Lachen und lernen nach Maß

Früher nahm ich in meiner kindlichen Unbedarftheit und aufgrund weniger Durchreiseerfahrungen an, dass die Bayern allesamt ein wenig schräg seien. Immer noch früher, aber etwas später und nach etwas ausführlicheren Besuchserfahrungen nahm ich in meiner jugendlichen Generation-Y-Arroganz an, dass die Bayern allesamt ziemlich verschroben seien. Heutzutage, wo die jugendliche Arroganz einer Ich-hab-inzwischen-auch-das-durchschnittliche-Heiratsalter-erreicht-Arroganz gewichen und mein Freund ein echter Bajuware ist, bin ich ganz sicher, dass die Bayern etwas gspinnert sind.

Die in Niederbayern geborene und inzwischen im fränkischen Bamberg lebende Autorin Nadine Luck hat mit ihrem Buch Fettnäpfchenführer Bayern – Die Maß aller Dinge nicht ganz unwesentlich dazu beigetragen, mich, den Preißn, in meiner Sichtweise zu bestätigen. Allerdings auf liebevollste und charmanteste Art und Weise. Ihr in 28 Kapitel oder vielmehr Fettnäpfchen-Umgeher-Handlungsanweisungen gegliedertes Buch beschreibt anhand der Erfahrungen des völlig (?) fiktionalen Pärchens Magdalena und Jochen, welche Fettnäpfchen es in Bayern, also ganz Bayern, inklusive Bayerisch-Schwaben, so gibt und wie sie vermieden werden können. Dass der aus Wuppertal stammende Jochen keines auslässt als er seine bayerische Freundin Magdalena besucht, ist natürlich völlig klar. Ich meine, der Junge kommt aus Wuppertal. Wo würde der niemals nie nicht ein Fettnäpfchen auslassen? 

„Obacht, neidabbd!“

Zu Beginn eines jeden Abschnitts erleben wir eine Alltagsgeschichte mit Magdalena und Jochen, während dieser er eben mindestens ein Fettnäpfchen mitnimmt und sie ihn meist etwas genervt zurückpfeift. Da fällt übrigens auf, dass sie recht wenig Verständnis für ihren erstmalig Bayern besuchenden Partner hat und überhaupt recht schnell ungehalten wird, andererseits hat Jochen es wohl noch nicht einmal auf der Zugfahrt Wuppertal-München geschafft, das Wort Bayern zu ecosiern und scheint generell ein wenig ignorant. Letztlich ist das aber die Ausgangsbasis, um eben diese Fettnäpfchen durchaus unterhaltsam präsentieren zu können.

Nach dem gepflegten Tritt in ebendieses folgt jeweils der „Obacht, neidabbd!“-Teil, neidabbd bedeutet ins Fettnäpfchen getreten, in welchem Nadine Luck nachvollziehbar und faktenreich erklärt, was falsch lief, wie es richtig gewesen wäre und in den meisten Abschnitten gibt es dazu noch zusätzliche Infos. Teils in der Fettnäpfchen-Erläuterung, häufig aber auch in eingeschobenen grauen Kästchen. So lernen wir geneigte Leser.innen quasi spielerisch einiges über die Geografie Bayerns (Ober- und Niederbayern sind ja ganz woanders…), über die bayerische Geschichte im Allgemeinen (beispielsweise über die historische Bedeutung des Alten Rathauses von Regensburg), die Geschichte der Wiesn und dem korrekten Tragen von Tracht und Dirndl im Besonderen und natürlich vieles über die regionalen Unterschiede von Speis und Trank. Natürlich darf auch die katholische Kirche (Kruzifix und 31 Euro im Nebenzimmer) nicht unerwähnt bleiben, wie auch die protestantisch geprägte Nürnberger Gegend, wo es nicht nur den NSDAP-Reichsparteitag gab.

Bamberg, der Wohnort der Autorin, kommt auch nicht zu kurz. In diesem Abschnitt erfahren wir einiges durch den Kumpel Jochens, Gunnar, der sich im Gegensatz zu ihm auf seinen Bayernaufenthalt vorbereitet hat. Guter Mann. Wir erfahren Spannendes über Passau und welche Rolle die Dreiflüssestadt fürs bayerische und gesamtdeutsche Kabarett (oder wie Roman Deininger es nennt: „die außerparlamentarische Opposition Bayerns“) spielt. Und was wäre ein solcher Reiseführer ohne Geschichten über den Wolpertinger, den Grantler, das Weißwurstzuzeln und, logisch, die eine oder andere Lehre zur CSU (Amigo-Affäre), dem Verhältnis der Bayern zu ihr und warum die PKW-Maut eigentlich nicht so wild sei. Wobei bei letzterem Punkt auch nur eine Sichtweise der Bayern präsentiert wird, ich habe da durchaus auch ganz andere Positionen vernommen. Besonders interessant und schön, ganz subjektiv betrachtet, sind die letzten zwei Kapitel zum Chiemsee, Ludwig II. und seinem Herrenchiemsee und dem Bezug, den viele Bayern nach wie vor zu „ihrem“ Kini und seinen, touristisch – und somit ökonomisch – wertvollen, Prachtbauten haben. 

Gamsiger Gaudi auf dem Heisl

Ergänzt wird der Reiseknigge um einen Anhang von jeweils zehn Dingen, die man in Bayern unbedingt tun und welche man unbedingt lassen sollte, diese Liste liegt dem Buch auch in verkürzter Form als Lesezeichen bei. Zusätzlich findet sich ein Glossar mit den wichtigsten bayerischen (auch wird erläutert, was es mit bayerisch und bairisch auf sich hat) Begriffen wie: Dusl (dank meines Freundes kannte ich das Wort durch das Auf dem Nockherberg-Singspiel von 2019 Das kleine Glück), gamsig, Noagerlzuzla oder Suri

Nadine Luck deckt also in ihrem absolut empfehlenswerten Buch geografisch und inhaltlich tatsächlich ganz Bayern ab, samt diverser möglicher Befindlichkeiten. Sie erlaubt uns viele Einblicke in die sehr verschiedenen, äußerst individuellen Ecken dieses sehr eigenen Bundeslandes. Das ganze ist dabei noch so unglaublich unterhaltsam und kurzweilig aufbereitet, dass man es als (Sau-)Preiß nicht nur locker auf der Zugfahrt von Berlin nach Regensburg zu lesen schafft, sondern beinahe nicht merkt, dass man noch richtig was lernt. Obendrein, quasi als Schmankerl, gibt es noch ein Rezept für Kaiserschmarrn. Den bereitet ihr aber am besten nicht in der Bahn zu.

AS

Eine Leseprobe findet ihr hier

Luck, Nadine: Fettnäpfchenführer Bayern – Die Mass aller Dinge; 1. Auflage, Mai 2019; Flexcover, gebunden, 256 Seiten; ISBN: 978-3-95889-203-3; Conbook Verlag; 12,95 €

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Comments

  1. Jetzt verdrück ich glatt ein Tränchen. So eine herrliche Rezension! Dafür ein euphorisches „Bassd Scho“ aus Bamberg! Ich freu mich riesig! <3

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