee im Berchtesgadener Land, dem Nationalpark Unteres Odertal, dem Nationalpark Bayerischer Wald oder das Mitteldeutsche Seenland sowie die Oberlausitz zeigt Julia Schattauer den Leserinnen und Lesern die teils gar nicht so unberührten Landschaften Deutschlands. Und für die meisten hierzulande Lebenden sollten auch mindestens ein, zwei der Ziele in unmittelbarer Nähe und somit auch dieser Tage erreichbar sein.

Was passt nicht so: Die Beispiele sind sehr gut über Deutschland gestreut, aber so klein ist unser Land eben auch nicht. In einem Buch von weniger als 300 Seiten, das mehr als 60 Orte illustriert, kann nur an der Oberfläche gekratzt werden. Es gibt in den jeweiligen Gegenden bestimmt weit mehr zu sehen als Schattauer in ihren zweifelsohne aufschlussreichen Texten darstellt. Dennoch kann angesichts der Fülle der Naturparadiese lediglich ein Ausschnitt aus jedem gezeigt werden. Fernweh Deutschland kann also vermutlich „nur“ als Inspiration dienen und als erster Schritt, sich mit einer Gegend bei Interesse noch eingehender zu beschäftigen.

Etwas schade ist, dass es kein einführendes Vorwort oder ein abschließendes Fazit gibt. Ein kurzer Text der freien Autorin Julia Schattauer, deren Blog bezirzt einen Blick wert ist, in dem sie ihr Konzept für das Buch darlegt, eine kurze Vorstellung der Beispiele gibt und vielleicht auch klarstellt, was man sich als Leserin oder Leser von Fernweh Deutschland erwarten kann und soll, würde bei der Einordnung und vielleicht der Kaufentscheidung durchaus helfen.

Der Lister Ellbogen auf der Insel Sylt – ebenfalls in bestem Licht. // © shutterstock/Jenny Sturm / Bruckmann Verlag

Innerhalb der Beispiele sind überdies die vielen Bilder erwähnenswert. Sie sind zwar sehr schön ausgewählt und illustrieren sehr gut die Texte zu dem jeweiligen Reiseziel. Gerade bei den großen doppelseitigen Bildern zeigt sich aber, dass die Druckqualität zwar in Ordnung, aber nicht überragend ist. Angesichts des Preises und der vermuteten Zielgruppe ist das zwar kein allzu schwerwiegendes Argument, aber ein wirklich hochwertiger Bildband darf mit Fernweh Deutschland nicht erwartet werden.

Fazit: Fernweh Deutschland ist ein schönes und übersichtliches Buch über Reiseziele hierzulande. Die vielen verschiedenen Gegenden zeigen noch einmal, wie schön es auch in Deutschland ist und dass man wirklich nicht nach Mallorca reisen muss, um ein wenig „Erholung“ zu finden. Gleichzeitig kratzt der Band oftmals nur an der Oberfläche, was man aufgrund der Vielzahl der Beispiele aber auch erwarten kann. Am Ende siegt also die die Breite und Vielfalt der Beispiele über die Tiefe. Dennoch handelt es sich bei Julia Schattauers Buch um einen sehr inspirierenden Sammelband, der uns dabei helfen kann, unsere nähere Umgebung während – aber natürlich auch und unbedingt nach – Corona einmal etwas eingehender zu erkunden.

HMS

Fernweh Deutschland von Julia Schattauer

Julia Schattauer: Fernweh Deutschland – Naturparadiese direkt vor der Haustür erleben; 288 Seiten; ca. 310 Abbildungen; Klappenbroschur mit Fadenheftung; Format: 16,5 x 23,5 cm; ISBN: 978-3-73431-837-5; Bruckmann Verlag; 25,99 €; auch als eBook

Beitragsbild: Das Schloss Drachenburg und die Ruine Drachenfels am Rhein, darauf das Buchcover. Das Drachenfels-Foto (von Markus Kochniss) ist so nicht im Band enthalten, dafür eine ähnliche Abbildung. Für unsere Besprechung standen uns nur die zwei im Beitrag gezeigten shutterstock-Bilder zur Verfügung.

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