„Selamlik“: Sprachlos zurückgelassen im Männerhaus

Was schreibt man über ein Buch, das einen sprachlos zurücklässt, als man den Buchdeckel schließt? Eigentlich sollte es doch nicht so schwer sein, denn das Buch ist ja schließlich voll von Worten und Buchstaben und das an sich bildet ja Sprache. Und doch lässt einen Selamlik von Khaled Alesmael aus dem Albino Verlag erst einmal wirklich sprachlos zurück. Ist das erklärbar? Ein Versuch:

Collagenroman

Alesmael benutzt das Wort in seinem Buch selbst und das trifft es am ehesten. Er hat hier eine Collage zusammengestellt, die einen Überblick über das Leben seines Protagonisten Furat gibt. Wie bei einer Collage findet sich aber auch im Roman kein chronologischer Handlungsstrang. Allerdings sammelt diese Collage nicht nur die schönen Momente, sie bietet auch die Breitseiten und die Angsterlebnisse in voller Aufsicht. Da fragt man sich schon manchmal, ob man das alles wirklichen sehen/lesen/wissen will. Schlussendlich muss und kann diese Antwort aber nur „ja“ lauten. Und genau das macht das Buch so besonders und lesenswert. 

Der Palast

Mit seinem Titel, der schon eine Übersetzung braucht, bietet das Buch direkt den ersten Cliffhanger. „Selamlik – der den Männern vorbehaltene Teil des Hauses“ lautet denn auch direkt die erste Zeile des Glossars. Wenn man das durch die Suchmaschinen jagt, dann liest sich das schon mehr nach 1001 Nacht: Wikipedia lässt uns wissen: „Der Selamlık (osmanisch سلاملك) war der von den Männern bewohnte Teil des türkischen Hauses, der auch Fremden zugänglich war. Darüber hinaus bezeichnete man damit den öffentlichen Empfang der Würdenträger seitens des Sultans als Selamlık, welcher an Festtagen im Garten des alten Serails stattzufinden pflegte. Der offizielle (öffentliche) Teil eines Palastes im Osmanischen Reich hieß ebenfalls so.“ 

Und damit sind wir beim Palast. Wäre es nicht traumhaft, in einem orientalischen Palast im Bereich der Männer zu leben? Wohltrainierte junge Kerle, die auf Diwans dahingegossen den Tag bei einigen Spielen verstreichen lassen. Zwischendurch lassen sie sich immer wieder eine saftige Dattel oder eine zuckrige Süßigkeit zwischen die vollen, von einem luxuriös gepflegten Bart umspielten Lippen schieben. 

Bilder mit dieser Intention zeichnet dieses Buch in die Köpfe des Lesers, um sie zügig  zu zerstören, mit einem wunderschönen bis irgendwann tragischen Alltag in Syrien und dann auch in Schweden.

Immer noch nicht genug? 

Dann bietet sich das Video von unserem Neuzugang an. Der spricht hier mit seinem kleinen queeren Bär Fiete von und über dieses Buch. Vielleicht habt ihr ja genau so viel Spaß an diesem Video, wie wir. 

Fiete Fellfreund und sein Hüter stellen „Selamlik“ vor.

Frank Hebenstreit und Fiete

Eine Leseprobe findet ihr hier (als Epub-Download). 

Khaled Alesmael: Selamik; 1. Auflage, September 2020; 256 Seiten; gebunden mit Schutzumschlag und Lesebändchen; Übersetzung: Christine Battermann, Joachim Bartholomae; ISBN: ISBN 978-3-86300-302-9; Albino Verlag; 24,00 €; auch als eBook 17,99 €

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Beitragsbild: Blick auf Damaskus mit Moschee. // Design: © the little queer review

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