„Der Durst auf eine Revanche spornt an“

So schreiben es die Journalistinnen Annett Meiritz, USA-Korrespondentin für das Handelsblatt, und Juliane Schäuble, USA-Korrespondentin für den Tagesspiegel, nach einem Treffen mit der bestens vernetzten, politischen Strippenzieherin und Unternehmensberaterin Jacqueline von Schleppenbach in Washington. Revanche? Ja – an Joe Biden wie Kamala Harris, dafür, dass sie ins Weiße Haus eingezogen sind und eine zweite Amtszeit Donald Trumps 2020/2021 verhindert haben.

Blick in die Glaskugel?

Von Schleppenbach (Phyllis Schlafly, much?!) ist nur eine von vielen Republikanerinnen, die die beiden Autorinnen uns in ihrem bereits im September 2022 im Ch. Links Verlag erschienenen Buch mit dem reizvollen Titel Guns n‘ Rosé – Konservative Frauen erobern die USA vorstellen. Erschienen also im Vorfeld der Midterms, in welchen die Republikaner gut abschnitten und das Repräsentantenhaus zurückeroberten. Es erfüllte sich manch eine Mutmaßung, die die Autorinnen im Buch äußern: Durch, teils recht junge, social-media-affine, gut vernetzte und rhetorisch schlagkräftige Frauen, haben die Republikaner nicht nur die Mehrheit im Repräsentantenhaus geholt. Zusätzlich sind plötzlich mehr Frauen in den Reihen der Roten zu sehen – und sie haben manch Demokraten abgelöst.

In elf Kapiteln befassen sich Meiritz und Schäuble ausführlich und beinahe schon überraschend objektiv mit teils sehr rechtskonservativen Menschen und deren Ansichten. Ihre Quellen sind neben Büchern, Zeitungsartikeln und Worten Dritter vor allem eigene Recherchen und viele, viele Gespräche mit den Frauen, um die es hier geht.

Token-Wähler*innen und anti-queert?!

Thematisch ist Guns n‘ Rosé breit aufgestellt: Wir beginnen mit dem „>>Women’s March<< als missverstandenes Symbol“, betrachten die „Gretchenfrage“ von republikanischen Frauen und Trump. Die über School Boards rhetorisch manches Mal unterirdirsche und hier und da gar gewalttätige Schlacht um Schulen und damit die Graphic Novel Genderqueer von Maia Kobabe findet ebenso Einzug ins Buch wie der Kampf „Frauen gegen Frauen“, wenn es um das Recht umd Abtreibung und das Aushebeln von Roe v. Wade geht.

Spannend auch das Thema BiPoC und die Republikaner – wie auch Demokraten. Wird hier doch erwähnt, aus welchen Gründen sich Schwarze, Hispanics und Co. durchaus von den Konservativen angesprochen fühlen. Zum einen, was naheliegt, sind viele religiös und befürworten durchaus ein konservativ-binäres Menschen- wie Familienbild. Zum anderen wenden sich die Demokraten dieser demographischen Gruppe vor allem in Wahlkampfzeiten zu, vergessen sie sonst aber gern. Im Grunde wie die SPD und Arbeiter*innen.

Polemischer Wahnsinn und Quoten-Gaga?!

Aufschlussreich auch das Kapitel über „Rechtspopulistinnen in US-Medien: Königinnen der Polemik“. Hier kommen wir natürlich nicht ohne Laura Ingram und Co. aus. Apropos Polemik: Immer wieder begegnen wir auch der nicht selten menschenverachtend argumentierenden und agierenden Verschwörungsmythikerin und Queerfeindin Marjorie Taylor Greene. Die Autorinnen halten allerdings auch fest, dass konservativ nicht gleich Taylor-Green-Gaga sein müsse und betonen, dass viele bodenständige Republikanerinnen einen weiten Bogen um diese und Konsorten machten. Können wir uns eine Nikki Haley Hand in Hand auf einer Bühne mit MTG vorstellen? Eher weniger.

Das Kapitel zu jungen Frauen, die sich beinahe überengagiert für die Reps und Trump einsetzen, ja ihn als eine Art Messias anhimmeln, ist teils schockierend und doch nicht sonderlich überraschend. Vor allem, wenn wir auf die sich in den letzten zweieinhalb Jahren noch weiter gesteigerte Spannung und Spaltung der verschiedenen Lager in den USA betrachten. In diesem Abschnitt geht es, erneut sehr sachlich und unaufgeregt, ebenso um „Quoten und Transgender-Sport.“

Quoten tauchen überhaupt oft auf und mit diesen die Ablehnung derselben innerhalb der Republikanischen Partei. Das erinnert dann an manch eine Stimme von Unions-Frauen. Den Abschuss bilden die Kapitel „Frauen im Kongress“ und „Die verlorene Mitte: Der Kampf der Moderaten“.

Kein Mut zum Kampf?!

Immer wieder stellen Annett Meiritz und Juliane Schäuble in ihrem detailreichen und dabei doch kompakten und kurzweiligen Buch fest, dass es eine Spaltung, einen Konflikt nicht nur zwischen Reps und Dems, rot und blau, konservativ und progressiv gebe, sondern auch innerhalb der Partei(en). So existierten sie natürlich, jene, die Donald Trump nicht mögen, ihn für inkompetent und gefährlich halten.

Allein, sie trauen sich nicht, dies (allzu laut) zu kommunizieren. Sei es eine Nikki Haley, die so ungenau wie fluid bleibt oder die bis 2024 Vorsitzende des Republican National Committee (RNC) Ronna Romney McDaniel, die sich von einer dezenten Kritikerin zu einer vermeintlichen Anhängerin Trumps wandelte und gar mit ihrem Onkel und Trump-Kritiker Mitt Romney brach. Zu groß scheint die Macht der Trumpisten, der Ultrarechten, der Evangelikalen, usw. usf.

Was eine Kooperation bzw. Zusammenarbeit von Republikanern und Demokraten zusätzlich erschwert. Denn, so die Autorinnen und manche Gesprächspartnerin, an sich gebe es Schnittmengen, aber der verbissene und ideologisierte Auftritt beider Parteien, mache dies derzeit im Grunde unmöglich.

Freiheit vs. „Freiheit“?!

Darüber hinaus stellen und halten die Autorinnen fest, dass die Republikaner auch ohne Trump eine konservative Partei mit verschiedenen Anhänger*innen wäre. Von jenen, die eine freie Wirtschaft, geringe Steuern und Freiheit in der Lebensgestaltung wollen, zu jenen, die an weiße, christliche, Waffen tragende, binäre und die Meinungsfreiheit nur den Un-Woken gestattende, teils faschistische USA glauben.

Dem eigenen Anspruch, „mit unserem Thema die Denkmuster der linken Frauenbewegung nicht unhinterfragt [zu] übernehmen“ gerecht zu werden und sich objektiv mit der Frage, „[s]timmen konservative Frauen tatsächlich gegen ihre eigenen Interessen – wie Michelle Obama behauptete – oder müssen wir die Interessen von Frauen schlichtweg breiter definieren“ auseinanderzusetzen, dürfte Meiritz und Schäuble nicht immer leichtgefallen sein.

Ansporn deluxe?

Umso beachtlicher ist, welch gut sortierten, hart recherchierten und bisher kaum behandelten Zugang uns Guns n‘ Rosé hier in die Partei der Republikaner und die vielseitigen, durchaus an einigen Stellen gut nachvollziehbaren Gründe zur Unterstützung von und durch Frauen erlaubt. Der Band bleibt lesenswert, Updates zu gewonnen Wahlen, gescheiterten Karrieren und weitergehenden Ambitionen erlauben uns Suchmaschinen wie auch Nachrichten.

Und, auch wenn natürlich ihre Präsidentschaftskandidatur 2024 in Guns n‘ Rosé keine Erwähnung finden kann, dürfte eines klar sein: Falls Kamala Harris die erste Präsidentin der USA würde, würde dies mitnichten bedeuten, dass konservative Frauen sich zurücknähmen. Eher im Gegenteil – es dürfte den Durst auf eine größere Revanche erhöhen. In diesem Sinne: Hoch die Gläser!

AS

PS: Neben der Präsidentschaftswahl finden heute in zehn US-Bundesstaaten noch Gouverneurswahlen sowie in elf Staaten Abstimmungen zu Abtreibungsrechten statt-

Annett Meiritz, Juliane Schäuble: Guns n‘ Rosé – Konservative Frauen erobern die USA; September 2022; 256 Seiten; Klappenbroschur; ISBN: 978-3-96289-161-9; Ch. Links Verlag; 18,00 €

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