Sexuelle Vielfalt ist eine Ausdauersportart

Die UEFA verbietet eine Regenbogenbeleuchtung der Münchner Allianz Arena beim Spiel gegen Ungarn. Eine vertane Chance und es bleibt zu hoffen, dass die Stadt München und der DFB ein Zeichen setzen. Ein Kommentar.

Es ist bemerkenswert, was so eine kleine Armbinde und ein Gesetz in Ungarn alles auslösen können. Die Regenbogen-Kapitänsbinde von Manuel Neuer, dem Kapitän der deutschen Fußballnationalmannschaft, hat den europäischen Fußballverband UEFA beschäftigt, denn er trug sie bei den ersten beiden EM-Spielen gegen Frankreich und Portugal, und die UEFA war sich nicht sicher, ob dieses Zeichen der Menschlichkeit ihrer Statuen entspräche – und er hat auch klargemacht, dass er sie auch im Spiel gegen Ungarn wieder tragen wird, nun auch auch mit dem Segen der UEFA, denn die Binde stehe für Toleranz und Vielfalt, Grundwerte, die die UEFA zu vermitteln sucht. Gut so!

Kampf um den Regenbogen

Umso erstaunlicher ist das Gebaren der UEFA, wenn es darum geht, dass die Münchener Allianz Arena (fast ein Wunder, dass wir sie so bezeichnen dürfen – wir erinnern uns, beim Sommermärchen 2006 musste der Schriftzug noch abgenommen werden) beim Spiel gegen Ungarn am Mittwoch in Regenbogenfarben erleuchten soll. Dieter Reiter, Oberbürgermeister der Stadt München, hat am Montag die UEFA über die entsprechenden Pläne informiert, doch die Ausrichter erteilten diesem Plan am Dienstag eine Absage.

Dabei ist klar: Gerade gegen Ungarn ist das selbstverständlich ein politisches Statement, denn das dortige Parlament hatte bei Enthaltung der Opposition erst in der letzten Woche ein Gesetz erlassen, das Aufklärung zu Homosexualität für Kinder und Jugendliche quasi unterbindet. Es ist recht offensichtlich, dass dies gegen europäische Grundwerte verstößt und es bleibt zu hoffen, dass die Europäische Union einen Ansatzpunkt findet, hier ein entsprechendes Verfahren gegen Ungarn einzuleiten. Umso mehr aber bedürfte es jetzt eines Zeichens für Vielfalt und Toleranz, das in Ungarn auch wahrgenommen wird. Ein Spiel der ungarischen Nationalmannschaft, das in quasi jeden Haushalt des Landes gesendet werden dürfte, wäre ein solches Zeichen, denn ja, liebe katholische Kirche, Symbolpolitik hat durchaus Wert.

Und mit der Armbindendebatte hat die UEFA doch bereits alle Argumente geliefert. Es geht um Toleranz und Offenheit, um Respekt und Menschenrechte. Das sind wesentliche Grundwerte, die über den Fußball transportiert werden können und sollten. Für die UEFA bietet sich eine Chance, sich von dem Image zu lösen „ein schlecht verkleideter Erpresserverein“ zu sein, wie es in einem Interview mit dem CDU-Sportpolitiker Fritz Güntzler im Deutschlandfunk am Dienstagmorgen bezeichnet wurde. An einer für die UEFA scheinbar so kleinen Debatte zeigt sich nun, dass sie es mit den von ihr selbst propagierten Werten nicht sehr ernst meint.

Drohungen und Missachtung von Corona-Regeln

Hinzu kommt, dass die UEFA ohnehin bedenkliche Entscheidungen trifft. Die Drohung, München als Spielort nicht mehr zu berücksichtigen, wenn keine Zuschauer zugelassen würden, lag lange in der Luft. Scheinbar hat die UEFA einem Kompromiss zugestimmt, denn die Spiele in der bayerischen Landeshauptstadt liefen bislang gut. Dennoch: Bilder mit Zuschauerinnen und Zuschauern ohne Atemschutzmasken und ohne Sicherheitsabstand gab es auch hier. Fritz Güntzler sagte, dass es keine Möglichkeit gäbe, hier polizeilich tätig zu werden. Was es aber gibt, ist die Verantwortung des Ausrichters, also der UEFA.

Wenn also schon nicht die Polizei die Maskenpflicht kontrolliert, dann müsste die UEFA dafür sorgen, dass diese in den Stadien eingehalten wird. Im Zweifel müssten dafür Ordnerinnen und Ordner angeworben und Zuschauerinnen und Zuschauer im schlimmsten Fall des Stadions verwiesen werden. Nun, wo sich die UEFA also bei der Stadionbeleuchtung mit Verweis auf ihre Grundsätze oder Vereinbarungen mit der Stadt München querstellt, wäre es sehr wünschenswert, würde Dieter Reiter dafür sorgen, dass auch die Durchsetzung der Auflagen für die Spiele in der Allianz Arena noch einmal genau überprüft würden – mit entsprechenden Konsequenzen, beispielsweise einem Geisterspiel. Die möglichen Konsequenzen von Ansteckungen im Stadion, beispielsweise Corona-Langzeitfolgen (Long Covid), zahlt übrigens nicht die UEFA, sondern die Solidargemeinschaft.

Was macht der DFB?

Wer sich übrigens erstaunlich passiv in der Debatte verhält, ist der Deutsche Fußball Bund (DFB). Klar, derzeit nur mit halber Führungsmannschaft, aber ein bisschen mehr Positionierung wäre an dieser Stelle durchaus angebracht. Vermutlich wirft hier bereits die nächste Europameisterschaft bereits ihre Schatten voraus – 2024 in Deutschland. Der DFB befindet sich damit eigentlich in einer guten Vermittlerposition. Er könnte versuchen, einen Kompromiss zu finden. Beispielsweise wäre es nach der Ablehnung der UEFA nur folgerichtig, die EM in drei Jahren vollends unter das Motto Vielfalt und sexuelle Orientierung zu stellen.

Klar, bis dahin sind es noch drei Jahre und ein Zeichen in Richtung Ungarn wäre JETZT vonnöten. Aber nichtsdestotrotz könnte und sollte diese Auseinandersetzung nun die Debatte im Fußball für die nächsten Jahre beherrschen. Das würde von Mut, Aufgeschlossenheit, Toleranz und Integrität zeugen. Fußball ist eine Ausdauersportart. Der Kampf um sexuelle Vielfalt scheinbar auch.

HMS

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