„Es gibt wohl weltweit nur wenige Menschen, die sie nicht kennen oder in ihrem Kleiderschrank haben, die berühmtesten Hosen der Welt: die Blue Jeans. Aber wie kam es zu dieser Revolution, die wohl auch niemals wieder aus der Mode kommen wird?“
Robert Marciniak, Produzent Lieblingsfilm
Tja, wie kam es dazu? Einfache Antwort: Es mussten ein jüdisher Bayer aus dem oberfränkischen Buttenheim in San Francisco auf einen jüdischen Letten treffen, um dann „einen robusten Stoff aus dem französischen Nîmes – französisch ‚de Nîmes‘ – englisch Denim“ mit Kupfernieten, die eigentlich für Pferdegeschirr verwendet werden, zusammenzubringen. Fertig ist die Hose, die nicht einmal zwei Pferde auseinandergerissen bekommen. Zumindest nicht binnen zehn Sekunden.
Schau- und Spielwerte
Etwas ausführlicher erlebt werden kann diese Geschichte um den Stoffhändler Levi Strauss und den Schneider Jacoc Davis in der vierteiligen Event-Serie Levi Strauss und der Stoff der Träume, die Das Erste heute Abend ab 20:15 Uhr zeigt. Inszeniert hat diese die Regisseurin Neele Leana Vollmar, die gemeinsam mit Robert Krause für das auf einer Vorlage von David Marian basierende Drehbuch verantwortlich zeichnet – und sich gern in das Projekt schmiss.
„Wer war Levi Strauss? Noch vor zwei Jahren hätte ich diese Frage nicht beantworten können. Als mir Robert Marciniak von Levi Strauss und der Stoff der Träume erzählte, war ich sofort begeistert von der Idee, über diesen Mann einen Film zu machen. Ich begann mit den Recherchen, und je mehr ich über Levi Strauss und seine Familie gelesen hatte, desto überzeugter war ich, mich auf diese Zeitreise begeben zu wollen.“
Neele Leana Vollmar, Regie und Drehbuch
In der Tat ist die Mini-Serie mit Vincent Redetzki als freundlichem aber nicht immer nettem Levi Strauss, Amy Benkenstein als dessen resoluter Schwester Fanny, Anton von Lucke als etwas naivem Jacob Davis und Lea van Acken als dessen spätere durchsetzungsstarke Ehefrau Annie Packsher eine unterhaltsame Zeitreise mit soliden Schauwerten. Die Arbeit von Kostümbildnerin Katharina Ost sowie Szenenbildner Michael Binzer und Team kann sich sehen lassen. Der Deutsche Kamerapreisgewinner Armin Dierolf weiß all das in teils packende Bilder zu fassen.
Viele Jahre, viele Hindernisse
Die Serie umspannt den Zeitraum von den 1840er- bis zu den 1870er-Jahren. Thematisiert werden der Krieg in Europa (was zur Flucht Jacobs führt), der Goldrausch in den USA, am Rande auch der Bürgerkrieg, Xenophobie und Antisemitismus, (häusliche) Gewalt, Alkoholismus und Korruption. Der Fokus allerdings liegt immer auf dem (mit diesen Dingen verbundenen) Schicksal Levis und Jacobs, deren Wege sich auf der Überfahrt nach New York erstmalig kreuzen, dann für viele Jahre nicht, bis schließlich auch Jacob in San Francisco eintrifft.
Natürlich begegnen sich die beiden nicht prompt wieder. Es gibt in dieser „frei nach wahren Begebenheiten“ erzählten Geschichte natürlich diverse zu überwindende Hindernisse. Seien es der „Patron“ der gesetzlosen Goldgräber- und Glücksritterstadt San Francisco und Fast-Fashion-Fan J. C. Eddy (Roland Koch) und dessen im Grunde gutmütiger Sohn Henry (Alessandro Schuster) oder auch Levis Bruder Louis Strauss (Hannes Wegener), der, getreu dem Motto „Das haben wir schon immer so gemacht“, nicht am Status quo rütteln mag.
San Francisco in Italien
In der ersten Folge ist Levi Strauss und der Stoff der Träume noch etwas sperrig, sehr viel soapige Exposition, ohne dass dies eine*n wirklich catchen würde. Mit der zweiten Folge ändert sich das, Geschichte und Figuren nehmen an Fahrt auf. Fein ist es auch, dass sowohl Fanny als auch Annie, über die so viel nicht bekannt ist, stark erzählt werden und nicht bloß hübsches Beiwerk vor schöner Kulisse sind. Ganz im Gegenteil.
Apropos schöne Kulisse: „Buttenheim, das Goldgräbercamp und Reno fanden wir in Südtirol, New York und San Francisco in Turin und das Ladengeschäft von Levi Strauss im kleinen Dorf Ormea im Piemont“, erzählt Fanny-Darstellerin Amy Benkenstein. Mensch sieht durchaus, dass San Francisco unmöglich San Francisco und die Weiten des Goldgräbercamps in keiner der dafür bekannten Gegenden sein kann. Das macht aber nichts, da die Umgebung überzeugend in die Handlung eingebunden wird. Wer also kein totaler Nerd in diesem Punkt ist, sollte sich daran nicht allzu sehr stören.
Alles in allem bietet Levi Strauss und der Stoff der Träume gute Unterhaltung mit leichtem und seichtem Mehrwert, guter Schauspielleistungen vor allem der vier Hauptdarsteller*innen (und auch Golo Euler, der in einer Nebenrolle als Journalist Jude William überzeugt wie auch Bardo Böhlefeld als Levis Schwager David) und ein wenig Märchenhaftes steckt auch drin. Wir könnten weniger geschmeidig ins neue Serien-Jahr 2025 einsteigen.
AS
Das Erste zeigt Levi Strauss und der Stoff der Träume am 3. Januar 2025 ab 20:15 Uhr; in der ARD-Mediathek ist die vierteilige Event-Serie seit dem 30. Dezember 2024 verfügbar.
Levi Strauss und der Stoff der Träume; Regie: Neele Leana Vollmar; Drehbuch: Robert Krause, Neele Leana Vollmar nach einer Vorlage von David Marian; Bildgestaltung: Armin Dierolf; Musik: Bjorn Eriksson; Darsteller*innen: Vincent Redetzki, Anton von Lucke, Amy Benkenstein, Lea van Acken, Bardo Böhlefeld, Hannes Wegener, Golo Euler, Roland Koch, Alessandro Schuster, Bärbel Schwarz, Bernd Hölscher, u. v. a.; Eine Produktion der Lieblingsfilm GmbH in Koproduktion mit der ARD Degeto Film und dem MDR für die ARD in Kooperation mit Viola Film, Rom und Bravado Entertainment, Belgien. Die Serie wurde gefördert durch FFF Bayern, IDM Film Commission Südtirol – Alto Adige, Regione Piemonte – Bando „Piemonte Film TV Fund“ mit der Unterstützung von Film Commission Torino Piemonte und Screen Flanders.
„Levi Strauss und der Stoff der Träume“ ist im Weltvertrieb der Bavaria Media.
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