Mars im Süden

Beitragsbild: Adeliepinguine am Strand. // © Greenstone TV

Wenn wir heute bereits darüber nachdenken, ob und wie wir den Mars besiedeln könnten, gerät gerne völlig außer Acht, dass wir teils noch nicht einmal wissen, was bei uns auf der Erde vor sich geht. Die im Rahmen eines einwöchigen Programmschwerpunkts zum „Earth Day“ bei arte ausgestrahlte Dokumentation Antarktika – Die gefrorene Zeit zeigt uns einen Teil der Erde, der noch heute verhältnismäßig wenig erforscht ist, aber von den Auswirkungen menschlichen Handelns so stark betroffen ist wie nur wenige andere Weltregionen.

Beeindruckende Bilder aus dem Süden

In knapp 90 Minuten zeigen die Macherinnen und Macher um das Team von Tuan Lam und Yves Simard beeindruckende Bilder vom südlichsten Kontinent der Welt, von Fauna und – ja, es gibt sie auch dort – Flora der Antarktis und erläutern eindrücklich, wie bedroht diese Welt tatsächlich ist. Bereits aus dem Norden kennen wir einen Bericht von Line Nagell Ylvisaker, die dramatisch darstellt, wie der Klimawandel ihre Heimat auf dem zu Norwegen gehörenden Archipel Spitzbergen bedroht.

Auch grüne Flecken gibt es in der Antarktis. Ach ja, und große Kolonien von Pinguinen. // © Greenstone TV

In Antarktika gibt es nun wunderbare Bilder über das Leben und den Lebensraum vieler Pflanzen und vor allem von dort ansässigen Tieren. Gleichzeitig wird immer wieder deutlich, wie sehr dieser Lebensraum und damit verbunden die Artenvielfalt in der Antarktis und weit darüber hinaus bedroht sind. Neben Seeelefanten, verschiedenen Walgattungen und Delfinen gibt es natürlich auch eine Reihe von Pinguinen zu sehen. Diese sind zwar nicht nur in der Antarktis heimisch, aber dennoch stellt sich deren Leben in der Antarktis noch einmal anders dar als beispielsweise auf den Falkland-Inseln oder auf Südgeorgien.

Pinguine sind der Schwerpunkt, aber nicht alles

Die Pinguine bilden somit auch einen Schwerpunkt der Dokumentation. Besonders erfreulich ist, dass die Macherinnen und Macher eine Reihe verschiedener Arten von Pinguinen zeigen: Kaiser- und Königspinguine, aber auch die in Dokumentation nur selten behandelten Adeliepinguine. Klar, das ist schon sehr speziell und man muss sich mit den süßen Frackträgern schon etwas eingehender befasst haben, um den wahren Wert dieser Berichte zu erkennen, aber die doch sehr eingehende Thematisierung der Lebensumstände dieser Gattung ist ein besonderes Alleinstellungsmerkmal von Antarktika.

Kaiserpinguine in der Mauser. // © Greenstone TV

Ihre Dokumentation geht aber weit über die alleinige Vorstellung der Tier- und Pflanzenwelt hinaus. Tuan Lam und Yves Simard arbeiten mit ihrem Team auch geographische, geopolitische und historische Gegebenheiten der Region sehr anschaulich heraus. Sie beschreiben sehr nachvollziehbar die erlaubte friedliche Nutzung der Antarktis, stellen das Zustandekommen und die wichtigsten Inhalte des völkerrechtlichen Regimes um den Antarktisvertrag und die friedliche Nutzung der Region dar, ohne dabei politisch Partei zu ergreifen, aber auch nicht, ohne beispielsweise auf Schlupflöcher aufmerksam zu machen. Beim Walfang stehen beispielsweise Japan und Norwegen am internationalen Pranger oder bei der friedlichen Nutzung der Antarktis die Volksrepublik China.

Auch nicht unerwähnt bleibt die historische Dimension der Antarktis. Die Briten beispielsweise gingen zu Beginn der Kolonialisierung ähnlich ruchlos wie in Afrika auch in der Antarktis vor. Und das Rennen zum Südpol hat nicht nur Markus Lanz übernommen (vielleicht wünscht er sich heute in mancher Talkrunde mit Karl Lauterbach wieder dorthin), sondern auch Robert Falcon Scott und Roald Amundsen. Die Geschichte dieser beiden ist zwar bekannt, aber wird von den Macherinnen und Machern der Dokumentation noch einmal sehr gut unter Verweis auch auf die verbliebenen Überreste der Expeditionen aufgearbeitet.

Informativ auch ohne Palmen und Fremdscham

Alles in allem ist die Dokumentation Antarktika – Die gefrorene Zeit also ein überaus informatives und gleichzeitig spannend aufgemachtes Bildungserlebnis für Groß und Klein. Auf die Gefahren des Klimawandels für die Region und für die ganze Welt darüber hinaus wird gleichermaßen aufmerksam gemacht wie auch auf historische und geopolitische Zusammenhänge. Auch wenn nicht alles ins kleinste Detail erläutert werden kann, macht die Dokumentation Lust darauf, sich noch einmal eingehend damit oder mit Teilaspekten zu befassen.

Das Eis der Antarktis schmilzt. Mit Folgen für uns alle. // © Greenstone TV

Die tollen Bilder von gefrorenen und schmelzenden Landschaften, von treibenden Eisbergen und von Pinguinen und anderen Tieren in ihrer natürlichen Umgebung bieten vielleicht nicht so viel Sonne wie Promis unter Palmen, aber auf jeden Fall weniger Fremdscham und mehr wirklich wichtige Informationen. Und wenn wir wirklich überlegen, den Mars zu bevölkern, dann gibt uns Antarktika – Die gefrorene Zeit einen Hinweis, wie schnell wir dabei sein müssen, denn der Lebensraum im Süden unseres Planeten steht dank des Menschen vor einem gewaltigen Wandel.

HMS

PS: Der Nordpol ist natürlich auch ein sehr spannendes Gebiet.

Die Dokumentation Antarktika – Die gefrorene Zeit wird in zwei Teilen à 45 Minuten am 18. November 2021 um 20:15 Uhr auf arte ausgestrahlt (Wdh.: 21.11.2021 um 12:00 Uhr und 8.12.2021 um 17:50 Uhr) und ist bis zum 15. Februar 2022 in der arte-Mediathek verfügbar (Teil II). 

Antarktika – Die gefrorene Zeit; Dokumentarfilm, Deutschland/Neuseeland, 2020/21; von Tuan Lam, Yves Simard; Laufzeit 87 Minuten; ZDF/ARTE, Gebrüder Beetz Filmproduktion, Greenstone

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