„Der Hund hat zugeschaut“

Beitragsbild: Kommissar Peter Faber (Jörg Hartmann) und seine Kollegin Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) sind alarmiert. Was ist in der Villa der Industriellen-Famlie Haiden vorgefallen? // © WDR/Thomas Kost

Ein knappes Jahr ist es her, dass wir Zuschauer*innen uns und Hauptkommissarin Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) sowie Kollege Peter Faber (Jörg Hartmann) sich im Tatort: Cash von Jan Pawlak (Rick Okon) verabschieden mussten. Und dazu die dafür mitverantwortliche Hauptkommissarin Ira Klasnić (Alessija Lause) als neue Chefin vor die Nase gesetzt bekommen haben. Nun gibt es am 2. Weihnachtsfeiertag mit dem Tatort: Made in China die Fortsetzung des „Familien-“Dramas in Dortmund, das um 20:15 Uhr im Ersten zu sehen ist.

Kein Einfluss auf diesen Film

Zur Beruhigung: Nein, der Titel bedeutet nicht, dass der verschachtelte, in mehrerlei Hinsicht auf Familien fokussierte Tatort aus Dortmund in Koproduktion mit dem autoritär regierten Land produziert ist. Wohl aber, dass es auch darum geht, welchen Einfluss Chinas und Xi Jinpings wirtschaftliche und geopolitische Ambitionen auf Deutschland haben.

Blackout oder Lüge: Vanessa Haiden (Klara Lange) // © WDR/Thomas Kost

Doch wir wollen nicht vorgreifen (und eh nicht sonderlich viel spoilern, da dieser 25. Dortmunder Tatort von seinen gut gesetzten Wendungen und Überraschungen lebt). Alles beginnt damit, dass eine junge Frau (Klara Lange) blutverschmiert und mit einem Messer in der Hand in einem Asia-Shop festgenommen wird. Dazu brüllt sie noch, sie habe „ihn umgebracht“. Faber, Herzog und Klasnić fragen sich nun: Wer ist er? Und vor allem: Wo ist die Leiche? Und was hat das alles mit dem „chinesischen Hund“ auf sich, der das gesehen haben soll?!

Die liebe Familie…

Den Hund finden Herzog, Faber sowie dessen Arschloch-Erzfeind Sebastian Haller (Tilman Strauß, im Februar in der starken Mini-Serie Spuren zu sehen – die Rezension folgt) recht schnell im Haus der Dortmunder Stahldynastie-Familie Haiden. (Das Haus kennen wir bereits aus dem letzten Tatort: Man stirbt nur zweimal aus Münster.) Als deren Tochter Vanessa entpuppt sich die blutverschmierte Frau. Der Vater scheint verschwunden, die Mutter und Ehefrau Sophia (ganz stark: Marie-Lou Sellem) eher… indifferent.

Faber und Haller: „Sie würden mich auch von hinten erstechen, oder?“ – „Von hinten, von vorne, von überall.“ // © WDR/Martin Rottenkolber

Wir merken: In der Familie Haiden läuft es irgendwie seltsam. Dazu passt, dass wir es erneut mit Rosas im Gefängnis sitzender Mutter Susanne Bütow (Esther Zschieschow) zu tun bekommen, die gar eine Auskunft zum Fall aus ihrem Kopf schütteln kann. Ebenso spielt Fabers dementer Vater Josef (Wolfgang Rüter) eine kleine Rolle (hier dürften Erfahrungen Hartmanns einfließen, dazu aber mehr in der Besprechung zum Hörbuch Der Lärm des Lebens).

…hat viele Facetten

Regisseur Jobst Christian Oetzmann, der mit Made in China seinen ersten Dortmunder Tatort inszeniert hat (und mit Mord unter Misteln einen zumindest von uns sehr geschätzten), schafft es eine üppige Mischung in einen knackigen Krimi zu packen. Autor Wolfgang Stauch hat eine solide Menge Stoff in sein süffisant-schlagfertiges Drehbuch gepackt: Kommunismus und RAF, parallele Leben, Spionage und Paranoia, Verfassungsschutz und Co. sowie „handfeste Lügen, herrliche Bloßstellungen und absurde Behauptungen“, wie Oetzmann es im Pressedossier formuliert.

Welche Rolle spielt Shen Bo (Yun Huang, Alter weißer Mann) aus Shanghai. Als Psychiaterin nimmt sie offiziell an einem Ärztekongress in Dortmund teil… // © WDR/Thomas Kost

Nebenher gibt’s natürlich noch den Mord aufzuklären, die neue „Bossin“ dies nicht zu sehr sein lassen und mit Haller leben zu müssen, wo Bönisch dies eben nicht mehr tut. Die in der Tat recht komplexe Geschichte mitsamt der Rote-Faden-Erzählung um das Team Dortmund ist herrlich absurd, doch selten so sehr, dass wir nicht denken könnten: Jap, kann schon alles so gewesen sein.

Die Seher*innen

Ein interessanter Kniff in der Inszenierung ist die Art, wie Faber und Herzog den möglichen Tathergang szenisch vor ihren Augen ablaufen sehen. Das ist kein Nachstellen wie früher einmal, sondern einfach die bildgewordene Frage in ihren Köpfen. Überhaupt wird das Verhältnis der beiden wunderbar ausgebaut – und wenn sie dafür gemeinsam mal wo einbrechen müssen.

Ganz egal ob das Kommissar Faber und seiner Kollegin Rosa Herzog passt: Ira Klasnić (Alessija Lause) leitet jetzt die Mordkommission // © WDR/Martin Rottenkolber

Ein wenig ironisch – und passend zum Tatort: Made in China – mutet an, dass am 26. Dezember der am wenigsten weihnachtliche bzw. winterliche Tatort des Monats läuft (gedreht wurde im September 2023). Letzte Woche ging es in Zürich auf den Weihnachtsmarkt und kurz zuvor in Bremen gar auf ein familiäres Weihnachtsfest. Da der Autor dieser Zeilen mit Weihnachten ein ohnehin eher schwieriges Verhältnis hat, ist das fein. Und sehenswert so oder so allemal.

AS

PS: „Das war ne Drohung.“ – „Nein, das ist ne philosophische Anmerkung zum Thema ‚Keiner lebt ewig‘.“

PPS: „Wir latschen hinterher wie Kommissar Rex hinter den Schafen.“

Sophia Haiden (Marie-Lou Sellem) bringt so schnell nichts aus der Ruhe // © WDR/Thomas Kost

PPPS: „Es gab Kommunen.“ – „Bah, nein. Wär mir zu dreckig und der Wein zu schlecht.“

PPPPS: „Weihnachten im August geht auch nicht.“ – Stimmt… aber im Oktober.

Foto zum Drehstart, v. l. n. r.: Jobst Oetzmann (Regie), Stefanie Reinsperger (Rolle „Rosa Herzog“), Jörg Hartmann (Rolle „Peter Faber“), Frank Tönsmann (WDR-Redakteur), Alessija Lause (Rolle „Ira Klasnić“), Iris Wolfinger (Produzentin), Michael Schreitel (Kamera) // © WDR/Thomas Kost

Das Erste zeigt den Tatort: Made in China am 26. Dezember 2024 um 20:15 Uhr; anschließend ist er für zwölf Monate in der ARD-Mediathek verfügbar.

Tatort: Made in China; Deutschland 2024; Regie: Jobst Christian Oetzmann; Buch: Wolfgang Stauch; Bildgestaltung: Michael Schreitel BVK; Musik: Sven Rossenbach, Florian van Volxem; Darsteller*innen: Jörg Hartman, Stefanie Reinsperger, Alessija Lause, Marie-Lou Sellem, Francis Fulton-Smith, Tilman Strauß, Katja Bürkle, Yun Huang, Klara Lange, Esther Zschieschow, Wolfgang Rüter; eine Produktion von Cologne Film (Produzentin: Iris Wolfinger) für den WDR/Das Erste (Redaktion: Frank Tönsmann)

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