Die Würze des Lesens

Kichererbsen und Salz – vermutlich denken die meisten bei dieser Kombination als erstes an Hummus, das wohlschmeckende Gericht aus dem Nahen Osten. Mensch könnte allerdings auch auf ein M in der Paste verzichten: Humus. Die fruchtbare Schicht Erde, die uns Ackerbau, Landwirtschaft und Leben erst ermöglicht.

Kichererbsen zählen zu den Leguminosen, den Früchten, die eigenständig Stickstoff aus der Atmosphäre entnehmen, verwerten und dem Boden, dem Humus, als Nährstoff zuführen können. Denn obwohl unsere Atemluft zu drei Vierteln aus Stickstoff besteht, können weder wir noch die meisten Pflanzen diesen tatsächlich nutzen. Leguminosen können das und leisten so einen wichtigen Beitrag zu unserem Stoffkreislauf.

Allgegenwärtig und doch unsichtbar

Stickstoff ist allgegenwärtig und ohne ihn wäre eine moderne Landwirtschaft und somit unser aller Ernährung nicht denkbar. Ähnliches gilt – nur noch weniger bekannt – für Kalium und Phosphor. Diese drei chemischen Elemente sind so unscheinbar und doch wäre ohne sie kein Leben auf der Erde möglich.

Und ihnen widmet sich die Biologin und Wissenschaftsjournalistin Kerstin Hoppenhaus in Die Salze der Erde – Was drei chemische Elemente mit Kolonialismus, Klima und Welternährung zu tun haben. Das Buch ist bei Hanser verlegt und dass es bereits vor oder kurz nach Erscheinen für den NDR-Sachbuchpreis sowie als Österreichisches Wissenschaftsbuch nominiert wurde (siehe PS), zeigt, welches Wissen hier versammelt ist.

Schöpfer und Zerstörer

Kalium, Phosphor und Stickstoff – es handelt sich um drei Elemente, die in unserem Bewusstsein kaum vorkommen, obwohl sie unseren Alltag doch so sehr prägen wie nur wenig andere. Sie können als Nährstoff unsere Felder und damit unsere Mägen befruchten, werden als Rohstoff aus der Luft oder dem Gestein gezogen, wirken, wenn im Übermaß ausgetragen, als Schadstoffe und können als Wertstoff ganz neue Denk- und Handlungsmuster in uns auslösen. So jedenfalls die vier Perspektiven, die Hoppenhaus auf diese drei Elemente einnimmt.

Salz auf meiner Hand, hier auf einem Feld bei Kampot/Kambodscha // © the little queer review/Hans Siglbauer

Es sind Stoffkreisläufe und das Bewusstsein um die Vergänglichkeit des Lebens, die die Autorin hier behandelt. Phosphor, mühsam aus der chilenischen Wüste gewonnen, wird auf unsere Äcker gestreut, um die Erträge zu erhöhen – und die Überreste in Flüsse, Seen und Meere gespült, wo sie nun den Grund düngen, Algenblüten verursachen und dadurch Todeszonen für andere Lebewesen entstehen. 

Der Mensch greift in diese Stoffkreisläufe ein, denkt sich wenig dabei oder freut sich sogar, dass nun Hunger minimiert und Gewinne maximiert werden können. Schön und gut, aber die externen Effekte, die Schäden an unserer Umwelt, die Ausbeutung der Natur, das Abgraben ganzer Südseeinseln und die menschenunwürdige Ausbeutung in fernen Ländern, all das ignorieren wir einfach.

Eklektische Überdosis

Dagegen hilft die überaus aufschlussreiche, gut argumentierte und sehr umfangreiche Lektüre dieses doch verhältnismäßig knappen Buchs. Kerstin Hoppenhaus schafft es an dieser Stelle, einen ganz großen Bogen der Wissenschaft zu schlagen und Natur- und Sozialwissenschaften zu vereinen. Von der Geologie über die Biologie und Chemie bis zur Land- und Forstwirtschaft und hin zu neuen Ansätzen der Rechtswissenschaft, elaboriert sie über das Wesen der modernen Menschheitsgeschichte und eigentlich sogar über alles, was Leben auf diesem Planeten möglich macht. 

Das nämlich – und das ist der große Mehrwert – hängt eben entscheidend von diesen drei Elementen ab: Kalium, Phosphor und Stickstoff. Ohne diese drei läuft nichts, aber wenn sie zu hoch dosiert werden, dann wirken sie eben auch als Gifte. Und gerade das scheint bislang in unserem Bewusstsein nicht angekommen zu sein: „Viel hilft viel“ heißt es so schön, aber gleichzeitig gleiten wir sehenden Auges in ein Zuviel ab – Todeszonen in der Ostsee oder massenhaftes Fischsterben in der Oder (letzteres erwähnt sie übrigens erstaunlicherweise nicht, aber das mag daran liegen, dass sie noch plakativere Beispiele findet) sind die Konsequenzen, die wir nicht mehr ignorieren dürfen.

Die Melange deutscher Sachbuchregale

Dieses Bewusstsein schafft Kerstin Hoppenhaus mit ihrem Buch Die Salze der Erde. Das ist eine Melange aus ganz unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen, die sie an dieser Stelle exzellent zusammenbringt, informiert und dabei gleichzeitig ein sehr fesselndes und gar unterhaltsames Buch veröffentlicht hat.

Wenn es etwas gäbe, das zu kritisieren wäre, dann die Tatsache, dass Hoppenhaus fast schon zu weite Bögen schlägt und nicht unmittelbar erkenntlich ist, wieso sie an einigen Stellen so weit ausschweift. Allerdings schafft sie es auch, diese Bögen immer wieder an die ursprüngliche Argumentation, die Bedeutung von Kalium, Phosphor und Stickstoff für unser Leben, zurückzuführen. Eigentlich ist diese Kritik eher als Lob zu verstehen, denn solch eine Kombination aus umfangreicher und exkursiver Wissensvermittlung und Lesefreude finden wir wahrlich nur selten in den deutschen Sachbuchregalen.

HMS

PS: Kerstin Hoppenhaus ist für Salze der Erde gestern Abend mit dem mit 15.000 Euro dottierten NDR Sachbuchpreis ausgezeichnet worden. Als Jury-Vorsitzende überreichte NDR Programmdirektorin Katja Marx die Auszeichnung im Rahmen des Göttinger Literaturherbstes auf dem Sartorius Campus. Die Begründung der Jury:

Veranstaltungshinweis; Kerstin Hoppenhaus stellt Die Salze der Erde am 15. November 2024 um 18:00 Uhr im Kulturkaufhaus Dussmann in Berlin vor. Alle Infos hier.

Eine Leseprobe findet ihr hier.

Kerstin Hoppenhaus: Die Salze der Erde. Was drei chemische Elemente mit Kolonialismus, Klima und Welternährung zu tun haben; September 2024; Hardcover, gebunden mit Schutzumschlag; ISBN 978-3-446-27970-4; Hanser Verlag; 26,00 €

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