„Young Royals“: Junge obere Zehntausend

Geschichten, die an Elite-Schulen und -Internaten spielen, folgen fast zwangsweise einer gewissen Dynamik, behandeln auf die eine oder andere Weise immer den Konflikt Arm/Reich oder auch extrem privilegiert/weniger privilegiert. Diesem begegnen wir auch im neuen schwedischen Teenie-Drama Young Royals, das primär am Elite-Internat Hillerska spielt und gerade – zurecht – einen kleinen Hype erlebt. Die Serie ergeht sich dabei allerdings nicht in überbordender Dramatik und lässt so einige Klischeewendungen und Standardeffekte aus.

Echt edle Teenager

Auf das Internat Hillerska wird Prinz Wilhelm (wunderbar verschroben: Edvin Ryding) geschickt, nachdem er in einem Club mit einem anderen Jugendlichen aneinandergeraten und eine Aufnahme davon zumindest um die schwedische Welt gegangen ist. Das ziemt sich natürlich nicht, also geht es auf das Edel-Internat, das schon sein Bruder, Kronprinz Erik von Schweden (Ivar Forsling), besucht hat. Dieser gilt dort als Legende. Unter die Fittiche genommen werden soll er dort von einem Cousin zweiten Grades, August (Malte Gårdinger), einem nicht nur von Ehrgeiz zerfressenen, statussüchtigen Firmenerben. 

So weit, so normal, möchte man meinen. Früh sticht allerdings heraus, dass der Look der Serie von so manch anderen Teenie-Serien abweicht. Die Darsteller*innen in Young Royals sind nicht nur alle wirklich ein wenig jünger – zwischen achtzehn und Anfang zwanzig -, sondern dürfen auch Pickel haben, sehen nicht allesamt völlig geleckt aus und müssen nicht so trainiert sein, wie wir es aus den meisten anderen Serien gewohnt sind.

Ebenso ist die Hauptfigur Wilhelm seinem Verhalten nach im Grunde ein typischer Außenseiter, da jedoch nicht alle Unmenschen sind und sein Status als Prinz nun einmal ist, was er ist, steht er natürlich im Fokus seiner Mitschüler*innen am Internat. Felice (toll: Nikita Uggla), die ebenfalls adlig ist, soll sich den Prinzen am besten direkt angeln, was wiederum August gern verhindern würde, der wiederum gern in ihre Familie aufgenommen werden möchte. Besitzstandswahrung und -erweiterung auf grünen Wiesen und an steinigen Brunnen, sozusagen. Schöne Bilder bietet die Netflix-Serie Young Royals übrigens ohne Ende: Jene im Internat geben das Leben in einem solchen scheinbar authentisch wieder und viele der Außenaufnahmen zeigen ganz selbstverständlich die feine Anlange Hillerskas.

Ein Ungleichnis: August und Simon // © Netflix

Echtes Interesse am Sozialisten

Wilhelm jedenfalls hat gar kein Interesse an Felice, sondern fühlt sich von Beginn an zu Simon (Omar Rudberg) hingezogen, der mit seiner Stimme im Chor beeindruckt und die Schule gemeinsam mit seiner Schwester Sara (Frida Argento) besucht. Die beiden wohnen mit ihrer alleinerziehenden spanischsprachigen Mutter Linda (Carmen Gloria Pérez) in einer Sozialbausiedlung im Ort. Simon, der aus seiner Homosexualität kein Geheimnis macht, hat ebenfalls Interesse an Wille, wie der Prinz lieber genannt wird. Nach und nach beginnen sie einander zu entdecken und ihre Verbindung wird ernster.

Nun bietet Young Royals diverse Fallstricke für die zwei jungen Turtelnden. Zum einen kann natürlich ein Prinz nicht (offen) schwul sein, da ist also schon mal das. Zum anderen ist Simon ein „Sozialist“ und Wille gehört eben zur Monarchie. Und überhaupt zur Elite des Landes. Diese Trennung ist auch an der Schule einigermaßen strikt, wobei es hier nicht so weit getrieben wird wie beispielsweise im spanischen Funkel-Teenie-Drama Élite. Wenn auch dort hinter all dem Glitzer, Alkohol, Mord, Schmollmündern und Sex vor allem Kritik am gesellschaftlichen Klassensystem vermittelt wird, dazu aber an anderer Stelle mehr.

Sara und Felice freunden sich an // © Netflix

Ordentlich Drama gibt es hier natürlich auch, doch kracht es weniger derb. Zwar wird auch gefeiert, gelogen, intrigiert und manipuliert und über soziale Netzwerke gelästert und geflirtet, aber doch auf einem anderen, auch weniger effektheischenden Level. Das hilft der Serie und lässt sie in der Tat anders sein. So entwickelt sich zwischen Sara und Felice im Lauf der Staffel eine authentische Freundschaft, wenn sich auch hier Konfliktfelder auftun, die in einer zweiten Staffel für größere Dramen sorgen könnten.

Echte Wichser und Gefühle

Auch die Annäherung zwischen Wille und Simon ist glaubwürdig und passend zu den Figuren erzählt, auch dann, wenn die Klassenkonflikte zwischen ihnen aufkommen. Was zum Glück in dezenter Dosis passiert, denn in erster Linie sind es zwei Teenager, die dabei sind, sich ineinander zu verlieben und keine Sozialwissenschaftler. Viel wichtiger ist da das sowohl körperliche wie auch emotionale Aneinanderherantasten und -fühlen, das Begehren und miteinander auch mal übereinander lachen sowieso.

Simon und Wille // © Netflix

An mancher Stelle wird auch der Druck, der auf diesen jungen Menschen lastet, thematisiert. Nicht nur bei Wilhelm, der wohl wirklich gern einfach „normal“ (bezogen auf seine Herkunft) wäre, sondern auch Felice, August (der trotz aller Tragik in seiner Figur einfach ein unentschuldbarer Wichser ist) und auch Simon und Sara – sie alle hadern mit den an sie gestellten und teils aus ihnen selbst kommenden Erwartungen.

Ein wenig mehr hätte dabei noch auf die Selbstverständlichkeit der nicht nur oberen Zehntausend an der Schule, sondern auch noch der jener noch einmal von diesen enthobenen Schülern und ihrer geheimen „Society“ eingegangen werden können. Allerdings ist dafür ja noch Luft in der wünschenswerten zweiten Staffel. Auch der Konflikt Homosexualität und Monarchie sollte noch deutlicher ausgetragen werden. Etwas, das das sonst eher enttäuschende Buch Royal Blue ganz gut schaffte, auch indem es die historisch weit zurückreichende Heuchelei (Plündern, Kolonialisieren, Morden, … alles okay, aber bloß keine Homos?!) thematisierte. Da liegt natürlich noch inhaltlicher Sprengstoff in der Story.

Die royale Kernfamilie – voller Glück, oder so // © Robert Eldrim/Netflix

Zwar könnte Young Royals bereits nach sechs kurzweiligen Folgen ein Ende gefunden haben, Wilhelms letzter Blick an uns suggeriert sowohl Abschluss als auch einen Startschuss (Stichwort: Revolution), doch gibt es ausreichend offene Handlungssituationen und wie erwähnt vorbereitete und wünschenswerte Konfliktfelder, um eine zweite Staffel zu füllen. Das mag auch ein Grund sein, warum sich die letzte Folge nach zuerst gelassener Erzählweise ein wenig gehetzt anfühlte.

So sind wir also einigermaßen begeistert von dieser anderen Art eine theoretisch standardisierte Teenie-Geschichte zu erzählen, die Menschen echt und uns vollkommen angefixt sein zu lassen. Gern mehr! 

AS

PS: Wir haben die Serie im schwedischen Original mit Untertiteln geschaut.

Young Royals; Schweden 2021; Regie: Rojda Sekersöz, Erika Calmeyer; Drehbuch: Lisa Ambjörn, Sofie Forsman, Tove Forsman, Pia Gradvall; Musik: Matti Bye; Darsteller*innen: Edvin Ryding, Omar Rudberg, Malte Gårdinger, Frida Argento, Nikita Uggla, Pernilla August, Nathalie Varli, Carmen Gloria Pérez, Ivar Forsling, Ingela Olsson; Produzent*innen: Lisa Berggren Eyre, Martin Söder; 6 Folgen, Laufzeit: ca. 42-50 Minuten; FSK: 12; seit 1. Juli 2021 auf Netflix verfügbar

Unser Schaffen für the little queer review macht neben viel Freude auch viel Arbeit. Und es kostet uns wortwörtlich Geld, denn weder Hosting noch ein Großteil der Bildnutzung oder dieses neuländische Internet sind für umme. Von unserer Arbeitstzeit ganz zu schweigen. Wenn ihr uns also neben Ideen und Feedback gern noch anderweitig unterstützen möchtet, dann könnt ihr das hier via Paypal, via hier via Ko-Fi oder durch ein Steady-Abo tun – oder ihr schaut in unseren Shop. Vielen Dank!

About the author

Comments

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert