Murot im Doppelten Lottchen

Bild: © HR/Bettina Müller

Murot macht Urlaub. Den hat er sich nach den dramatischen und aufreibenden, teils tragischen Ereignissen in Angriff auch Wache 08 auch verdient. Doch was entspannt und sogar heiter für ihn beginnt, führt natürlich zu einer Mordermittlung. Auch wenn Felix Murot diese einigermaßen gelassen und nicht ohne Genussfähigkeit angeht. Der neue Tatort: Die Ferien des Monsieur Murot passt perfekt in die Reihe einiger diesjähriger Tatorte, die etwas gegen den Strich gebürstet sind und mit den Tatort-Krimi-Konventionen spielen. 

Erst verwechselt und dann für tot gehalten

Felix Murot (Ulrich Tukur) macht Ferien im Königstein im Taunus, lässt es sich bei einem Glas Wein im Garten des hoteleigenen Restaurants gut gehen, schreibt eine, wie sollte es anders sein, philosophisch angehauchte Karte an seine Assistentin Magda Wächter (Barbara Philipp). In diesem Moment wird ihm eine Haxe auf den Tisch geknallt, die allerdings hatte er gar nicht bestellt. Die Kellnerin hat ihn mit dem Autohändler Walter Boenfeld (nochmal Ulrich Tukur) verwechselt. Die könnten eineiige Zwillinge sein. Das finden sie so fantastisch absurd, dass sie gleich einen gemeinsamen Abend bei Wein, Sauna und Schnaps verbringen und dabei über alles Mögliche sprechen. Am nächsten Morgen wird Murot auf der Hollywoodschaukel Walters wach, und zwar verkatert und nach einer Tauschaktion auch in dessen bunter Kleidung. Wenig später stellt Murot fest, dass sein Trinkkumpan vom Abend noch in der Nacht totgefahren wurde. Murot fragt sich sofort: War es Mord? Und wenn ja: War es Walters Frau Monika (Anne Ratte-Polle), vor der Walter sowieso Angst hatte? Murot beginnt undercover als Walter zu ermitteln, was nicht nur einige andere Verdächtige wie das befreundete Pärchen Birgit und Peter Lessing (Carina Wiese, Thorsten Merten) oder Walters Kompagnon im Autohandel, Robert Blaske (Moritz Führmann), hervorbringt, sondern Murot auch Gefallen an einem anderen Leben (und der Hauptverdächtigen) finden lässt. 

Murot schlüpft in die Rolle und Hawaiihemden von Walter Boenfeld. // Bild: © HR/Bettina Müller

Ulrich Tukur ist in diesem, dem neunten Murot-Tatort, natürlich Dreh- und Angelpunkt der Nummer, der Film steht und fällt mit seiner Performance in der Doppelrolle als Felix Murot und Walter Boenfeld. Und es gelingt ganz wunderbar. Zuerst einmal darf Tukur als lauter und etwas schroffer Boenfeld (das dritte Mal inzwischen, dass ich Blofeld schreiben wollte…) ordentlich aufdrehen, ohne aber abzudrehen. Richtig interessant wird es, wenn er als Murot in die Rolle des Toten schlüpft und Murot im Grunde einen anderen spielt, aber seine Eigenheiten dennoch erkennbar bleiben. Das ist fein nuanciertes Spiel und es macht Freude, dem zuzusehen. 

Ein unterhaltsames Puzzle

Freude macht auch das recht lockere Drehbuch von Grzegorz Muskala (auch Regie) und Ben Braeunlich, das auch mit den Motiven einer Verwechslungskomödie spielt, ohne uns dabei die Krimihandlung vergessen zu lassen. Unterhaltsam und unterschwellig spannend sind vor allem die Momente, die die Boenfelds mit den Lessings verbringen, hier trumpfen auch Carina Wiese als etwa undurchsichtige Psychotherapeutin und Thorsten Merten, als verunsicherter Freund Walters auf. Auch wir Zuschauer*innen erfahren erst nach und nach gemeinsam mit Murot, wer hier mit wem in welchem Verhältnis steht. Wir puzzeln uns alles aus kleinen Versatzstücken zusammen und das ist durchaus unterhaltsam.

So nicht! Magda Wächter erteilt Felix Murot eine Lektion. // Bild: © HR/Bettina Müller

Natürlich darf auch Magda Wächter nicht zu kurz kommen, ihr gehören zwei ganz wunderbare Szenen und überhaupt wirkt sie hier einmal mehr als das erdende Element der Vernunft, nicht ohne Unterton versteht sich. In einer kleinen, aber sehr feinen, Gastrolle sehen wir die 94-jährige Ruth Rupp, die mehr oder weniger an einem Auto interessiert ist. Rupp stand übrigens in der Dreigroschenoper das erste Mal im Alter von 77 Jahren an der Seite Ulrich Tukurs auf der Bühne.

Das letzte Drittel schlampt

Aller Unterhaltsamkeit und vieler kleiner Gimmicks, die eine Hommage an die Hulot-Filme Jacques Tatis sind, hat der Murot-Tatort dennoch Schwächen. So zieht sich das letzte Drittel ein ganzes Stück in die Länge und lässt den Charme der ersten Stunde mehrfach quasi auf der Landstraße liegen. Ärgerlich ist auch, wie es eher scherzhaft abgetan wird, dass Felix Murot zumindest indirekt Verantwortung für einen an sich zu vermeidenden zweiten Mord trägt. Und nach Überführung der Täterin oder des Täters, wird eine zuvor aufgemachte mögliche Einflussnahme auf diejenige Person schlicht unerwähnt gelassen. Ein einfaches „Jetzt werden die Kolleg*innen XY mal noch einen Besuch abstatten“ hätte es schon getan. So wirkt das Buch dann im letzten Drittel also nicht nur weniger charmant, sondern auch schludrig. Was schade ist.

Felix Murot aka Walter Boenfeld und dessen Frau Monika. Echte Anziehung oder alles ein Spiel? // Bild: © HR/Bettina Müller

Dennoch: ein sehenswerter, wieder etwas anderer Tatort. Wobei die Murot-Filme ja schon immer ein wenig eigener waren, als viele ihrer Kollegen.

QR

Heute, 22.11.2020, um 20:15 Uhr im Ersten und 21:45 Uhr bei ONE; nach der Erstausstrahlung für sechs Monate in der ARD-Mediathek verfügbar. 

Tatort: Die Ferien des Monsieur Murot; Deutschland 2020; Regie: Grzegorz Muskala; Drehbuch: Ben Braeunlich, Grzegorz Muskala; Kamera: Carol Burandt von Kameke; Musik: Bertram Denzel; Darsteller: Urich Tukur, Barbara Philipp, Anne Ratte-Polle, Thorsten Merten, Carina Wiese, Michael Hanemann, Moritz Führmann; Laufzeit: ca. 89 Minuten; Eine Produktion des Hessischen Rundfunks  

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