Mehr als nur Hypothesen und Hypotenusen

Das Internet ist bekanntermaßen voll mit Müll, Fake News und sinnbefreitem Krams. In so manchem Forum fragt man sich: Wer zum Teufel will sowas wissen? Wer kommt auf solche Fragen? Umso erstaunlicher aber, wenn dann jemand auf die vermeintlich hanebüchensten Fragen noch versucht, seriöse und wissenschaftlich fundierte Antworten zu geben.

Randall Munroe, der Erfinder des Comics xkcd, tut genau das und hat ein Buch daraus gemacht. What if? Was wäre wenn? aus dem Penguin Verlag fasst einige seiner Antworten auf die vermeintlich abstrusesten Fragen zusammen und das gelingt ihm mit sehr ausgeprägtem Witz und einer gehörigen Portion Ironie.

Sinnvolle und nicht ganz überlebenswichtige Fragen

Mehr als 50 skurrile Fragen beantwortet der Physiker und frühere Robotertechniker der NASA. Darunter finden sich noch soweit nachvollziehbare Fragen wie: „Wie hoch kann ein Mensch werfen?“, „Wann (wenn überhaupt) wird Facebook mehr Profile von Toten als von Lebenden enthalten?“ oder vielleicht noch „Was wäre, wenn alle Menschen plötzlich irgendwie von der Erde verschwinden – wie lange würde es dann dauern, bis die letzte künstliche Lichtquelle erlischt?“

So weit, so normal. Aber daneben finden sich auch so überlebenswichtige Fragen wie: „Ist es möglich, sich mit nach unten feuernden Maschinengewehren einen Jetpack zu bauen?“, „Wie lange würde es dauern, bis zwei unsterbliche Personen, die sich auf einem erdähnlichen Planeten an den entgegengesetzten Enden befinden, einander finden?“ oder „Was würde geschehen, wenn man einen zu schlagen versucht, der mit 90 Prozent der Lichtgeschwindigkeit geworfen wurde?“

Man sieht direkt, die Bandbreite von What if? ist doch relativ groß. Und so ziemlich alle Fragen drehen sich um mathematische und naturwissenschaftliche Probleme, manche wahrscheinlicher, andere nicht so sehr.

Wissenschaftlich fundierte Antworten…

Wichtig und lobenswert ist hierbei vor allem die Herangehensweise des Autors. Mit seinem naturwissenschaftlichen Hintergrund ist es ihm möglich, einige der auf den ersten Blick mehr als skurril anmutenden Fragen fundiert und nachvollziehbar zu beantworten. Bei der Frage nach dem letzten Licht beispielsweise denkt man erst mal daran, wie lange eine herkömmliche Glühbirne oder – moderner – eine LED wohl so durchhält. Das ist allerdings gar nicht so sehr die Frage, sondern die ist vielmehr, wie lange ohne menschliche Wartung eine autonome Stromversorgung sichergestellt ist. Also wie lange beispielsweise Kohle- und Kernkraftwerke liefen oder Solarpanels genügend Leistung erbringen könnten.

Diese Herangehensweise ist einerseits überaus charmant, denn es zeigt, dass viele Probleme viel komplexer sind als sie auf den ersten Blick erscheinen mögen. Wie das übrigens in der Politik auch gerne so ist. Gleichzeitig durchdringt man als Leserin oder Leser eine Frage dadurch umso mehr und sieht, wie komplex wissenschaftlich fundierte Erläuterungen manchmal eben auch sein müssen.

Andererseits ist diese breite Auslegung einer Frage-Antwort-Konstellation auch eine Schwäche des Buchs. Ja, die Fragen werden sehr fundiert beantwortet, aber vor allem für naturwissenschaftlich nicht ganz so versierte Nerds kann schnell ein Punkt erreicht sein, an dem man die eine oder andere Erklärung gar nicht mehr so sehr nachvollzieht oder nachvollziehen kann. Hier kommt der Autor vom Hundertsten ins Tausendste und man interessiert sich vielleicht gar nicht mehr so sehr für die eigentlich doch recht spannende Erklärung. Das kann einem zumindest einen Teil des Leseerlebnisses ein wenig verderben.

…und ein bisschen Humor

Allerdings lässt sich What if? dennoch – anders als so manches wissenschaftliche Paper – sehr gut lesen. Der 1984 geborene Randall Munroe packt nämlich eine gehörige Portion Witz und Ironie in die Beantwortung seiner gesammelten Fragen und man freut sich eigentlich immer auf den nächsten kleinen Joke. Darüber hinaus verbindet er seine frühere naturwissenschaftliche Tätigkeit sehr gut mit seinem (zumindest zur Zeit der Zusammenstellung des Buchs) aktuellen Job als Zeichner des xkcdComics. Die vielen simplen Zeichnungen, die er seinen Erläuterungen beifügt, tragen erheblich zur Veranschaulichung der textlichen Erläuterungen wie auch zur lockeren Erheiterung der Leserinnen und Leser bei. Mit einer Länge von zwischen vier und zehn Seiten je Kapitel (wobei die Zeichnungen oft viel Platz einnehmen) eignet sich das Büchlein auch sehr gut zur kurzen Ablenkung und Erheiterung für zwischendurch.

What if? Was wäre wenn? ist also alles in allem ein lesenswertes Büchlein, das manche ernst und manche nicht ganz so ernst gemeinte Frage aufgreift und gleichsam humoristisch wie wissenschaftlich fundiert beantwortet. Trotz einiger kleiner Schwächen bietet es somit recht kurzweilige Unterhaltung für alle, die naturwissenschaftlich zumindest ein wenig interessiert sind. Ach ja, und mindestens das Kapitel zu der Frage, ob wir alle Grippeviren eliminieren könnten, wenn alle Menschen sich mit gleichmäßigem Abstand über die von Land bedeckte Erdoberfläche verteilen würden, hat in den letzten Jahren ja durchaus nicht an Aktualität verloren.

HMS

Hinweis: Für die Rezension wurde die 10. Auflage der Taschenbuchausgabe aus dem Jahr 2016 gelesen. Die zusätzlichen Kapitel der im November 2020 erschienen neuen Ausgabe sind somit nicht Teil der Besprechung.

Eine Leseprobe findet ihr hier.

Randall Munro: What if? Was wäre wenn?; Übersetzung aus dem Englischen von Ralf Pannowitsch; 1. Auflage 2020; 400 Seiten, durchgehend illustriert; Taschenbuch, Broschur; ISBN: 978-3-328-10690-6; Penguin Verlag; 12,00 €, auch als E-Book 9,99 €

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