Der erste Stein

Kürzlich schrieben wir, dass wir Justus Johanssen gern mehr sehen würden. Und bumms – da ist ein Film, in dem er eine Hauptrolle spielt. Eine unangenehme Rolle. Eine zwischen den Dingen. Heißt ja auch Allein zwischen den Fronten.

Johanssen spielt den niedersächsischen Polizei-Gruppenführer Jan Vogt, der eine Demonstration begleiten soll. Und das eskaliert hart. Nun ist die Frage: Wer oder vielmehr wodurch wurde diese Eskalation ausgelöst? War es sein Vorgesetzter Mark Kreutzer (Max Koch), der die Lage falsch eingeschätzt hat? War es der Kollege Tristan (Ben Felipe), der aus einem mutmaßlich rassistischen Ressentiment heraus die Journalistin Aida Issufo (Cynthia Micas) attackiert hat? War es das Versagen der arroganten Einsatzleitung aus ihrem Kontrollzentrum in Köln?

Aida Issufo (Cynthia Micas) wird von der Polizei aus der Menge geholt. Ihren Presseausweis trägt sie nicht und der Ansage nach befindet sich in ihrer Tasche scheinbar ein Molotowcocktail // Foto ZDF/Henner Besuch

Fakt ist: Es gab Gewalt, es gab Faustkämpfe. Es wurde ein Stein geworfen, wie ein Video beweist. Jemand starb. Nun sind all eyes on Jan Vogt, der selbst auch abbekommen hat. Es wird ein Schuldiger gebraucht. Und, großer Nachteil: Er kann sich nicht recht erinnern, was da geschehen ist. Auftritt der internen Ermittlerin Charlotte Stauffer (Brigitte Hobmeier), die stoisch und objektiv ihrem Job nachgeht.

Derweil Vogt sein Leben zusammenkrachen sieht. Und all jene, die ihm sagen, sie würden ihn unterstützen, doch nur das eigene Wohlbefinden im Kopf haben. Spannend ist, wie der Korpsgeist aufgerufen wird, um jemandem klar zu machen, dass er sich mal für das große Ganze zu opfern habe.

Charlotte Stauffer (Brigitte Hobmeier), interne Ermittlerin der Bonner Polizeikollegen, ermittelt innerhalb der drei Sondereinheiten zu den Vorkommnissen während der Demonstration // ZDF/Henner Besuch

Hier ein Spoiler: Jan Vogt, hat sich im Film von Nicolai Rohde und Autor Jan Tensing nicht korrket verhalten. Aber ist er verantwortlich für die Dinge, denen er ausgeliefert worden ist? Der Fall und die Eskalation sind nämlich deutlich vielschichtiger, als wir am Anfang vermuten mögen und wie sich im Lauf der 90 Minuten auch deutlich entblättert.

Brutalität passiert auch in unseren Köpfen. Und wenn wir uns alle ACAB ins Hirn hauen, wissen manche vermeintlich immer wer schuld ist. Dabei wird völlig ignoriert, dass die Polizei – alles in allem – einen guten Job macht. Dass diese Leute Dinge sehen, die kein Mensch, der gegen sie auf die Straße geht, jemals sehen will. Und dass auch Falschbeschuldigungen immer wieder vorkommen – bewusst oder unbewusst.

Die interne Ermittlerin Charlotte Stauffer (Brigitte Hobmeier) aus Bonn befragt Jan Vogt (Justus Johanssen) streng nach den Vorkommnissen während der Demonstration. Doch seine Amnesie ist ihr verständlich // ZDF/Henner Besuch

Leider steht bei Allein zwischen den Fronten zu befürchten, dass viele, die es adressieren könnte, ihre Entscheidung schon getroffen haben, denn: ACAB. Ein Film der Grauzonen ausleuchtet wird ungern als hilfreich angesehen. Für Zwischentöne ist für viele kein Raum, obwohl es den Macher*innen doch sehr gut gelingt, genau diese Grauzonen und Zwischentöne sehr gut auszuloten.

AS/HMS

PS: Dass die Eskalation ausgerechnet in der Hallenser Straße stattfindet, während große Teile des Films in Halle/Saale gedreht wurden, dürfte bestimmt kein Zufall sein. Auch an solchen Kleinigkeiten erkennen wir, dass bei diesem Film viel Wert auf die Zwischentöne gelegt wurde.

Allein zwischen den Fronten wird heute Abend im ZDF ausgetrahlt. Anschließend gibt es eine Dokumentation.

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