Knochenjob Entwicklungsarbeit

Manche Dinge scheinen so einfach zu sein. Eine globale Pandemie von heute auf morgen zu besiegen, indem aufwändig erarbeitete Impfstoffpatente per Zwang freigegeben werden zum Beispiel. Oder für eine Hilfsorganisation ein Krankenhaus im Kongo aufzubauen. Beides kann doch nicht so schwer sein und würde umgehend fast alle Probleme lösen.

Entwicklungsarbeit im Kongo

Dass zumindest letzteres doch nicht so einfach ist, musste Robert Kösch erfahren. Für die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (Médecins sans Frontières; MSF) ging er Anfang 2020 in die Demokratische Republik Kongo, um dabei zu helfen, in der Stadt Baraka im Osten des Landes ein neues Hospital zu errichten. Seine Erfahrungen aus etwa acht Monaten vor Ort hat er in seinem bei Conbook erschienenen Buch Ein Krankenhaus im Kongo zusammengestellt.

Robert Kösch lässt sich auf ein Abenteuer ein – und weiß nicht, was ihn alles erwarten wird // © CONBOOK Verlag, Robert Kösch

Wenig überraschend ist der Inhalt: Kösch beschloss im Dialog mit seiner Frau Katharina, noch einmal etwas „Besonderes“ tun zu wollen, etwas, das jenseits von wirtschaftlichem Wachstum oder persönlicher Karriere hilft, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Dafür wollte er MSF im Ausland bei der Entwicklungszusammenarbeit unterstützen und schrieb seine Erfahrungen, Empfindungen und Begegnungen in Ein Krankenhaus im Kongo nieder.

Harter Alltag

Frohen Mutes aufgebrochen wird Kösch sehr schnell vom harten kongolesischen Alltag heimgesucht. Das Internet in der MSF-Basis Papaya funktionierte zwar gut und erlaubte regelmäßige Telefonate mit Katharina, aber vieles andere sollte sich von mitteleuropäischen Standards deutlich unterscheiden.

Fußball und sonstige Zeitvertreibe- der FC Barcelona (wie auch die Konkurrenten aus Madrid) haben es bis nach Baraka geschafft // © CONBOOK Verlag, Robert Kösch

Raus aus dem Camp und durch die Straßen streifen – nicht ohne Anmeldung und Personenschutz. Entführungen – leider schon fast an der Tagesordnung. Baden im nebenan liegenden Tanganjikasee – nur weiter draußen (bei sonntäglichen Bootsausflügen), denn sonst frisst sich ein übler Spulwurm in den Körper. Einfach vor Ort wirken, ein funktionierendes Gesundheitswesen aufbauen – nicht ohne den Dialog mit den Menschen vor Ort zu suchen (ok, letzteres kennt man auch hierzulande gut, ist wegen der europäischen Kolonialvergangenheit aber nochmal eine besondere Herausforderung).

Corona ändert alles

Robert Kösch illustriert sehr eindrücklich seine Erfahrungen und auch seine Aufgaben. Eigentlich dort, um ein neues Krankenhaus zu planen, muss er seinen Job völlig umdisponieren. Die Corona-Pandemie zwingt ihn einerseits dazu, denn der Aufbau einer Coronastation wird natürlich erst einmal wichtiger sein als das Vorhaben, ein vollkommen neues Klinikum aus dem Boden zu stampfen. Überhaupt lässt sich an Köschs Geschichte sehr gut ablesen, wie sich manche Prioritäten noch zu Beginn der Pandemie schlagartig verschoben haben. Allein dafür ist Ein Krankenhaus im Kongo schon lesenswert.

Die Ukulele wurde zu Robert Köschs regelmäßigem Begleiter // © CONBOOK Verlag, Robert Kösch

Und dennoch, an einigen Stellen wundert man sich ein wenig, welche Prozesse manchmal ablaufen. Eine wegen der Pandemie geschlossene Schule kurzerhand zur Coronastation umzubauen mag vielleicht im ersten Moment als Übergangslösung sinnvoll sein. Aber gerade im Entwicklungskontext zeigt sich hier schnell ein Zielkonflikt, denn Bildung – auch das haben wir leidgeplagt hierzulande feststellen müssen – ist der erste und wichtigste Schritt für globale Gerechtigkeit. Dass die Station in dem Schulgebäude nur so lange bleiben konnte, wie es keinen Unterricht gäbe, hätte also gleich von Beginn an klar sein müssen.

Entwicklungszusammenarbeit ist ein Knochenjob – und nicht unumstritten

Und dennoch illustriert Köschs Erfahrungsbericht sehr gut, worauf sich junge und nicht so junge Menschen einstellen müssen, wenn sie Deutschland verlassen, um etwas (vermeintlich) Gutes in anderen Erdteilen zu tun. An keiner Stelle wird er weinerlich oder beklagt sich darüber, dass die Arbeit vor Ort eben nicht so einfach zu bewerkstelligen ist. Natürlich strengt das an und seinen Frust kann man immer wieder erkennen. Man kann sich gut in ihn hineinversetzen, aber so ist eben das Leben in der Entwicklungszusammenarbeit.

Entwicklungsarbeit ist wichtig, zu viele Menschen leben noch in Armut und haben nur wenig Perspektiven. Die Kinder von Malinde lassen sich die Lebensfreude dennoch nicht nehmen // © CONBOOK Verlag, Robert Kösch

Ein wenig kurz kommen dabei leider die negativen Aspekte von Entwicklungszusammenarbeit. Ja, er spricht an, dass sie leider auch zu einer gewissen Trägheit in der örtlichen Bevölkerung führen kann (schön illustriert am Beispiel einer kaputten Brücke, „die schon irgendeine Organisation reparieren wird“) oder eben manch einem Zielkonflikt, wie bereits dargestellt. Gerade auf den letzten Seiten seines Erfahrungsberichts geht Kösch zwar noch einmal darauf ein, aber es wäre schöner gewesen, hätte er noch so manch andere Perspektive hierauf dargelegt.

Denn, so viel ist sicher, Entwicklungszusammenarbeit (oder auch die kurzfristiger angelegte humanitäre Hilfe) ist mehr als wichtig, um eine gerechte globale Gesellschaft erreichen zu können. Nur muss sie klug und vorausschauend sein und darf die Bevölkerung nicht bevormunden. Robert Kösch illustriert in seinem Buch Ein Krankenhaus im Kongo sehr gut, wie dies funktionieren kann, aber auch, welche Erschwernisse damit verbunden sein können. Für alle, die mit dem Gedanken spielen, selbst in der Entwicklungsarbeit tätig zu werden, sei daher die Lektüre seines Buchs wärmstens empfohlen, denn er stellt das Leben „im Feld“ sehr gut und anschaulich dar und spart dabei auch unangenehme Erlebnisse und Erfahrungen nicht aus.

HMS

Eine Leseprobe findet ihr hier.

Robert Kösch: Ein Krankenhaus im Kongo – Wie ich bei einem Hilfseinsatz versuchte, die Welt ein bisschen besser zu machen, und warum das gar nicht mal so einfach ist; August 2021; Paperback mit Einbandklappen; 288 Seiten; diverse Abbildungen; ISBN: 978-3-95889-399-3; Conbook Verlag; 16,95 €; auch als eBook erhältlich

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