Was wäre, wenn Weihnachten ausfiele? Uhm… Happy Chanukka, sag ich mal?! Ein neues Jahr stünde so oder so an, der Bedarf nach schönen Kalendern wäre somit weiterhin vorhanden. Unsere Festtagsbücherei könnten wir schlicht in „Jahresabrechnungslektüre“, kurz: JAL umbenennen. Zugegeben, das klingt nicht so cool wie E.L.F., aber besser als wie nüscht, wa?!
Wofür „E.L.F.“ steht, wollt ihr wissen? Na für „Enforcement, Logcistics and Fortification“ (zu deutsch: Durchsetzung, Logistik und Befestigung). Nein, das ist nicht dem „Project 2025“ der Heritage Foundation entnommen. Auch wenn es nach einer möglichen Zielsetzung einer neuerlichen (und zur Zeit der Veröffentlichung dieser Rezension sehr wahrscheinlichen) Präsidentschaft Donald Trumps klingen mag. E.L.F. ist das von Callum Drift (Dwayne Johnson) geleitete Sicherheitsteam von Santa „Nick“ Claus (J. K. Simmons). Als dieser von der Weihnachtshexe Gryla (Kiernan Shipka) entführt wird, obliegt es natürlich Drift, ihn zu retten.
Kopflos in die Weihnachtszeit
Dabei klingen Grylas Absichten erst einmal gar nicht soooo schlimm: Sie will Energie aus Santa saugen, um mit dieser endlich all die Naughty-Listers abzustrafen. Dies nicht mit solidem Spanking oder ähnlichem, sondern durch eine reproduzierte magische Schneekugel, die Gryla von ihrem Ex, einem gewissen Krampus (Kristofer Hivju) und Bruder Santas, hat und in welche sie all die Bösen einsperren will. Stichwort: Einsamkeit.
Ok, ok. Das klingt hart. Cal sucht gemeinsam mit Zoe Harlow (Lucy Liu), der Direktorin von M.O.R.A. (Mythological Oversight and Restoration Authority), einer Behörde, die Dinge, die der mythologischen Welt entstammen, im Blick behält, nach Santa und den Entführer*innen. Das wird in Red One in einer recht witzigen Szene kurz angerissen, als etwa der kopflose Reiter vom Verhör zurückkehrt und Lius Harlow dies lakonisch mit „Wir befragen die üblichen Verdächtigen“ kommentiert.
Konservative Message?
Mehr solcher Szenen hätten dem von Jake Kasdan inszenierten und Chris Morgan (Fast-&-Furious-Franchise) geschriebenen weihnachtlichen Action–Komödien–Fantasy-Kracher Red One gutgetan. Guttut jedenfalls Chris Evans, der als Jack O’Malley ebenfalls zur Mithilfe verdonnert wird. Immerhin half er, wenn auch unwissend, die Location Santas zu orten. So begibt sich das unfreiwillige Buddy-Duo Cal-Jack also auf die durchaus ereignisreiche Suche.
Dwayne Johnson sagt im Presseheft zum Film, der am morgigen Donnerstag im Kino startet, E.L.F. sei für Santa das, was der Secret Service für den oder die US-Präsident/in ist. Also doch DJT, Heritage und Republikaner? Wohl eher nicht. Auch wenn mensch sich das an mancher Stelle denken mag. Folgt der Film doch sehr konventionellen Rollenbilder, klischierten Verhaltensweisen, plumpen Puns und vermittelt eine sehr kitschig-christliche „Liebe-Deine-Nächsten-“(Und-Mach-Geld-Mit-Ihnen-)Message.
Darüber hinaus passt der Amazon MGM Studios-Film insofern zu Trump, als dass er mehr verspricht, als er letztlich halten kann. Nach einer unterhaltsamen Ocean’s Eleven-Abklatsch-Einführung Jacks, lernen wir borderline cringe Santa und Callum kennen, dann wird es gefühlig und schließlich geht es los. Als Red One Fahrt aufnimmt, tauchen wir in der Tat in ein eine bunte Mythenwelt ein, die mit so mancher Geschichte spielt.
Kreatives Arbeiten
Die Welt des Krampus ist recht cool (er hat auch den hipperen Schlitten) und irgendwo zwischen Game of Thrones, Harry Potter und, uhm, irgendwas anderem Fantastischen angesiedelt. Ebenso nett gemacht ist die unter einer Kuppel versteckte Nordpol-Welt Santas, in der Elfen, Eisbären und Felsenpinguine das Arbeiten der menschlich wirkenden Angestellten unterstützen. Gearbeitet wird an 364 Tagen im Jahr – der 26.12. ist frei. Elon Musk und Jeff Bezos fänden dort ideale Arbeitsbedingungen vor.
Apropos Arbeitsbedingungen: Ob diese am Set so famos gewesen sind, darf bezweifelt werden. So wurde berichtet, dass die Dreharbeiten für Red One immer wieder für längere Zeit unterbrochen wurden, da Dwayne Johnson, der 50 Millionen US-Dollar Gage erhielt, andere Verpflichtungen hatte. Okay, das passiert. Allerdings soll er an manchen Drehtagen sieben bis acht Stunden zu spät und an anderen gar nicht am Set aufgetaucht sein, weswegen der Dreh sich arg verzögert haben und um 50 Millionen Dollar teurer geworden sein soll (was Produzent und Johnson-Buddy Hiram Garcia und Amazon bestreiten)…
Kosmische Kosten
…das erklärt auch das solide Budget von 250 Millionen Dollar, das, sorry, dem von Warner Bros. Pictures vertriebenen Film so nicht anzusehen ist. So sehr ich beispielsweise die Rentiere gern fabel- und zauberhaft gefunden hätte, zu unecht sehen sie aus. Ähnlich verhält es sich mit manchem Greenscreen-Moment. Wenn ich erkenne, wie der Zauberer das Schloss manipuliert, ist es eben nicht mehr ver- oder bezaubernd.
Red One ist eine zweischneidige Geschichte. Häufig unterhaltsam, aber zu deppert geschrieben, um überzeugend zu sein. Da hilft ein guter, sichtlich unterforderter Cast auch nicht weiter. Manch witziger und gar leicht gruseliger Moment, wie ein auf der Straße stehendes Geisterpiano, das Tschaikowskys „Tanz der Zuckerfee“ klimpert, wird von direkt folgenden Kitsch-Klischees konterkariert. Die Mischung aus mystisch-fantastischer und heiler Welt will nicht recht funktionieren.
Kein Kino?
Das ist schade. Sind doch wirklich gute, kreative Ansätze vorhanden. Sei es die erwähnte Verknüpfung diverser Mythen, die prügelnden Schneemänner oder Cyber-Trolle, die hier mal Sinnvolles schaffen. Doch scheitert Red One am konsequenten Worldbuilding, bleibt optisch hinter den Erwartungen zurück und liefert Witze, die zur Hälfte noch vor dem Rohr krepieren.
Insofern: Schauen, warum nicht. Aber im Kino? Womöglich auf eine Home-/Streaming-Auswertung via Amazon warten. Da, wie t-online berichtet, Red One das Kino-Auswertungsfenster, also jenen Zeitraum, im dem Filme exklusiv im Kino gezeigt werden, massiv unterschreite, darf gemutmaßt werden, dass der Werbefilm (diverse Mattel-Marken bekommt ihr danach nicht aus dem Kopf) noch vor Weihnachten bei Amazon zum Stream und gegebenenfalls als DVD aufploppen dürfte.
AS
PS: Ein Teil soll in Deutschland spielen – somit ist auch deutsche Filmförderung beteiligt. Ob das im Lichte aktueller Kürzungsdebatten und -vorhaben, wie auch immer stärker kämpfender junger Kreativer und Filmschaffender eine gute Sache ist, mag jede*r für sich abwägen. Jobs wird’s immerhin gebracht haben.
PPS: An diesem Donnerstag, 7. November 2024, startet übrigens ein Haufen Filme. Etwa Eileen Byrnes Verfilmung von Jasmin Schreibers Marianengraben; der schockierende Psycho-Horror Red Rooms; der zweite Mascarpone-Fiilm The Rainbow Cake sowie das Thomas-Mann-Docutainment-Kunstprojekt Bekenntnisse des Hochstaplers Thomas Mann (die Rezension lest ihr in Kürze). In der Queerfilmnacht ist im November Elliot Pages Kino-Comeback Close to You zu sehen.
Red One; USA 2024; Regie: Jake Kasdan; Drehbuch: Chris Morgan; Bildgestaltung: Daniel Minel; Musik; Henry Jackman; Darsteller*innen: Dwayne Johnson, Chris Evans, Lucy Liu, J. K. Simmons, Bonnie Hunt, Kiernan Shipka, Kristofer Hivju, Nick Kroll, Mary Elizabeth Ellis, u. v. a.; Laufzeit ca.: 125 Minuten; FSK: 12; Eine Produktion von Seven Bucks Productions, Chris Morgan Productions und The Detective Agency; ab dem 7. November 2024 im Kino und IMAX-Theatern
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