Während der Papst in Asien weilt und dort seiner Aufgabe als Pontifex, übersetzt Brückenbauer, nachgeht, reißen wir in Deutschland zuletzt eher Brücken ein. Friedrich Merz verlässt die Sondierungsgespräche mit der Ampelregierung zur Migrationspolitik und der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai läuft ihm so halb hinterher. In der Generaldebatte am Mittwoch tat er kund, dass seine Partei der Union näherstünde als den Partnern der eigenen Koalition. Das lässt aufhorchen.
Eine andere Brücke hat zuletzt Deutschland und vor allem Dresden bewegt – oder sich vielmehr selbst bewegt und zwar in die Elbe. Die zentral gelegene Carolabrücke ist eingestürzt und nur durch Zufall scheint niemand dabei verletzt geworden zu sein. Der Schreck sitzt zwar einigermaßen tief in der sächsischen Landeshauptstadt, aber scheinbar lecken sich die meisten dort noch eher die Wunden über das Wahlergebnis von vor zwei Wochen.
Tausende tickende Zeitbomben
Am wohl erstaunlichsten ist allerdings die Reaktion des Bundesverkehrsministers, FDP-Mann und früherer Generalsekretär Volker Wissing. Er oder vielmehr sein Haus gaben zu dem Einsturz in Dresden lapidar zu Protokoll, dass es sich ja um eine kommunale Brücke handele. Das mag faktisch richtig sein, aber solch ein Vorkommnis sollte doch geradezu eine Steilvorlage für einen Politiker sein.
Was ist denn, wenn nächste Woche oder nächsten Monat eine Brücke in der Verantwortung des Bundes zusammenbricht – dann vielleicht sogar mit Opfern? Dann werden sich Wissing und sein Haus nicht aus der Affäre reden können. In gefühlt unzähligen Polit-Dokus und -Magazinen wird seit Jahren darauf verwiesen, dass wir mit unseren Brücken auf einer tickenden Zeitbombe sitzen und viele in den kommenden Jahren sanierungsbedürftig werden dürften oder es bereits sind.
Zieh die Gummistiefel an…
Im Moment läuft die Haushaltswoche im Bundestag und wie schwer es für die Koalition war, ein zumindest einigermaßen plausibel klingendes Budget zusammenzustellen – trotz aller darin enthaltenen Luftbuchungen – mussten wir vor und während der Sommerpause kläglich erfahren. Gerade jetzt wäre aber der Moment, in dem Wissing sich ähnlich wie Gerhard Schröder die Gummistiefel anziehen, nach Dresden fahren, sich diese kommunale Brücke ansehen und mehr Geld für die Sanierung der Brücken fordern müsste.
Stattdessen – so die Vermutung – hält er still, denn die ohne Zweifel bedeutende Schuldenbremse darf nicht in Frage gestellt werden. Der Punkt ist auch nicht von der Hand zu weisen. Aber als Minister sollte Wissing vor allem seinem Land und seinem Haus verpflichtet sein und nicht der Parteidisziplin. Ein früherer FDP-Generalsekretär kam lange nicht in der Regierungsverantwortung an und verharrte zu lange auf Parteipositionen. Sein Name: Guido Westerwelle. Das Ergebnis war, dass seine Partei nach vier Jahren Regierung aus dem Parlament flog.
Selbst Andi Scheuer…
Wenn wir uns zuletzt zurecht beklagen, dass die Populisten zu viele Stimmen bekommen, dann hat das viel damit zu tun, dass die Leute sich mit ihren Problemen vor Ort nicht ernstgenommen fühlen. Vermutlich hegen eher weniger Menschen die Sorge, dass die Brücke, die sie jeden Tag befahren, einstürzen könnte. Aber dennoch wäre es ein Zeichen, das auch bei „den kleinen Leuten“ ankäme: Wir kümmern uns um eure Brücken und die Infrastruktur vor Ort. Wichtiger vermutlich als die meisten Migrationsdebatten, die wir zuletzt führen mussten.
Als Wissing Verkehrsminister wurde, wurde ihm durchaus Sachkenntnis aus seiner früheren Funktion im selben Amt in Rheinland-Pfalz attestiert. Aber diese Chance nicht zu erkennen, zeugt nicht unbedingt von Sachkenntnis oder politischem Instinkt. Vermutlich hätte jeder der viel gescholtenen CSU-Vorgänger Wissings diese Chance erkannt und eine Summe X für die Sanierung von Brücken (vornehmlich in Bayern) gefordert. Und sogar das mit dem Papst haben die Bayern auch bereits vor 20 Jahren hingebracht…
HMS
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