Riexi in da House

Dieser Text erscheint im Rahmen unserer Reihe Parlamentarische Pause ≠ politische Pause. Wir werden in der sommerlichen Zeit weiterhin politische Bücher besprechen, uns mit den Sommerinterviews von ARD und ZDF beschäftigen, selber Schwerpunktthemen setzen, Interviews führen und uns einiges Spannendes einfallen lassen. Am Ende steht ein Fazit, wie wir den Sommer mit und für euch erlebt haben.

In der gestrigen Runde der politischen Sommerinterviews hatte Oliver Köhr in der ARD einen der Parteichefs der Linken, Bernd Riexinger, zu Gast. Und ebenso wie AKK bei der CDU war auch Bernd Riexinger nicht mehr als Gast erwartet worden. Ein Parteitag im Juni hätte eigentlich ein neues Vorsitzendenduo wählen sollen, denn Riexinger und seine Parteigenossin und Co-Vorsitzende Katja Kipping haben bereits die laut Parteisatzung empfohlene maximale Amtszeit von acht Jahren erreicht. Egal, Köhr fragt Riexinger zwar nach einer erneuten Kandidatur beim Parteitag, aber der weicht aus und sagt, er wolle Personalspekulationen nicht befeuern. Ein klares Ja oder Nein wäre zwar ein viel probateres Mittel gewesen, solche Spekulationen um seine Person zu beenden, aber gut.

Fehler? Mit einer Entschuldigung ist es ja immer getan!

Köhr fragt nach den Fehlern Riexingers. Der will gleich proaktiv ein zu erwartendes (und von der ARD-Redaktion natürlich auch vorbereitetes) Thema abräumen, nämlich seine Wortwahl bei einer Strategiekonferenz im März 2020. Er sagte damals auf die Frage einer Genossin hin flapsig, dass das oberste Prozent der reichsten Deutschen natürlich nicht erschossen werde, sondern für nützliche Arbeit eingesetzt werde. Also keine Todesstrafe, nur Arbeitslager. Klingt gut und demokratisch und auf dem Boden der Verfassung. NOT! Das ist nicht nur flapsig, sondern menschen- und demokratieverachtend. Aber dass die Linke da ähnliche Probleme hat wie die AfD, dazu kommen wir gleich noch. Auch dass „nur andere“ die Thematik aufgegriffen hätten und niemand, der auf der Konferenz anwesend war, erinnert an den AfD-Sprech von den „bösen Systemmedien“.

Vermutlich war es tatsächlich nur halb ernst gemeint, hoffentlich. Riexinger entgegnet aber auf die Szene erneut etwas flapsig: „Ich habe mich dafür entschuldigt und damit muss es ehrlich gesagt dann genug sein.“ Nein, das ist es nicht. Mit diesem Argument „es war nicht so gemeint und ich habe mich entschuldigt und jetzt ist auch mal gut“ kann auch weiterhin jeder „Vogelschiss“ und jedes Schwadronieren über ein „Denkmal der Schande im Herzen unserer Hauptstadt“ dadurch erledigt werden. Und das ist es nicht. Was man hier braucht, ist offene und ehrliche Reue und Vergangenheitsbewältigung und dazu ist die Linke nicht fähig.

Dies wird zusätzlich in einem Moment deutlich, als Riexinger im neueren Format Frag selbst! nach dem verschwundenen SED-Parteivermögen gefragt wird. Er hätte als Parteivorsitzender die Chance, hier Untersuchungen anzustellen, aber weicht auf die Frage vollkommen aus. Sagt nur sinngemäß, dass seine Partei es durchaus brauchen könnte, denn es könne ihr finanziell auch besser gehen. Das ist, man kann es kaum anders ausdrücken, schäbig.

Antiparlamentarismus und anti-demokratische Haltung

Überhaupt ist die demokratische Haltung der Linken bei weitem nicht so verfassungsgemäß, wie die Mitglieder einem gerne Glauben machen wollen. In einem weiteren Einspieler wird gezeigt, wie ein mittlerweile freigestellter Mitarbeiter eines Abgeordneten der Linken im Bundestag sagt, wie der „parlamentsfixierte Abgeordnetenbetrieb geschwächt“ werden müsse: „Staatsknete im Parlament abgreifen, Informationen aus dem Staatsapparat abgreifen, der Bewegung zuspielen“ und das Parlament dank der „Mediengeilheit“ als Bühne nutzen. Riexinger distanziert sich nur dezent von solch demokratiefeindlichen Aussagen und spielt sie herunter. Er kontert mit dem Engagement der Linken, die im Parlament die meisten Fragen stelle (und damit ähnlich wie die AfD mit ihren Massenanfragen den politischen Betrieb zu gewissen Teilen lähmt). Shame!

Nur doof, dass der Mann Sprecher der Antikapitalistischen Linken ist, einer Untergliederung der Partei, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird und auf deren Existenz und Eingliederung in die Partei Riexinger „stolz“ ist. Diese Gelegenheit nimmt Riexinger in Frag selbst! zum Anlass, die Beobachtung seiner Partei durch den Verfassungsschutz zu kritisieren und die Auflösung dieser Behörde zu verlangen. Spannend, denn auch hier zeigt sich eine weitere Schnittmenge mit der AfD. Langsam fragt man sich echt, ob da der alles andere als sympathische Geschäftsführer der AfD Thüringen oder Bernd Riexinger sitzt – Forderungen, Habitus und Argumentationsstrategien der beiden Parteien ähneln sich schon enorm.

Thüringen scheint neue Verhaltensmaßstäbe zu setzen

Köhr steigt aber ein mit der Frage nach den Erfolgen der Linken in den letzten sieben Monaten – aus seiner Sicht überschaubar, aber Riexinger nennt die Wahlerfolge in Hamburg und Bremen (letztere fand übrigens bereits im letzten Mai statt, nicht in diesem) sowie die Verteidigung des Ministerpräsidentenamtes in Thüringen. Nun ja, a) fand auch diese Wahl bereits letztes Jahr statt und b) kann sich der selbsterklärte Interimspräsident Bodo Ramelow ja nicht auf eine eigene Mehrheit stützen. Oder warum wäre er sonst auch selbst in die Falle der AfD getappt, die den FDP-Mann Kemmerich zum Kurzzeit-Ministerpräsidenten miterkor?

Ramelows Stinkefinger gegenüber dem bereits genannten AfD-Geschäftsführer wurde natürlich auch thematisiert. Riexinger findet es ok, dass Ramelow eine der wüstesten Gesten der deutschen Zeichensprache nutzte, auch wenn der Landtag der falsche Ort dafür gewesen sei. Ein Mittelfinger im Landtag sollte auch für die Linke in eine ähnliche Kategorie wie der Handschlag für einen Faschisten an selber Stelle fallen. Grünen-Co-Chef Robert Habeck hat ein Buch über politische Sprache und Umgangsformen geschrieben, das wir demnächst auch kurz besprechen werden. Wenn er seine Glaubwürdigkeit behalten will, dann sei ihm empfohlen, eine Koalition mit der Linken, oder zumindest mit Riexinger, auszuschließen, denn dieser scheint ein ganz besonderes Verständnis von Anstand zu haben. Alternativ kann man ihm auch mal einen Knigge-Kurs schenken.

Linke Evergreens dürfen nicht fehlen, ebenso wenig sozialistische Romantik

Natürlich gab es auch linke und sozialistische Evergreens. Mehr soziale Gerechtigkeit, Vermögenssteuer und -abgaben auf „die Dritt- und Viertvilla, die Dritt- und Viertyacht“ (also schön verpackte Enteignungen von Leistungsträgern), bessere Pflege, etc. Einiges davon kennt man und mag es auch für sinnvoll halten, anderes diente gestern als Standardantwort, wenn Riexinger mal wieder einem unangenehmen Thema ausweichen musste. Spannend auch, dass das Thema Klimaschutz (natürlich sozialverträglich) sehr oft Erwähnung fand. Welche bahnbrechenden Ideen hat die Linke hier nochmal? Welche Konzepte hat sie gleich nochmal vorgelegt, um den (gerne auch sozialverträglichen) Klimaschutz voranzubringen? Richtig, keine! Lippenbekenntnisse also.

Um die indiskutablen Drohmails an verschiedene Linkenpolitikerinnen des so genannten „NSU 2.0“ ging es auch kurz. Spannend an der Stelle ist aber weniger, dass Riexinger solche Mails und das vermutlich verbundene Behördenversagen scharf verurteilt. Darin hat der Kriegsdienstverweigerer durchaus recht. Ins Gesamtbild passt allerdings, dass die ansonsten so massiv abgelehnte Polizei und der Verfassungsschutz kritisiert werden, hier nicht tätig zu werden. Aber erinnern wir uns: „Informationen aus dem Staatsapparat abgreifen, der Bewegung zuspielen“, den Verfassungsschutz abschaffen und das System und dessen Ressourcen für die eigene Partei nutzbar machen – das sind alles Forderungen, die einerseits auch der AfD zugeschrieben werden könnten, andererseits aber auch an das dunkle Kapitel der deutschen Teilung.

Das Interview wurde wie immer auf der Treppe des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses gedreht, also nur wenige Meter von der alten innerdeutschen Grenze. Nur wenige Meter von einem aus weißen Kreuzen bestehenden Mahnmal für die Toten an der Berliner Mauer. In diese DDR-Sozialromantik passt es perfekt, dass Riexinger in Frag selbst! auf die Frage, ob die DDR ein Rechtsstaat oder ein Unrechtsstaat gewesen sei, antwortete: „Sie war kein Unrechtsstaat, sie war aber auch kein Rechtsstaat.“

Eine Partei mit solchen Führungsleuten sollte auf gar keinen Fall an einer Regierung – egal ob auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene – beteiligt werden. Im Gegenteil: Der Verfassungsschutz muss nicht nur bei der AfD, sondern auch bei der Linken, weiterhin mehr als genau hinsehen.

HMS

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