Sie kam, sie sah und sie hörte zu siegen auf… (?)

Noch vor einem Jahr gab es kaum eine politische Talkshow zur CDU, die ohne Kristina Dunz oder Eva Quadbeck stattfinden konnte. Die beiden haben nämlich ein Buch geschrieben. Über die noch heute amtierende, aber aller Voraussicht nach demnächst abtretende CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK). In Ich kann, ich will und ich werde – Annegret Kramp-Karrenbauer, die CDU und die Macht setzen sich die beiden Journalistinnen mit dem politischen und persönlichen Werdegang der Ex-Kanzlerkandidatenaspirantin auseinander. Das bereitet auch unter den heutigen Umständen in Bezug auf AKK noch viel Lesefreude.

Facetten einer Kanzleraspirantin

Dunz und Quadbeck beleuchten das Leben der AKK in sehr vielen Facetten, die ein Volk über seine künftige Kanzlerin kennen sollte. Das Buch entstand großteils in der Zeit der großen Krise von CDU und CSU im Sommer 2018 als Innenminister Horst Seehofer einen Streit vom Zaun gebrochen hatte, der die Gemeinschaft der beiden Schwesterparteien fast zerrissen hätte. AKK war zu dem Zeitpunkt Generalsekretärin der CDU und als solche erst vor wenigen Monaten aus dem Saarland nach Berlin gewechselt. Und in dieser Krise setzen Dunz und Quadbeck auch direkt und recht gekonnt an, legen aufschlussreich dar, wie AKK damals alles versuchte, um die Fliehkräfte in beiden Parteien zu bändigen.

Das tun sie – wie in den meisten der zehn Kapitel der dritten Auflage – sehr anschaulich, weil sie ein besonderes Format für ihr Buch wählen: Jedes Kapitel beginnt mit einer ca. zehn- bis zwanzigseitigen Aufarbeitung der jeweiligen Thematik. Daran anschließend gibt es stets ein Interview mit AKK in ähnlicher Länge, in dem die beiden Journalistinnen verschiedene Punkte aus dem Aufarbeitungsblock vertiefen und die persönliche Einschätzung der CDU-Politikerin zu Ereignissen oder Themen einholen. Manchmal erfährt man aber auch einfach nur, dass sie vermutlich streuseligere Streuselkuchen als Angela Merkel backen kann (S. 253). Aber auch eine Prise oder gar eine Messerspitze Persönliches gehört in einem Buch dazu, das eine Person und ihre Positionen bekannter und zugänglicher machen soll.

AKK – Schicksalsjahre einer Saarländerin

Persönlich wird es auch nach dem Kapitel zur Unionskrise, in dem ihre Jugend, ihre Verwurzelung in der Familie, der Wert christdemokratischer Traditionen und das heimische Saarland zur Sprache kommen. Weitere Stationen, über die Dunz und Quadbeck ausführlich berichten, sind die Regierungszeit in Saarbrücken (schwerpunktmäßig natürlich die Zeit als Ministerpräsidentin), die Koalitionsverhandlungen 2017/18 sowie der im neuen Kapitel zehn aufgearbeitete Aufstieg zur Parteivorsitzenden nach mehrmonatiger Castingshow innerhalb der Partei.

Diese Teile sind deshalb so wichtig und spannend, weil sie eindrücklich beschreiben, wie sich AKK in verschiedenen Situationen – besonders in Krisen – bis dahin verhalten hatte. Mit der Aufkündigung der saarländischen Jamaika-Koalition am Dreikönigstag 2012 wurde die bis dahin quasi unbeschriebene AKK auf einen Schlag bundesweit bekannt. Hier liefern Dunz und Quadbeck sehr wichtige und informative Passagen, die diese einschneidende Episode in einen größeren – bislang eher wenig beleuchteten – Zusammenhang setzen.

Das gilt analog genauso für die Kapitel zur Unionskrise und zum Rennen um die Nachfolge von Angela Merkel im CDU-Parteivorsitz. Dunz und Quadbeck illustrieren, welchen Willen zur Macht und welchen politischen Instinkt AKK hat. Solange sie noch nicht Parteivorsitzende war, agierte sie ja auch zumeist geschickt, wenn auch manchmal nicht ohne Risiko.

Im fulminant endenden Landtagswahlkampf 2017 warb sie beispielsweise damit für sich, dass sie nur als Ministerpräsidentin zur Verfügung stehe – für kein anderes Amt. Sie stoppte damit den Schulz-Zug, aber bewies gleichzeitig argumentative Flexibilität. Denn nicht einmal ein Jahr später ließ sie sich zur Generalsekretärin wählen und verließ das Saarland. Dieselbe Flexibilität zeigt sie bekanntermaßen später noch einmal als sie zuerst beteuert, nicht in ein Kabinett unter Angela Merkel als Bundeskanzlerin eintreten zu wollen, dies ein halbes Jahr später aber dennoch tut. Beide Punkte werden bei Dunz und Quadbeck selbstverständlich auch angesprochen (der Wechsel ins Kabinett im Juli 2019 nicht, da die dritte Auflage bereits im Januar 2019 erschien). Aber klar, AKK ist ähnlich wie Markus Söder, der im ZDF-Sommerinterview von seiner Forderung nach einer Kabinettsumbildung zurückruderte, Politprofi. Jede Entscheidung muss in ihrem Kontext gesehen werden und aus dieser Linie kann man sowohl Kontinuität als auch politischen Wandel begründen.

Es geht um Grundsätzliches

Allerdings gibt es nicht nur diesen Dualismus, sondern auch weitere Themen, die Dunz und Quadbeck betrachten. Randbedingungen sozusagen, oder auch Grundpositionen oder Werte. Sie beleuchten AKKs Positionierungen aus einer Reihe verschiedener Perspektiven. Es geht viel um die Partei CDU, ihre Werte und Traditionen, ihren Ursprung in der christlich-abendländischen Tradition. Um die von AKK so oft beschworenen drei Strömungen in der Partei: die konservative, die christlich-soziale und die liberale.

Es geht einerseits darum, wie diese Strömungen in der Person der AKK abgebildet sind. Ganz besonders bedeutend für uns ist AKKs Standpunkt in Bezug auf die gleichgeschlechtliche Ehe. Noch 2015 positionierte sie sich eindeutig, nämlich für das traditionelle Familienbild von Mann und Frau – sehr ärgerlich. Erfreulicherweise hat sie es zwischenzeitlich geschafft, sich ein wenig für alternative Lebensentwürfe zu öffnen, wie sie vor wenigen Wochen in Frag selbst bei ihrem ersten Sommerinterview zeigte. Dennoch sind ihre Äußerungen von damals mehr als ärgerlich und reihen sich ein in die Fehltritte rund um die „Latte-Macchiato-Fraktion“ und instinktlose Witzeleien über genderneutrale Toiletten (über die Kristina Dunz und Eva Quadbeck nicht berichten konnten, da sich der angesprochene Vorfall erst nach Fertigstellung der jüngsten Ausgabe ereignete).

Es geht andererseits aber auch darum, wie AKK diese Strömungen in der CDU weiter abgebildet sehen möchte. Eines der großen Ziele, das sie sich als Generalsekretärin setzte, ist die Arbeit an einem neuen Grundsatzprogramm. Die beiden Autorinnen begleiteten AKK dabei auf ihrer Zuhörtour, bei der ihr die Parteimitglieder ihre Wehwehchen mitteilen sollten. AKK wollte hieraus ein neues Programm erarbeiten und auf dem Parteitag Ende 2020 verabschieden lassen. Das mit dem Grundsatzprogramm wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bis dahin nichts mehr und der Parteitag steht wegen Corona ebenfalls auf der Kippe. Nun gut, jede Entscheidung muss ja in ihrem Kontext gesehen werden.

Eigentlich war es aber ein kluger Schachzug von AKK, dieses Programm zu erarbeiten. Sie hatte dadurch die Möglichkeit, sich an der Basis bekannt zu machen, eigene Positionen zu formulieren und als Kanzlerin auch umzusetzen. Leider kamen Thüringen und ihr angekündigter Rücktritt vom Parteiamt dazwischen. Ansonsten wäre sie wohl eine prädestinierte Kanzlerkandidatin gewesen. Dunz und Quadbeck sahen das ähnlich, schreiben sie doch in ihrem Vorwort: „Und immer wieder hatten wir dieses Gefühl: Sie kann, sie will und – wenn es weiter gut für sie läuft – wird auch Kanzlerin“ (S. 10). Die Geschichte sollte sie eines Besseren belehren.

Frauen in der Politik – und ein langer, weiblicher Schatten

Und da ist zu guter letzt die Perspektive der Frau. Kristina Dunz und Eva Quadbeck legen dar, wie AKK ihr Netzwerk unter den Frauen in der CDU ausbaute und auch nutzte oder auch wie sie von der Quotengegnerin zu einer -befürworterin wurde.

Ganz besonders spannend und erhellend sind auch hier noch die letzten beiden Kapitel, in denen es nicht nur um Frauen in der CDU ganz allgemein geht, sondern um eine im Speziellen: Angela Merkel. Die Trennung von Regierungsamt und Parteivorsitz ist ein Wagnis, das sie eingehen musste, um ihre Macht und ihr Vermächtnis zu sichern. Dunz und Quadbeck legen äußerst eindrucksvoll dar, welche Gedanken hinter der Abgabe des Parteivorsitzes standen und wie dies die Beziehung und das Verhalten der beiden Frauen beeinflusste.

Ähnlich wie bei Sigmar Gabriel und Martin Schulz sollte sich hier ein langer Schatten der Vorgängerin auftun. Über Jens Spahn, einen von AKKs Kontrahenten zum Parteivorsitz, liest man hier: „Er lernt in diesem Herbst 2018 mehr über Verlässlichkeit und Vertrauen in der Politik als je zuvor“ (S. 270). Recht ähnlich dürfte dies in der Phase des innerparteilichen Wahlkampfs, aber auch nach der Wahl zur Parteivorsitzenden in der Beziehung zwischen den beiden Frauen gewesen sein. Quadbeck und Dunz arbeiten jedenfalls sehr dezidiert heraus, unter welchen Vorzeichen Merkels Teilrückzug stattfand, wie sie subtil ihre Nachfolge in Richtung der Parteifreundin aus Püttlingen drehte und wie die Beziehung der beiden Frauen sich veränderte. Allein die Aufarbeitung dieser Zusammenhänge macht das Buch bereits lesenswert.

Die Frage stellt sich schon: Was kommt jetzt?

Wie beschrieben, wir hatten zu unserer Besprechung die dritte Auflage zur Hand, die um den Wettstreit um den Parteivorsitz ergänzt ist. In der ersten und zweiten Auflage ging es „lediglich“ und im Wesentlichen um die dann doch kurze Zeit der AKK als Generalsekretärin und was sie in dieses Amt brachte. Das ist eine sehr konzise und detailgenaue Aufarbeitung der politischen Geschehnisse der vergangenen Jahre mit dem Fokus auf die noch amtierende CDU-Vorsitzende. Hier haben Dunz und Quadbeck ein durchaus beachtliches Werk geschaffen, das für political animals auch heute noch einen großen Mehrwert besitzt. Somit bleibt Ich kann, ich will und ich werde ein weiterhin lesenswertes Buch

Was die beiden Autorinnen zum damaligen Zeitpunkt nur schwer ahnen konnten, ist, dass der schleichende Abstieg der AKK unmittelbar beginnen sollte. Von Genderwitzen im Karneval angefangen über die „Zerstörung der CDU“ durch Rezo, die überflüssige Vertrauensfrage beim Parteitag 2019 und den völlig missglückten Umgang der Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer bis hin zur Thüringen-Krise agierte AKK leider zu oft instinktlos und mit zunehmend offenbar werdendem Autoritätsverlust. Jede dieser Episoden der Noch-Vorsitzenden würde vermutlich ein weiteres ergänzendes Kapitel rechtfertigen – oder alles zusammengenommen sogar ein neues Buch über eine zwar lange starke Kronprinzessin, die allerdings mit der Teilkrönung ein Stück weit ihren politischen Instinkt und das berühmte Quäntchen Glück verlor.

Aus heutiger Sicht stellt sich schon die Frage, was AKK nach Ende ihres Parteivorsitzes macht. Nach ihrem Risiko bei der Landtagswahl 2017 ging es bekanntermaßen erst einmal glatt und im Gespräch mit Dunz und Quadbeck auf alternative Anschlussverwendungen im Fall einer Wahlniederlage angesprochen gab AKK zu Protokoll, dass sie wohl eine Auszeit genommen und sich vermutlich anschließend ehrenamtlich in der Hospizarbeit engagiert hätte (S. 107). Ob sie 2021 aber weiterhin Bundesverteidigungsministerin bleiben und vielleicht sogar für ein Bundestagsmandat kandidieren wird, ist bislang unbekannt. In ihrem Heimatwahlkreis Saarbrücken gewann 2017 die SPD das Direktmandat, sodass kein aktiver CDU-Politiker für sie weichen müsste und sie doch wieder siegen könnte. Aber da die Aufstellungsversammlungen in den nächsten Monaten stattfinden müssen, so Corona es zulässt, wird diese Frage vermutlich ohnehin zeitnah beantwortet werden.

Dunz, Kristina & Quadbeck, Eva: Ich kann, ich will und ich werde – Annegret Kramp-Karrenbauer, die CDU und die Macht; 3. Auflage, März 2019; Hardcover mit Schutzumschlag, 320 Seiten; ISBN: 978-3-54910-010-3; Propyläen Verlag; 22,00 €; auch als eBook erhältlich

HMS

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