Als eines düsteren Morgens bei einer Routine-Verkehrskontrolle auf einer Landstraße ein Polizist angeschossen und einer erschossen wird, ergreifen die zwei jungen Polizistinnen Leila Demiray (Aybi Era) und Anna Stade (Paula Kroh) die Flucht, statt sich an die Fersen des hektischen Schützen Marek Krug (Max Mauff) zu heften. Immerhin vernimmt Leonie Winkler (Cornelia Gröschel), die ganz in der Nähe ist, den Funkspruch und eilt zum Tatort.
Hier stellt sich schnell dreierlei raus: Die niedergeschossenen Beamten gehören zu der Wache, auf der auch Leonies Bruder Martin (Markus Riepenhausen) Dienst tat, bis er im Einsatz unter eher ungeklärten Umständen erschossen wurde. Dass der Revierleiter Jens Riebold (wie so oft mit potentieller Bösewicht-Attitüde: Andreas Lust) führend an der Fahndung nach dem Schützen beteiligt ist, beunruhigt Winkler. Dies nicht zuletzt, weil sie eben jenen Marek Krug am Morgen treffen wollte – er habe Informationen zum Tod ihres Bruders…
Nur Ärger – intern wie extern
…damit ist schon einmal klar, dass Leonie Winkler eigentlich gar nicht unbedingt ermitteln sollte. Dessen ist sich natürlich auch ihre Kollegin Karin Gorniak (Karin Hanczewski) bewusst. Und doch hält sie ihr zunächst einmal den Rücken frei und möglichst viele Informationen vom Chef Kriminalhauptkommissar Peter Schnabel (Martin Brambach) fern. Der ist ohnehin damit befasst Schnabel zu sein und durch die Gegend zu brüllen. „Schreien Sie noch etwas lauter, vielleicht hört er sie dann“, merkt Gorniak hier nur süffisant entspannt an.
Entspannt allerdings ist dieser Tatort: Unter Feuer in keinem Fall. Es stellt sich heraus, dass es interne Ermittlungen gegen die Wache Riebolds gab oder noch gibt und einige der dort stationierten Polizisten gemeinsam mit Krug Einbrüche verübt haben sollen. Dies immer ohne Spuren zu hinterlassen, bis es beim letzten Bruch eine Tote gegeben hat.
Und als sei das alles noch nicht genug, sollen Drogen ebenfalls eine Rolle gespielt haben. Leonie fragt sich nun natürlich: Musste ihr geliebter Bruder sterben, weil er etwas wusste? Schlimmstenfalls verstrickt war? Der Verdacht erhärtet sich, als sie auf ein kleines Beutelchen Kokain stößt. All dies will ihr abweisend-garstiger Arschloch-Vater Otto (auch in dieser Rolle ein Vergnügen: Uwe Preuss) natürlich nicht hören.
Grau in Grau
Der nach Rettung so nah und Das kalte Haus dritte vom Heidelberger Christoph Busche geschriebene Tatort aus Dresden läuft nicht als klassicher Whodunnit–Krimi ab. Es stehen eher die Fragen im Raum, wer das Katz-und-Maus-Spiel gewinnt und wie weit Loyalität gehen kann und darf. Riebold schützt seine Leute – scheinbar um jeden Preis. Gorniak stellt sich so lange vor Winkler, bis eine Eskalation unausweichlich scheint.
Und ob nur die aufrichtig ermittelnden Polizist*innen die Katze sind und Krug die einzige Maus ist, scheint schnell unsicher zu sein. Unter Feuer bewegt sich, passend zum Regenwetter und der in einer maroden Kirche untergebrachten Wache, viel in Grauzonen und lotet so manche Grenze aus. Vor allem Leonie, die erneut im Fokus eines Falls steht, in dem Gorniak zwar eine wesentliche aber doch oft abwesende Rolle spielt, durchbricht hier manche Wand und knallt manch eine Wahrheit auf den Tisch.
Der Anfang vom Ende
Dabei verstrickt sie auch den Staatsanwalt Jakob Klasen (Timur Isik) in den Fall. Und wie es scheint auch mehr und mehr in ihr Privatleben. Da schauen wir doch gespannt drauf. Überhaupt scheint der Fokus auf Gröschels Winkler mehr und mehr vom 2025 anstehenden Abschied von Hanczewskis Gorniak zu zeugen. Wir vermuten gar, dass wir eine mögliche neue Kollegin bereits in diesem von Jano Ben Chaabane melancholisch rasend inszenierten Tatort kennengelernt haben könnten.
Unter Feuer bietet spannende bis hintergründige Unterhaltung, die Fragen nach den Grenzen von Loyalität und Vertrauen ebenso stellt, wie die Backstory Leonies weiter auszukleiden. Dabei endet der Film mit einem Entweder-Oder-Moment und entlässt keine Beteiligten aus deren Mitschuld. Das mag nicht ganz dem gemütlichen Ende gut, alles gut-Wunsch mancher Sonntagskrimi-Fans entsprechen. Den Zahn allerdings haben uns diverse Tatort-Macher*innen zuletzt ja schon häufiger gezogen.
AS
PS: „Und tatsächlich werden immer mehr Sakralbauten entwidmet und anderen Zwecken zugeführt, ich fand es interessant, das in diesem Film am Rande mitzuzählen.“ Christoph Busche auf die Frage, warum die Dienststelle in einer alten Kirche untergebracht ist. Finden wir gut!
PPS: Passend zu Halloween ist in der ARD-Mediathek erneut der sehr effektive und gruselige Dresden-Tatort: Parasomnia zu finden. Lohnt sich!
Das Erste zeigt Tatort: Unter Feuer am Sonntag, 3. November 2024, um 20:15 Uhr, auf one ist der Film um 21:45 Uhr zu sehen. Anschließend steht er für zwölf Monate zur Ansicht in der ARD-Mediathek bereit.
Tatort: Unter Feuer; Deutschland 2024; Regie: Jano Ben Chaabane; Buch: Christoph Busche; Bildgestaltung: Tobias von dem Borne; Musik: Tim Schwerdter, Roman Fleischer; Darsteller*innen: Karin Hanczewski, Cornelia Gröschel, Martin Brambach, Yassin Trabelsi, Timur Isik, Andreas Lust, Aybi Era, Paula Kroh, Uwe Preuss, Max Mauff, Dorothea Arnold, Jörn Hentschel, Alrik Kreemke, Andreas Grusinski, Markus Riepenhaus; Eine Produktion der MadeFor im Auftrag des MDR für die ARD.
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