Robert Habeck: der Mann, der nicht selber entscheiden kann, was er sich zutraut

Dieser Text erscheint im Rahmen unserer Reihe Parlamentarische Pause ≠ politische Pause. Wir werden in der sommerlichen Zeit weiterhin politische Bücher besprechen, uns mit den Sommerinterviews von ARD und ZDF beschäftigen, selber Schwerpunktthemen setzen, Interviews führen und uns einiges Spannendes einfallen lassen. Am Ende steht ein Fazit, wie wir den Sommer mit und für euch erlebt haben.

Im letzten ARD-Sommerinterview dieses Jahres stellt sich Robert Habeck den Fragen von Oliver Köhr, erneut auf der Terrasse des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses, was, wie Habeck zum Ende feststellt, ja auch nur Inszenierung sei, um die Deutschlandflagge im Bild zu haben. Dazu aber später mehr. Oliver Köhr stellt den Grünen-Co-Vorsitzenden mit den Worten vor, für die einen sei er Hoffnungsträger, für die andere eine Art Hassfigur, die linke Ideen geschmeidig rüberbringe und dabei immer mal wieder mit Wissenslücken glänze. Und stellt zugleich die Frage, ob die guten Umfragewerte nur die vorhandenen inneren Streitfelder der Partei zukleistern würden.

„Holterdiepolter“ und der bayerische Weg sind falsch für Corona

Am Anfang geht es aber natürlich zuerst einmal um Corona und die Kritik Habecks am Umgang mit der einen oder anderen Problematik. So habe die Bundesregierung zum Beispiel in den Sommerferien das Ende eben dieser nicht mitgedacht und stehe nun vor einem großen Problem, sowohl was Tests als auch Sicherheitsregelungen angehe. Eine Holterdiepolter-Attitüde und der bayerische Weg hätten die ganze Corona-Situation ohnehin zuletzt nur verschlimmert. Auch kritisiert Habeck indirekt die Hilfsmittel, die die Bundesregierung der Wirtschaft zur Verfügung stellt, wie beispielsweise die Mehrwertsteuersenkung, die enorm teuer sei. Überdies könne man nicht sicher sein, ob sie wirklich die Wirtschaft stärken oder doch nur einen Mitnahmeeffekt erzielen würde. Er befürchte Letzteres und erinnert an den Vorschlag von Gutscheinen für den stationären Einzelhandel. Hier erinnert ihn Köhr daran, dass dieser ja auch innerhalb der Grünen nicht unumstritten gewesen sei. Klar spricht Habeck sich dafür aus, dass die Wirtschaft gerettet werden müsse, ebenso klar äußert er aber keine Ideen.

Allgemein solle Deutschland für die Zukunft fit gemacht werden, es müsse mehr investiert werden und es sei an der Zeit unter dem Motto „Stärkere Schultern müssen mehr tragen als Schwächere“ über eine Solidaritätsabgabe neuer Art zu sprechen. Das klingt ja eher nach einer Art Vermögensabgabe, wie sie beispielsweise die SPD-Vorsitzende Saskia Esken vor zwei Wochen an selber Stelle oder die Vorsitzenden der Linkspartei in ihren Interviews gefordert haben.

Kanzlerkandidat? Was? Wie? Wo? Wer? Ein rhetorischer Mittelfinger

Nun zu der großen Preisfrage, ob es einen „grünen Kanzlerkandidaten“ [sic!] geben werde. Habeck weicht aus, sagt man werde sehen, sie seien zweitstärkste Kraft geworden, weil man sich auf die Inhalte konzentriere, miteinander arbeite und man „nicht Autorität oder monarchische Gesten ausströmen“ solle. Köhr fragt nach, ob Habeck es sich denn zutrauen würde, Kanzlerkandidat zu sein. „Ich bin Parteivorsitzender geworden, weil ich diese Lethargie in der Politik aufbrechen wollte […]“ und man müsse sich eben aufs Teamwork konzentrieren, antwortet der promovierte Philosoph. Erneut fragt Oliver Köhr: „Trauen Sie es sich denn zu?“ Habeck wird, nicht das erste Mal im Gespräch, fahrig bis ungehalten als er antwortet, dass das nicht er zu entscheiden habe „sondern die Partei und die politische Kraft, die wir entfalten.“ Aha. Der Co-Vorsitzende einer Partei der Bundesrepublik Deutschland, die seit geraumer Zeit in Umfragen zweitstärkste Kraft ist und auch mit ihrem Führungspersonal Akzente setzt, sagt, er habe nicht zu entscheiden, ob er sich eine Kandidatur zutrauen würde? Das ist völlig lächerlich und eine peinliche Antwort, erst recht, wenn sie derart zickig gegeben wird.

Im Format Frag selbst geht es noch darum, dass die Partei das entscheide, ebenso wie sie selber entscheide, wann der Wahlkampf beginne und sich das nicht von der SPD diktieren ließe – zumal sie auch nicht die Not hätte, wie sie die SPD habe.

Köhr fragt nun, wie es denn mit Koalitionsoptionen nach der Bundestagswahl 2021 aussehe. Ob denn auch schwarz-grün in Frage käme. Wieder wird Habeck dezent aggressiv und beschwert sich, dass die Debatte falsch und ärgerlich sei, da sie ja impliziere, dass die Union stärkste Kraft würde. Die Grünen aber kämpften um die Führung in diesem Land mit einer „enorm krisenanfällige[n] Gesellschaft“ und sie träten nicht an, um Zweiter zu werden. Nun mal im Ernst – es wäre ein Leichtes gewesen, hier zu sagen: „Wenn dann hieße die Option sicherlich grün-schwarz und dann geht es natürlich um Inhalte.“ Ganz einfach. Stattdessen steigert er sich, der vor kurzem noch ein Buch über den vernünftigen Umgang miteinander im politischen Diskurs veröffentlicht hat (unsere Besprechung findet ihr hier), in eine völlig sinnfreie und jedem Respekt abgehende Wut hinein. 

Schließlich geht es noch kurz um Belarus und die gefälschte Wahl. Hier spricht er sich natürlich für das Ende der, nun auch unrechtmäßigen, Regentschaft Lukaschenkos aus, tritt für einen Dialog mit Russland ein und so nett und richtig das ist, offenbart er dann doch, erneut, außenpolitische Wissenslücken.

Pferde und BaFin – alles aus dem Kontext gerissen

Weiter wird der Fridays for Future-Aktivist Quang Paasch zitiert, der die beiden Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck dafür kritisiert, dass sie zu sehr an die Union rücken würden und dass sie immer „weniger radikal und weniger ehrlich und auch nicht authentisch“ seien. Hier antwortet Habeck, dass das Klimapaket der Bundesregierung durchaus sehr grün geprägt sei und das auch erst durch die Beteiligung der Grünen. Zuvor hätten CDU und SPD sich da inhaltlich nichts genommen und dann müsse man auch mal von Maximalforderungen abweichen. Hier erwähnt Habeck dann auch, dass es seltsam sei, sich da nur an der Union abzuarbeiten. Beides stimmt und vor allem lässt sich wieder einmal erkennen, dass das Gerede des angeblich losen Zusammenschlusses von Aktivist.innen unter dem Namen Fridays for Future, man sei unpolitisch und überparteiisch, absoluter Nonsens ist. 

Schließlich geht es um den schon beinahe kultverdächtigen Instagram-Post von Habeck mit ihm und Pferden. Ob das nicht auch nur Inszenierung sei? Habeck beschreibt erst einmal, was das für Pferde waren und liefert damit einen wichtigen und tatsächlich informativen Hintergrund. Oliver Köhr merkt an, dass Habeck das alles in seinem Post ja nicht erwähnt habe. Und Habeck wischt das wieder eher zickig weg und meint, nun habe man die Bilder ja gezeigt und dann könne er das jetzt auch erzählen. Nichtsdestoweniger oder viel eher somit erst recht: Sein Post war schlichte Inszenierung und auch Glorifizierung, was er aber beides nicht möge. In diesem Zusammenhang geht er Köhr dann auch ein wenig an, man habe sich hier ja auch diesen Platz ausgesucht, der eben auch Inszenierung sei. Ah ja. 

Köhr fragte zum Umgang Habecks mit sozialen Medien auch, ob es in dort nicht leichter wäre sich zu inszenieren, da man eben schöne Bilder zeigen und gleichsam über inhaltliche Schwächen hinweggehen könne. Die Antwort von Robert Habeck auf die Frage, was denn nun das mit der BaFin gewesen sei, nämlich, dass das einfach eine überspitzte Formulierung war, die aus dem Zusammenhang gerissen worden sei, um dann ein Ablenkungsmanöver zu inszenieren, um statt über die Inhalte, sich nun über ihn aufregen zu können, spricht Bände. Dazu kommt auch noch mehr im Format Frag selbst und Habeck unterstellt der BaFin und Wirtschaftsprüfungsunternehmen noch so einiges.

Ein erschreckend peinliches Sommerinterview, das den Zuschauer.innen nicht nur einen zickigen, sondern auch aggressiven und unruhigen Habeck zeigte, der um jeden inhaltlichen Punkt herumredete, indem er entweder sagt, es gehe um Inhalte im Teamwork oder sich zu einem Opfer macht. Das ist seiner Person sowie seiner Position und auch der Sendung Bericht aus Berlin und deren interessierten Zuschauer.innen unwürdig. Hoffen wir mal, dass wir das einfach auf die Wärme schieben können und er Alpträume der armen Pferde wegen hatte. 

AS

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