Beitragsbild: Wirtschafts- und Umweltminister Bauer (Mitte, Hannes Jaenicke) hält eine umstrittene Rede, seine Personenschützerin Helen Schilling (r., Svenja Jung) und Staatssekretärin Dr. Karlström (l.,Mina Tander) sind über die Reaktionen des Publikums besorgt // © WDR/Volker Roloff
Wem gehört die Zukunft? Wem gehören wir? Wem gehört die Welt? Nun, Kandidaten wie Elon Musk, Jeff Bezos, Peter Thiel und Co. würden sicherlich jeweils mit „Na mir!“ antworten. Womöglich könnte mensch sagen, dass die Zukunft der Innovation, dem Fortschritt gehört. Wir wieder sind, so schon allein im Sinne des Überlebens, abhängig von Innovation, vor allem Forschung und hoffentlich positiven Ergebnissen.
Die ganzen Gene sind ein Spiel
Sei es nun mit Blick auf die sich immer weiter verschärfende, menschengemachte Klimakrise. Irgendwann wird auch die Art Mensch Opfer des teils selbst verursachten Artensterbens sein. (Fiele dass dann in die Kategorie „mittelbarer Selbstmord“?) Die Natur, die wir gern ausbeuten, benutzen, missbrauchen, zerstören, wendet sich mehr und mehr gegen uns. Wir lernen (theoretisch jedenfalls): Sie uns untertan zu machen, kann auf Dauer nicht funktionieren.
Aber probieren geht über studieren. So denken es sich wohl auch manche Unternehmen und deren CEOs und basteln fleißig daran, den natürlichen und biologischen Gegebenheiten zu trotzen. Stichwort: Gentechnik. So auch in der zweiten WDR–Verfilmung eines Bestsellers von Marc Elsberg. Helix, der heute Abend in der Reihe FilmMittwoch um 20:15 Uhr im Ersten zu sehen und bereits in der ARD-Mediathek verfügbar ist, stürzt sich mitten in die Feldforschung.
Bestsellerverfilmung mit Bauer-Appeal
Es laufen zwei beziehungsweise drei Handlungsstränge parallel und irgendwie steckt die BKA-Personenschützerin und Ermittlerin Helen Schilling (Svenja Jung) überall so mittendrin. Auf einem Pressetermin ist sie für die Sicherheit des umstrittenen Ministers für Wirtschaft und Umwelt Richard Bauer (Hannes Jaenicke) zuständig. Aufgrund von sich zuspitzenden Bauernprotesten erwägen das BKA sowie Staatssekretärin Dr. Karlström (Mina Tander) noch, den Termin abzublasen oder doch unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchzuführen.
Bauer will aber lieber mit den Bauern ins Gespräch kommen. Plötzlich hat er einen Lappen im Gesicht, kurz darauf erleidet er einen Anfall, kurz darauf ist er tot. Er scheint Opfer eines gezielten Anschlags geworden zu sein. Allerdings entpuppt sich der Lappen-Mann als unschuldig. Doof. Die Ermittlungen zum Fall leitet die wenig zugängliche Lisa Hoettger (Helene Grass), die so professionell wie misstrauisch ist.
An einer anderen Baustelle hat Helen mit ihrer Anti-Genmanipulation-Schwester Paula (Marie Bloching) zu arbeiten. Diese findet sie mitsamt Söhnchen an den Zaun eines Genlabors gekettet vor, schafft es aber, sie aus der Situation rauszuquatschen. Das Verhältnis der Schwestern, die beide unter einer genetisch vererbbaren, tödlichen Krankheit leiden, ist kompliziert. Im Kern aber liebevoll.
Ganz so wie das von Helen und ihrem Ehemann Cem (Ugur Kaya), mit dem sie sich ein Kind wünscht. Was durch die Krankheit allerdings ein komplexes Anliegen voller ethischer Fragen ist. Doch dann taucht aus den Norwegen die in Deutschland und innerhalb der Europäischen Union verbotene Möglichkeit einer Keimbahntherapie in Gestalt der Gen-Optimierungs-Koryphäe Dr. Wöllners (Samuel Finzi) auf.
Kann das alles Zufall sein? Und wer ist der mysteriöse Hacker Ed Deaver (Benny O. Arthur), der nicht nur alle Vorgänge, sondern auch Helen stets im Blick zu haben scheint?
Alle Ambivalenzen…
Natürlich ist hier nichts Zufall. Natürlich hängt irgendwie alles mit allem zusammen in dieser Mischung aus Thriller, Drama und Ökofilm. Anders als im kammerspielartigen Debattenfilm Ökozid, in dem die Bundesregierung Deutschland wegen ihrer möglichen Schuld an den Folgen des Klimawandels von 31 Staaten des globalen Südens verklagt wird, geht es hier nicht um die (vermeintlich) letztgültige Bewertung der Frage von Schuld und Unschuld, Recht und Unrecht.
Helix macht zwar recht zügig deutlich, dass das Gute auch mal außerhalb des Gestatteten arbeiten muss und soll, wohingegen dies beim augenscheinlich Schlechten definitiv ein Verbrechen zu sein hat. Dennoch erlaubt der von Jörg Tensing geschriebene und von Elmar Fischer inszenierte Öko-Gen-Hacker-Thriller sich manch eine Ambivalenz.
Dies nicht zuletzt in der Figur Helens, die natürlich die Attacke auf den Minister aufklären möchte. Jedoch selber zwischen den Stühlen steht. Und nicht zuletzt ihre Position nutzt, um beispielsweise ihrer Schwester zu helfen oder auch selber einmal außerhalb ihrer Jobbeschreibung tätig zu werden.
…oder doch die sichere Nummer?
Der durchaus spannende, wenn im Mittelteil auch etwas unstrukturierte Helix wirft naheliegenderweise Fragen von Moral, vor allem aber Ethik auf, wenn es um den Umgang mit Gentechnik und Genforschung geht. Dies sowohl bezogen auf Pflanzen wie auch auf Menschen. So ist mit der möglichen Therapie in Norwegen die Frage verknüpft, ob das Kind nicht theoretisch optimiert werden könnte. Also quasi – können wir uns einen kleinen Mozart oder Steve Jobs (✝️) basteln (lassen)?
Hier sind starke Ansätze vorhanden, die aber leider oftmals im Wuchs stecken bleiben. Dafür ist am Ende zu viel in die 90-minütige Geschichte gepackt. Ebenso entscheiden die Macher*innen sich recht fix, die Chancen von Gentechnik zu verkappten Risiken und die deutlichen Risiken zum Wahnsinn zu erklären. Außerdem darf der Thrill nicht zu kurz kommen und so muss es immer wieder Steine im Weg zur Wahrheit und Wahrhaftigkeit geben. Diese Mischung aus moralischem Drama und klassischem Thriller geht schlussendlich leider nicht ganz auf (von manch einer argen Logiklücke reden wir mal nicht).
Debatte zum Lückenfüllen
So fällt der Schlussteil letztlich, trotz manch einer (vorhersehbaren) Wendung, doch sehr generisch und beinahe altbacken aus. Zwar ist es nicht die Geschichte einer gehörnten Geliebten, aber doch die eines Dr. Jekyll und einer überambitionierten Person ohne Geduld. Das vermeintlich große Komplott ist eher ein kinderspielartiger Komplottpudding mit zuckriger Sahnecreme.
Wie erwähnt ist das alles dennoch über weite Strecken spannend, unterhaltsam in jedem Fall. Das Drehbuch ist teils pfiffiger als die Handlung und die Darsteller*innen überzeugen größtenteils. Die in Helix aufgeworfenen Fragen und aufgebrachten Dilemmata sind grundsätzlich interessant. Mensch kann das, was im Film fehlt, im Nachgang schließlich selber weiterdenken und diskutieren.
AS
Das Erste zeigt Helix am 8. Januar 2025 um 20:15 Uhr; in der ARD-Mediathek ist Helix bis zum 8. Januar 2026 verfügbar.
Helix; Deutschland 2024; Regie: Elmar Fischer; Drehbuch: Jörg Tensing, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Marc Elsberg; Bildgestaltung: Bjørn Haneld; Musik: Matthias Beine; Darsteller*innen: Svenja Jung, Ugur Kaya, Marie Bloching, Mina Tander, Samuel Finzi, Benny O. Arthur, Helene Grass, Bastian Trost, Andreas Warmbrunn, Hannes Jaenicke, Florian Simon, Promodomos Antoniadis, u. v. a.; Eine Produktion der near future films in Zusammenarbeit mit Swidler Film (Produzent:innen: Nicole Swidler, Fritjof Hohagen) im Auftrag des WDR für Das Erste. Die Redaktion hat Götz Vogt (WDR)
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