Beitragsbild: v.l.: Inga Leschek (Chief Content Officer RTL Deutschland), Stefan Raab, Christine Strobl (ARD-Programmdirektorin) Foto: Raab Entertainment / RTL / ARD / NDR / Willi Weber
…und Spaß gepaart mit Kompetenz, Gefühl für den richtigen Moment und ein waches Publikum sind der Weg. So könnte in aller Kürze der Tenor der heutigen, recht kurzfristig anberaumten Pressekonferenz zum Thema deutscher Eurovision Song Contest-Vorentscheid mit Stefan Raab, ARD-Programmdirektorin Christine Strobl, Chief Content Officer RTL Deutschland Inga Leschek und NDR-Programmdirektor Frank Beckmann zusammengefasst werden. Gerüchte, dass sich der größte private mit dem größten öffentlich-rechtlichen Senderverbund zusammenfinden würde, gab es bereits im Frühjahr.
Ganz und gar nicht neutral in Berlin
Dann wurde es länger still. Bis bekannt wurde, dass Raab einen exklusiven Vertrag mit RTL geschlossen hat und nach etwa zehn Jahren hinter den Kulissen zumindest für das Streamingportal RTL+ wieder vor die Kamera treten wird. Am Dienstag, 29. Oktober 2024, wurde diese spezielle und laut Inga Leschek zunächst erstmal einmalige Kooperation bekanntgegeben. Mehr Infos sollten auf der Pressekonferenz am heutigen Vormittag in der Schweizer Botschaft im Berliner Regierungsviertel folgen.
Nach einleitenden Worten der Botschafterin Livia Leu, die für den Austragungsort Basel als Architektur- und Museumsstadt warb und Deutschland abschließend die Daumen für 2025 drückte, bedankte sich Stefan Raab mit einem kurzen Lied. Anschließend verkündete er, mensch trete an, um zu gewinnen. Wer hinführe, um den zweiten Platz zu holen, könne sich das direkt sparen.
In diesem Zusammenhang könne er auch gern abgestraft werden, sollte es mit dem Sieg nichts werden. Er stünde dann zur Verfügung. Später antwortete er auf die Frage eines Journalisten, was davon zu halten sei, „dass niemand Deutschland möge“ und wir deswegen immer verlören. „Totaler Quatsch“, meint der musikaffine Entertainer Raab. Das werde vorgeschoben, um Künstler*innen und Verantwortliche nicht zur Gänze zu diskreditieren. Dem wollen wir nicht widersprechen.
Vorfreude auf Reichweite
Inga Leschek betonte darüber hinaus mit süffisantem Lächeln, dass RTL ja nun mal einen Exklusivvertrag mit Raab habe. „Aber man muss auch gönnen können“, insofern teile der Sender Raab gern mit der ARD. Der Eindruck, dass man beim ÖRR recht froh über diese noch nie dagewesene Kooperation sei, schwebte nicht nur wie eine Wolke im Saal, sondern fand auch in den Worten Christine Strobls Ausdruck:
„Besondere Ereignisse erfordern besondere Kooperationen: Ich freue mich, gemeinsam mit Stefan Raab und RTL die Vorfreude auf den ESC 2025 schon jetzt zu entfachen. Der ESC ist ein echter Lagerfeuermoment, der Europa vereint – und genau dieses Gefühl möchten wir mit einem tollen Vorentscheid bereits auf dem Weg nach Basel zum deutschen Publikum bringen.“
ARD-Programmdirektorin Christine Strobl
„Was für eine Ehre, beim ESC mitzumischen! Schulter an Schulter mit der ARD und Stefan Raab widmen wir uns der nationalen Aufgabe ESC und suchen mithilfe der gesamten Reichweitenpower von RTL Deutschland den deutschen Star für Basel. Wir freuen uns auf diese besondere Zusammenarbeit und drei tolle RTL-Musikshows im Frühjahr 2025!“
Chief Content Officer RTL Deutschland Inga Leschek
Zusammenkommen ohne Blasen
Für den Vorentscheid unter dem Motto „Chefsache ESC 2025 – Wer singt für Deutschland?“ kann sich ab heute unter raab-casting.de, eurovision.de oder rtl.de angemeldet werden. Bewerben können sich Musiker*innen sowie Bands. Die Bewerbungsfrist endet am 28.11.2024, 23:59 Uhr. Raab sagte dazu, dass vor allem Gefühl und Charakter wichtig seien. Voraussetzungen gebe es keine. Jung und Alt sollten sowohl in der Show wie auch als Publikum und Zuschauende zusammenkommen.
Auch das mache ihm Freude beim ESC und dem Vorentscheid: Dass hier nicht in Blasen, parallel aber nicht gemeinsam existiert werde, sondern die Veranstaltung als ein verbindendes Element gelebt werde. Dies gelte auch im Sinne der Völkerverbindung, wie er später auf Nachfrage nachschob. Nun, die Idee mag stimmen. Mit Blick auf dieses Jahr allerdings setzen wir hinter das „Verbindende“ auf europäischer Ebene mal ein Fragezeichen. Unbenommen die Verbindung im (latenten) Antisemitimus…
Der Ablauf
Wie läuft der Vorentscheid nun ab? Einzelner Bewerber*innen werden ab demächst in der RTL+-Show Du gewinnst hier nicht die Million bei Stefan Raab (#DGHNDMBSR) vorstellig. In vier großen Primetime-Live-Shows, drei davon bei RTL, moderiert von Barbara Schöneberger, werden Stefan Raab und seine Kolleg*innen in der Jury aus 24 Acts den Besten suchen. In den Shows präsentieren sich die Acts in mehreren Gesangsrunden und Song-Disziplinen.
Das Finale von „Chefsache ESC 2025 – Wer singt für Deutschland?” wird am 1. März 2025 um 20:15 Uhr live in der ARD zu sehen sein – federführend verantwortet vom NDR. Die Entscheidung, wer für Deutschland beim Eurovision Song Contest in der Schweiz antritt, liegt in dieser Show vollkommen in den Händen der Zuschauer*innen zu Hause.
Ob Raab auch den Song für das 69. ESC-Finale unter dem Motto „United By Music“ am 17. Mai 2025 in Basel schreiben wird, ließ er offen. Das käme ganz auf den Act an. Einem Artist die Eigenständigkeit zu nehmen, nur um „seinen“ Song unterzubringen, sei sein Anliegen nicht. Vielmehr ginge es ihm darum, als Ideen- und Impulsgeber zu fungieren und den Künstler*innen ein gutes Umfeld zu schaffen.
Satanimus? Ist doch nichts Neues
Ebenso wenig gebe es ein Rezept für Erfolg beim Eurovision Song Contest. Für manche passe „viel Brimborium“ zum Auftritt, andere könnten reduzierter besser wirken (Stichwort: Lena). Wenn der Artist passe, wäre er gar dafür, einfach alle Showeffekte abzustellen und die Person mit den Studioleuchten schlicht inmitten des Publikums singen zu lassen. Da ist was dran. Minimalismus kann absolut unter die Haut gehen.
Auf die Frage, ob er bereits von der Abstimmung gegen die Public-Viewing-Finanzierung in Basel, initiiert von der rechts-konservativen, christlich-fundamentalistischen Kleinstpartei Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU), gehört habe, meinte er, nur oberflächlich. Das Referendum wird am 24. November 2024 stattfinden (mehr dazu auch bei ESC kompakt). Die EDU wirft dem ESC unter anderem die queere Agenda oder auch „Verschwulung“ vor, Antisemitismus spielt mit rein und Satanismus natürlich auch. Dieser sei ja nun nichts Neues in Bezug auf den ESC, so Raab lachend. Was natürlich auch die anwesenden Journalist*innen, nicht zum ersten Mal an diesem Vormittag, zum Lachen brachte.
Gespannte Vorfreude mit einem Funken Skepsis
Die Stimmung war eine optimistisch-energiegeladene, die den Eindruck vermittelte, dass alle Beteiligten wirklich Bock auf die Nummer haben, sich durchaus bewusst sind, dass das bei allem Spaß kein Zuckerschlecken wird und dabei doch mit dem nötigen Selbstbewusstsein (das etwas breitbeinige Vorentscheidmotto macht das mehr als deutlich) in die bunte, musikalische Schlacht ziehen wollen, die ESC und Vorentscheid sind.
Wir jedenfalls entdecken, dass die ersten kleinen Funken der Vorfreude entfacht sind und die Spannung auf die Vorentscheide wächst. Wenn auch eine gewisse Skepsis vorhanden ist – das könnte schon was werden. Entertainment-technisch wird es sicherlich auf jeden Fall groß, wie nicht nur Stefan Raab meint.
QR (mit Material von RTL)
PS: Alle sind sich einig, dass diese Kooperation eine gute Sache ist. Dazu Raab: „Wenn Olaf Scholz hört, wie harmonisch das hier läuft, will er gleich mitmachen.“
PPS: Apropos Raab: In Kürze gibt es unsere Rezension zu Niclas Seydacks Geile Zeit, in dem auch Raab und TV total eine Rolle spielen.
PPPS: Und apropos Antisemitismus – am 7. November lest ihr unsere Besprechung zu Philipp Peyman Engels Deutsche Lebenslügen. Der Antisemitismus, wieder und immer noch. Das Buch stand auf der Shortlist für den NDR Sachbuchpreis, der an diesem Tag vergeben wird.
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