Zum dritten Mal queer durch den Sommer

Bereits zum dritten Mal präsentiert das rbb Fernsehen unter dem Titel rbb QUEER vom 18. Juni bis zum 6. August seine nicht-heterosexuelle Filmreihe. Insgesamt acht queere Filme werden am in dieser Zeit jeweils am späten Donnerstagabend ausgestrahlt, sieben davon gar als deutsche Erstausstrahlung. Unmittelbar vor der Ausstrahlung stellt rbb-Filmexperte Knut Elstermann die Filme vor und liefert Hintergrundinformationen. Doppeltes Home-Cinetainment also. 

Eigentlich sogar dreifaches, denn: wie fantastisch – the little queer review wird Euch die Filme vor der Ausstrahlung noch einmal ausführlich vorstellen und besprechen. Boom.

Ein internationaler queerer Sommer

Dr. Jan Schulte-Kellinghaus, rbb-Programmdirektor, äußert sich zur diesjährigen rbb QUEER-Reihe wie folgt: „Der Christopher Street Day hat eine lange und stolze Tradition in Berlin. Ein Sommer ohne ihn in gewohnter Form ist kaum vorstellbar. Aber schauen wir doch mal, was sich unsere queere Szene dazu einfallen lässt. Eines bleibt aber auch 2020 gleich: Der rbb zeigt wieder Flagge und die Filmreihe rbb QUEER im Programm. Mit vielen spannenden internationalen Produktionen, die größtenteils zum ersten Mal im deutschen Fernsehen zu sehen sein werden. Vielleicht ein kleiner Trost für die Community und unser Publikum in dieser Zeit.“

Szene aus „Rafiki“, am Donnerstag (06.08.20) um 23:35 Uhr im rbb. / Bild: © rbb/Salzgeber

Nachdem sich die ersten beiden rbb QUEER Filmreihen vor allem mit Filmen aus europäischer Perspektive beschäftigt haben, geht es dieses Jahr um die ganze Welt. Die Reise führt nach von Vorpommern (Lichtes Meer) nach Österreich (Siebzehn), Frankreich (120 BPM, La belle saison – Eine Sommerliebe) bis nach Brasilien (Heute gehe ich allein nach Hause) und in die USA (Beach Rats) und sogar nach Kuba (Viva) und Kenia (Rafiki).

Bis auf den Film La belle saison – Eine Sommerliebe, stammen alle anderen Filme aus dem Verleih der Edition Salzgeber. Björn Koll, der Geschäftsführer von Salzgeber, findet begeisterte Worte für die Filmreihe rbb QUEER und somit für die Arbeit des rbb: „Ein lesbischer Liebesfilm einer jungen Regisseurin aus Kenia, ein Vater-Sohn-Drama aus Kuba, ein brasilianischer Coming-of-Age-Film über einen blinden Jungen, ein Film über die Aids-Aktivist*innen von ACT UP im Frankreich der frühen 90er – so vielfältig wünsche ich mir das deutsche Fernsehen! Bravo rbb! Weiter so! Vergessen wir nie, wie bunt, schön und divers diese Welt eigentlich ist bzw. sein könnte.“

Frauenpower & Festivalgewinner deluxe

Am 18. Juni macht um 23:50 Uhr der preisgekrönte Coming-of-Age-Film Siebzehn der Regisseurin Monja Art den Auftakt. In ihrem Regiedebüt zeigt die aus Wien stammende Regisseurin das Teenagersein in der österreichischen Provinz als Achterbahnfahrt der Gefühle und in einer Ansammlung von amourösen Minidramen, in denen lesbisches Verliebtsein für genau so viel Verwirrung sorgt wie heterosexuelles. Siebzehn wurde beim Filmfestival Max Ophüls Preis 2017 als Bester Film ausgezeichnet. „Sensibel, entschlossen, wunderbar“, urteilte die Jury. Der Film läuft in deutscher Erstausstrahlung.

Szene aus „Siebzehn“, am Donnerstag (18.06.20) um 23:35 Uhr. / Bild: © rbb/Salzgeber

Starke weibliche Blicke bestimmen die Reihe. Vier der Filme sind von Regisseurinnen, bei ebenso vielen Filmen haben Frauen die Kamera geführt. In Beach Rats (unser Beitragsbild, © rbb/Salzgeber; mit dem neuen heißen-Brit-Scheiß Harris Dickinson), erzählt die US-amerikanische Regisseurin Eliza Hittman vom schwulen Erwachen auf Coney Island. Dort sind Arbeitslosigkeit und Jugendkriminalität ebenso Alltag wie eine oft einseitige, machohafte Vorstellung von Männlichkeit. Die schwierige Geschichte wird auch dank der düster-verträumten Kameraarbeit von Hélène Louvart realistisch und nicht umsonst wurde Regisseurin Hittman beim Sundance-Filmfestival 2017 mit dem Regie-Preis ausgezeichnet. Der Film läuft am 2. Juli um 23:25 Uhr in deutscher Erstausstrahlung im Originalton mit deutschen Untertiteln.

Noch mehr Frauenkraft gibt es am 9. Juli um 23:30 Uhr mit dem Film La belle saison – Eine Sommerliebe der französischen Regisseurin Catherine Corsini. Dieser führt die ZuschauerInnen in das ländliche Frankreich der 1970er-Jahre. In strahlenden Bildern schildert sie die Liebesgeschichte zweier junger, gegensätzlicher Frauen zwischen Leidenschaft und konservativen Moralvorstellungen in Zeiten des gesellschaftlichen Umbruchs.

Widerstand mit Kraft & Charme

Ebenfalls aus Frankreich stammt auch der widerständigste und gegebenenfalls aufwühlendste Film der Reihe: Auf Basis seiner persönlichen Erfahrungen erzählt der Regisseur Robin Campillo im Drama 120 BPM von den Aktivitäten und Lebensgeschichten einiger junger AktivistInnen der AIDS-Selbsthilfe- und Protestgruppe Act Up im Paris der 1990-Jahre. Campillo war zu jener Zeit auch selbst Mitglied der Gruppe. Im Zentrum des mitreißenden Zeitstücks, das in Cannes mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet wurde, steht ein schwules Liebespaar, das der damals weit verbreiteten politischen und gesellschaftlichen Ignoranz gegenüber HIV/Aids mit entschiedener Gegenwehr und einem unbändigen Willen zu leben begegnet. In einer Nebenrolle ist Frankreichs Starschauspielerin Adèle Haenel zu sehen. Der Film läuft am 25. Juni um 23:25 Uhr in deutscher Erstausstrahlung im Originalton mit deutschen Untertiteln.

Szene aus „120 BPM“, am Donnerstag (25.06.20) um 23:25 Uhr. / Bild: © rbb/Salzgeber

Weit leiser, aber dabei nicht weniger berauschend ist der brasilianische Coming-of-Age-Film Heute gehe ich allein nach Hause. Der charmante Film des aus São Paulo stammenden Regisseurs Daniel Ribeiro wurde auf der Berlinale 2014 mit dem Teddy-Award für den besten Spielfilm ausgezeichnet. Der Film, der sich um einen blinden Teenager dreht, der sich das erste Mal verliebt, wurde international sowohl von Kritik wie auch Publikum begeistert aufgenommen. Der Film läuft am 16. Juli um 23:35 Uhr in, überraschenderweise, deutscher Erstausstrahlung im Originalton mit deutschen Untertiteln.

Poesie & Lebensfreude & Vorfreude

Nun kommen wir mit dem Beitrag des irischen Regisseurs Paddy Breathnach Viva schließlich auf Kuba an, genauer gesagt in der Metropole Havanna. Vor der pulsierenden Kulisse wird erzählt wie ein queerer Junge und sein aggressiver, trinkender Vater nach langer Trennung ausgerechnet in einer Dragbar wieder aufeinandertreffen. Der Film läuft am 23. Juli um 23:30 Uhr in deutscher Erstausstrahlung im Originalton mit deutschen Untertiteln. 

Szene aus „Viva“, am Donnerstag (23.07.20) um 23:30 Uhr. / Bild: © rbb/Salzgeber

In Stefan Butzmühlens poetischem Seefahrerfilm Lichtes Meer treibt der Ruf der Ferne einen jungen Mann aus Vorpommern auf ein französisches Containerschiff mit Ziel Martinique – und in die Arme eines geheimnisvollen Matrosen. Der Film aus dem Jahre 2014 läuft am 30. Juli um 23:30 Uhr in deutscher Erstausstrahlung.

Der Abschlussfilm der Reihe, Rafiki, der schließlich am 6. August um 23:35 Uhr läuft, erzählt von den massiven Repressionen unter denen queere Menschen insbesondere auch in Afrika leiden. Das lesbische Liebesdrama wurde in Kenia, seinem Heimatland, wo Homosexualität noch immer unter Strafe steht, zunächst mit einem Aufführungsverbot belegt. Dieses konnte erst nach einer Klage der Regisseurin Wanuri Kahiu gelockert werden. Rafiki erzählt von zwei jungen Mädchen, die entschlossen gegen Homophobie, religiöse Dogmen und die Strenge der Eltern aufbegehren. Ein Film, der vor Freiheitsliebe und Lebensfreude in strahlenden Farben leuchtet. Der Film läuft in deutscher Erstausstrahlung im Originalton mit deutschen Untertiteln.

Es dürfte also ein ebenso unterhaltsamer, wie bewegender, ein so aufwühlender, wie aufschlussreicher Sommer werden. Wir freuen uns.

AS/PM

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Beitragsbild: Szene aus Beach Rats, am Donnerstag (02.07.20) um 23:25 Uhr. / © rbb/Salzgeber

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