Beitragsbild: LIVE IT UP (Disco Szene) // Foto: Nady El-Tounsy
100 Millionen Swarovski Kristalle strahlen in der neuen Falling | In Love Grand Show des Berliner Friedrichstadt-Palastes um die Wette. Mensch findet sie nicht nur auf einer grandiosen Bühne, sondern auch an fantasievollsten Kostümen von Sängern und Tänzern. Aber der Palast wäre nicht der Palast, wenn nicht wieder ein Superlativ nach dem anderen gezogen würde. So findet sich in einer Szene gleich ein ganzes Becken voller Kristalle mitten auf der Bühne und am Ende erstrahlt der größte Swarovski-Kristall der Welt in voller Pracht.
Aber bitte, diese neue Grand Show kann und darf mensch nicht auf den Glitzer reduzieren. Der ist zwar wirklich beeindruckend, aber ist auch hier wieder nur Teil eines Ganzen. Und zwar eines großen Ganzen, doch dazu später mehr.
Warum das Rad neu erfinden, wenn das Grund-Konzept trägt? Eben. So ist die Zusammensetzung der Falling | In Love Grand Show – so neu sie ist – doch altvertraut. Eingebettet zwischen schillernden Gesangs- und Tanznummern des hochkarätigen Ensembles nehmen mehrere Top Akrobaten ihren Platz auf der … oder auch über der Bühne ein, um das Publikum in seinen Bann zu ziehen. Und das Konzept geht wieder auf, am Ende des Abends steht ein begeistertes Publikum im nahezu ausverkauften Haus und sendet perlenden Applaus in Richtung Bühne.
You and me and what you wanna be
Eine lockere Story bindet das Show Erlebnis ein. „You“, ein gehörloser Poet ist auf der Suche nach der Liebe, aber in Diamond City ist diese nicht in Sicht. Er selbst ist weder grün noch rot oder blau und soll sich doch entscheiden. Noch während er einfach nur im Boden versinken will, öffnet sich genau dieser unter ihm und er fällt – aber er schlägt nicht auf, sondern landet sanft, im Garten der Liebe. Dieser ist jedoch nicht bunt und schillernd, sondern eher grau, schwarz und weiß.
Welche Rolle wird die rassige, schwarzhaarige „Me“ dabei spielen?
Der Reigen der Superlative
Fangen wir erst einmal bescheiden an, der Friedrichstadt-Palast hat bekanntermaßen die größte Theaterbühne der Welt. Über 100 Künstlerinnen und Künstler aus 28 Nationen stehen in dieser Produktion zusammen und verleihen der Falling | In Love Grand Show einen Glanz und ein Flair, das es so einfach nur im Palast gibt.
Star-Designer Jean Paul Gaultier konnte als Visual Design Direktor gewonnen werden und so springt einem die zu erwartende Opulenz auch vom ersten Moment nach dem Öffnen des Vorhangs ins Auge.
Zusammen mit dem Design-Duo Fecal Matter und der Designerin Sasha Frolova hat Gaultier eine Bildgewalt geschaffen, die bis zum frenetischen Schlussapplaus bestehen bleibt.
Ein Blick auf die Website des Palastes empfiehlt sich für den Hintergrundcheck, denn all die Namen, die für das Gelingen hier zusammengearbeitet haben, würden den Rahmen sprengen.
Daher sei (neben den bereits erwähnten Swarovski-Rekorden) an dieser Stelle noch Zoey Wees erwähnt, die als Liedtexterin und Komponistin ihren Teil beigesteuert hat.
Von gaaaanz leise, bis ganz ganz laut
Neben den großen und kleinen Szenen, gibt es ja immer Akrobaten und eine Girlsreihe zu bewundern. Letztere heißt übrigens seit diesem Jahr Kickline.
An unserem Abend bringt der atemberaubend definierte Künstler Andreis Jacobs Rigolo den SANDORN BALANCE ACT mit Palmblattrispen dar. Erst legt er eine Feder auf eine Rispe und dann immer größere Rispen. Stück für Stück bringt er sie in eine fragile Reihe. Bei den letzten sind schon alle Takte der Musik verklungen und das Publikum so still, dass man eine Nadel auf der Bühne fallen hören könnte. Als alle Rispen endlich zusammen gefügt sind, erhebt sich erleichterter und tosender Applaus, der kurz stockt, als der Artist zu der Feder greift und diese wegnimmt. Erwartungsgemäß fallen alle Stäbe zu Boden und das Kunstwerk auf Zeit ist zerstört.
Sowohl die Trampolin- und Reckakrobaten, sowie die Luftakrobatinnen dieses Abends rauben einem mit Ihren spektakulären Aktionen ein ums andere mal die Luft.
Besonders beeindruckend, die Kickline. 30 stattliche Menschen stehen am Ende in Reih und Glied. Schwarz gekleidet mit weißen Handschuhen perlen wunderbare Kettenreaktionen über Reihen, Gruppen und kleine Formationen.
Aber Moment, das sind doch nicht nur “Girls”? Richtig, zwei durchaus als männlich gelesene Wesen schwingen hier das Bein genau so hoch, wie die Damen und sind mit den Handschuhen eben so grazil und schnell. Aufgrund der für alle gleich gehaltenen Kostüme ist “der Kleine Unterschied” nur auf den zweiten oder dritten Blick zu erfassen. Aber hier zeigt sich dann, dass der inklusive Gedanke des Friedrichstadtpalastes auch vor der Ikone des Showtanzes nicht Halt macht. Und das Ergebnis kann sich wahrlich sehen lassen.
Stichwort: Diversity. Es ist wirklich vorbildlich, wie hier damit umgegangen wird und doch vermisst der Autor dieser Zeilen etwas. Während auf der Bühne die gesamte Bandbreite der Diversity gefeiert wird, fehlt das klassisch männliche und weibliche Bild. So entstehen immer wieder kurze ungefüllte Lücken, die vermeidbar gewesen wären.
Zum Schluss der Show findet auf der Bühne ein Farb- und Entertainment-Spektakel statt, das mit dem Begriff “Feuerwerk” wirklich nur unzureichend beschrieben werden kann. Tänzerinnen und Tänzer in allen Farben des Regenbogens verschmelzen mit der Bühne zu einem letzten Stillleben der Opulenz, bis dann der größte Swarovski Kristall der Welt einschwebt und seine Reflektionen das ganze Haus in Lichterstrahlen tauchen. Diese Strahlen werden ihren Weg in die Herzen der Menschen der Welt finden und darin die Farben wieder zum Leuchten bringen.
Also Welt, auf nach Berlin, in die Falling | In Love Grand Show des Berliner Friedrichstadt-Palastes!
Falling | In Love Grand Show im Friedrichstadt-Palast Berlin ist ab acht Jahren empfohlen und auch geeignet für Gäste ohne Deutschkenntnisse. Laufzeit ca. 150 Minuten inklusive 30 Minuten Pause. Tickets und Infos findet ihr hier.
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