So etwa Hape Kerkeling, dem wir am heutigen 9. Dezember 2024 allerherzlichst zum 60. Geburtstag gratulieren, in der ihn fein feiernden Dokumentation Hape Kerkeling – Total normal. Der Film wird heute Abend im Ersten gezeigt und ist bereits in der ARD-Mediathek verfügbar. Leider fügt der reflektierte Schauspieler, Moderator, Regisseur, Kabarettist, Sänger, Synchronsprecher, Bestsellerautor etc. pp an, dass er die für das Land eher weniger positiv sehe.
Damit schließt der Film von André Schäfer und Eric Friedler, ganz satirisch, mit einer vergleichsweise ernsthaften Note. Das allerdings ist etwas, das Kerkeling zeitlebens prägte, eine Art von Humor, die er flexibel gemeißelt und gemeistert hat: Witz ja, Blödelei auch, dafür aber gut und gern mit einem Unterton, der bei allen Lachern auch ein wenig Nachdenklichkeit befördert. Ob nun seine Sketche, Filme, Figuren wie Horst Schlämmer und Co.
Das richtige Dorf
In ihrer Dokumentation, in der neben Hape Kerkeling selber auch Anke Engelke, Günther Jauch, Angelika Milster, Rosa von Praunheim, Tahnee, Isabel Varell, Otto Waalkes, Julius Weckauf, Judy Winter oder Campino zu Wort kommen, setzen die Filmemacher auf einen heiter-feierlichen Ton, durchmixt mit der Ernsthaftigkeit des Lebens. Zu dieser kann Kerkeling, Kind des Ruhrgebiets, dessen Mutter sich früh das Leben nahm und den dann seine Oma und beste Freundin, wie er in seinem neuen Buch Gebt mir etwas Zeit schreibt, großzog, einiges sagen.
Wobei das ein wenig verkürzt ist. Immer wieder bedankt Hape Kerkeling sich im Film dafür, dass er es alles in allem gut getroffen hat, was Familie und Freundschaften angeht. Sein Leben ist somit der Beweis für die Aussage „It takes a village to raise a child“. Der kleine und dann erwachsen werdende Hape hatte hier ein gutes Dorf.
Vom Scharfrichter zu Königin Beatrix
Die Macher*innen begeben sich auf eine „filmische Reise in den beruflichen und persönlichen Kosmos von Hans-Peter Kerkeling, zu Freunden und Feinden – und zu den wichtigsten Stationen seines Lebens und seiner Karriere: vom Ruhrgebiet über Amsterdam bis zum Jakobsweg. Der Film ist auch eine unterhaltsame Tour durch die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, in der Hape Kerkeling wie kaum ein anderer Fernsehgeschichte geschrieben – und sich dabei immer wieder neu erfunden hat.“ So die beteiligten Sender sehr treffend.
Wir erfahren, wie Hape Kerkeling zum ersten „Scharfrichter“ in Passau kam, was ihn immer wieder ins erwähnte Amsterdam brachte (auch dazu eine solide Anekdote im Buch), wie es zum Königin-Beatrix-Sketch am Schloss Bellevue kam. Das ist schon interessant, allein zu erfahren, „was für eine enge Kiste“ das damals eigentlich war und wie kurz vor der Eskalation das stand (siehe auch PS). Dazu gibt es durchaus unterhaltsame Einlassungen seiner damaligen Redaktuerin. Dass ihn der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker anschließend aber zum Essen im Schloss einlud – könnten wir uns bei einem Frank-Walter Steinmeier weniger vorstellen, sein kolportierter Umgang mit dem kritischen Marko Martin vor kurzer Zeit spricht Bände.
Unfreiwilliges Outing und schwules Leben
Natürlich geht es auch immer wieder um die Homosexualität des „Hurz“-Komikers und wie verpönt diese im Grunde zu seinen Anfangsjahren noch war. Zwar war es, ähnlich wie bei Alfred Biolek, ein offenes Geheimnis in der Branche. Doch offen dürfte es eben vermeintlich nicht sein. Dass wir auch sehen, wie Rosa von Praunheim Hape Kerkeling und Co. dann beim RTL auf dem heißen Stuhl outete, gehört folgerichtig dazu.
Hier wird dann gemutmaßt, dass seine Karriere ja durchaus weiterging und so viel gegebenenfalls nicht verloren ging. Allein wissen wir ja nicht, ob das offen schwule Leben nicht letztlich auch Angebote verhinderte. Wer weiß, womöglich hätte sonst Hape Kerkeling und nicht Günther Jauch kürzlich 25 Jahre Wer wird Millionär? gefeiert. Die fabelhafte Judy Winter bringt es auf den Punkt, wenn sie sagt, dass Hape vielleicht nicht viel verloren, dass aber gewonnen nur Rosa von Praunheim habe.
Es ist ein menschliches Fest zu sehen, wie sich nicht nur viele der hier zu Wort kommenden über Kerkeling äußern, sondern auch, wie dieser durchaus genügsam zu sein scheint. Groll merken wir jedenfalls nicht. Am Ende sei sein (unfreiwilliges) Outing ja doch gut gewesen. Wat fijn! Der WDR, der damals eher sang- und klanglos das Beschäftigungsverhältnis beendete, hat heute, wie wir hören, auch eine andere Perspektive auf die Thematik.
„Mir fehlt das.“
Die 90 Minuten des Films vergehen im Grunde wie im Flug, bringen Freude, erlauben Einblicke in manche Absurditäten der TV-/Film- und Comedy-Branche. Am Ende geben wir vielen Beteiligten wie Jauch, der lesbischen Comedienne Tahnee oder auch Judy Winter recht, wenn sie sagen, Kerkelings Art von Humor fehle derzeit.
Dafür gibt es nun einen erinnernden und gratulierden Rundumschlag mit Doku, Podcast, Best-Of und natürlich Hape Kerkelings neuem im Piper Verlag erschienenen Buch Gebt mir etwas Zeit. Hier sehen wir im Film manch einen Moment, in dem Kerkeling das Buch als Hörbuch einliest, dann ein wenig elaboriert. Unsere Rezension zum Buch folgt in Kürze, wie auch zu einem seiner umstrittensten Filme.
AS
PS: „Zu Ihrem 60. Geburtstag würden wir Ihnen gerne mitteilen, dass wir dieses Hausverbot jetzt aufheben“, hören wir den Vorsitzenden der Bundespressekonferenz, ZDF-Journalist Mathis Feldhoff, im Podcast Hape Birthday – ein ›3nach9‹-Spezial zum 60. Geburtstag von Hape Kerkeling sagen. In der Tat, so war zuletzt zu lesen, war der Sketch mit der großen Frage „Wo bleibt die Mark?“ dafür verantwortlich. Hierfür drängte sich Kerkeling 1990 in eine Veranstaltung der Bundespressekonferenz, brachte seine Steuererklärung vom Finanzamt Recklinghausen mit und wunderte sich über fehlendes Gebäck auf der Veranstaltung. Der Sketch ist in Auszügen auch im Dokumentarfilm zu sehen.
Das Erste zeigt die Dokumentation Hape Kerkleing – Total normal an dessen 60. Geburtstag, den 9. Dezember 2024, um 20:15 Uhr. Im Anschluss an diese sendet Das Erste am Montag, 9. Dezember um 21:45 Uhr Caroline Links Verfilmung von Hape Kerkelings Autobiografie Der Junge muss an die frische Luft und zeigt nach den tagesthemen um 23:55 Uhr ein „Best of“ seiner Sketche.
Hape Kerkeling – Total normal; Deutschland 2024; Ein Film von André Schäfer und Eric Friedler; u. a. mit Hape Kerkeling, Campino, Anke Engelke, Günther Jauch, Angelika Milster, Rosa von Praunheim, Tahnee, Isabel Varell, Otto Waalkes, Julius Weckauf und Judy Winter; Laufzeit ca. 90 Minuten; Eine Produktion von Florianfilm GmbH für WDR (Federführung), NDR, SWR und RB; Redaktion: Christiane Hinz und Thomas Kamp (WDR), Marc Brasse (NDR), Thore Vollert (SWR) und Thomas von Boetticher (Radio Bremen).
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