Ebbe bei Tödlicher Flut

Unverhofft kommt oft: Kommissar Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) ist in Eile, aber erhält Besuch von seiner früheren Bekanntschaft Imke Leopold (Franziska Hartmann), die sich bedroht fühlt. Falke nimmt dies erst ernst als Leopold ihn später am Abend nochmal verängstigt anruft: Wir sehen sie in ihrer kürzlich geerbten Wohnung auf der Nordseeinsel Norderney vor einer eingeschlagenen Scheibe und es scheint jemand im Haus zu sein. Zumindest bricht die Verbindung vermeintlich abrupt und unheilvoll ab.

Falke ist nun alarmiert und nimmt am nächsten Morgen gemeinsam mit Kollegin Julia Grosz (Franziska Weisz) die Fähre. Dort angekommen finden sie eine Imke mit Würgemalen vor, der es ansonsten aber gut geht. Die Gefahr scheint erst mal gebannt, zumal Grosz Falkes Ex kritisch beäugt. Als sie allerdings die Leiche des für ein umstrittenes Ferienwohnungs-Bauprprojekt in den Dünen verantwortlichen Anwalts auffinden dringen die Kommissare gemeinsam mit ihrer selbsternannten Co-Ermittlerin Leopold in ein Netz aus lokalen Interessen, Korruption und Kleinkriminalität ein. Und sie verstricken sich selbst in einer etwas wirren Gefühlsdickicht, das auch Bill Kaulitz nicht unbekannt vorkommen dürfte.

Imke (Franziska Hartmann, l.) beschuldigt Stadtrat Lohmannn (Jonas Hien, r.) der Korruption. Julia Grosz (Franziska Weisz, 2. v.l.) und Falke (Wotan Wilke Möhring 2. v.r.) ermitteln. // © NDR/Christine Schroeder

Ausflug in die Inselwelt

Im Tatort: Tödliche Flut besuchen wir zum zweiten Mal nach Mord auf Langeoog (2013) gemeinsam mit Falke eine der Ostfriesischen Inseln. Der Fall startet diesmal allerdings eher langsam – die ersten 20 bis 30 Minuten ziehen sich ein wenig bevor der Fall tatsächlich mit dem Fund der Leiche des Anwalts Fahrt aufnimmt.

Besonders spannend ist die Entwicklung der Beziehung zwischen Kommissarin Grosz und der investigativen Journalistin Leopold. Zuerst scheint Grosz sehr skeptisch, fast ein wenig verärgert über Falkes Einsatz für seine alte Bekanntschaft. Die beiden Frauen nähern sich einander später zwar ein wenig an, aber ein wenig Misstrauen und vielleicht auch Missgunst bleiben dennoch. Der Fall ist dabei tatsächlich dieses Mal erneut eher Beiwerk, denn die Interaktion der Figuren nimmt weit mehr Handlungsraum ein als das für die Lösung des Falls erforderlich wäre.

Falke (Wotan Wilke Möhring) in den Norderneyer Dünen. // © NDR

Natur und Dünen täuschen nicht über inhaltliche Ebbe hinweg

Natürlich darf nicht fehlen, was man von einem Fall auf einer der Ostfriesischen Inseln erwartet oder gar erhofft: Es gibt viel Natur und Dünen und natürlich das Wattenmeer zu sehen, daneben aber auch Kleinstädterei und eine ganz besonderen Inselkultur mit brennendem Fischergeist in der Kneipe und ein wenig gutgemeinter Korruption im Kleinen.

Falke (Wotan Wilke Möhring) versucht verzweifelt, Imke (Franziska Hartmann) zu beruhigen. // © NDR/Christine Schroeder

Was allerdings lange ganz fehlt, ist die dem Fall seinen Namen gebende Flut. Wir werden zwar mit Bildern und Eindrücken geflutet und vieles ist sehr schön. Aber der Showdown mit der Flut kommt erst ganz zum Schluss so unvermittelt und konstruiert, dass es schon beinahe ärgert. Hier hätte man sich die eine oder andere kurze Szene mit Hasenjagd oder Nagelpistole sparen oder zumindest kürzen können und den Zuschauerinnen und Zuschauern etwas mehr Zeit für das Finale geben können.

Der Tatort: Tödliche Flut ist somit zwar seichte Sonntagabendunterhaltung, aber ganz bestimmt kein großer Wurf, auch wenn er anders tut. Anders als Ebbe und Flut muss man eine solche Serie nicht alle Tage wieder sehen, aber wenn sie kommt, dann kann man durchaus einen Blick reinwerfen.  

HMS

Tatort: Tödliche Flut: Heute um 20:15 Uhr im Ersten, um 21:45 Uhr auf one und für sechs Monate in der ARD-Mediathek verfügbar.

Tatort: Tödliche Flut; Deutschland, 2020; Regie: Lars Henning; Drehbuch: David Sandreuter; Kamera: Carol Burandt von Kameke; Darsteller*innen: Wotan Wilke Möhring, Franziska Weisz, Levin Liam, Franziska Hartmann, Christoph Tomanek, Veit Stübner, Jonas Hien, Katharina Behrens, Oliver Bröcker; Laufzeit ca. 88 Minuten; Eine Produktion der Wüste Medien GmbH im Auftrag des NDR für Das Erste, gefördert von der nordmedia-Film- und Medien- gesellschaft Niedersachsen/Bremen mbH.

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