Mehr als einmal musste ich während Mascarpone 2: The Rainbow Cake an den famos-grandiosen Slasher Scream 2 denken. Dort wird in einem Seminar darüber debattiert, ob zweite Teile denn besser sein könnten als die ersten oder per se immer qualitativ abfielen. Leideschaftlich diskutiert Film-Nerd Randy Meeks (Jamie Kennedy) mit seinen Kommiliton*innen darüber. Nicht wissen, dass einer der zwei Ghostface-Killer, die ihn bald abschlachten werden, Teil seines Kurses ist. Die gute Nachricht zuerst: In Mascarpone 2 stirbt, anders als im lecker liebevollen und durchaus erotischen ersten Teil, niemand. Weniger gute Nachricht: In der Tat langt die Fortsetzung nicht ganz an den ersten Teil heran.
Drei Jahre emotionale Verstopfung
Doch eins nach dem anderen. Zwar stirbt wie erwähnt in dieser bunten Semi-Romanze niemand, was nicht bedeutet, dass es keine Toten gäbe. Oder jedenfalls einen. Schwebt der tragische und plötzliche Tod Denis‘ (Eduardo Valdarnini) doch nicht nur in dessen Kimono, den Antonio (Giancarlo Commare) niemanden tragen lässt, durch den Film. Drei Jahre sind vergangen und Antonio hat sich, gemeinsam mit seiner früheren Mentorin Jamila (Marta Filippi), voll und ganz in die Arbeit gestürzt. Ist erfolgreicher influencender Konditor mit augenscheinlich eigenem Laden. Allerdings einer, der seit geraumer Zeit, seit seinem Mascarpone mit Twist, nichts Eigenes mehr kreiert hat, wie ihm die dezent garstige Food-Journalistin Gaia (Lidia Vitale) verdeutlicht.
So scheint es, als stecke Antonio irgendwie fest. Eine emotionale Verstopfung attestiert ihm seine beste Freundin und Buchhalterin Cristina (Michela Giraud), die wir in Mascarpone 2 glücklicherweise reichlich zu sehen bekommen. Sie ist neben moralischer Stütze vor allem ein wunderbarer Comic Relief in dem etwas ernster bis düsterer ausgestalteten Film. An dieser emotionalen Verstopfung jedenfalls vermag auch Antonios Affäre oder Liebelei mit dem seltsam schmierig-aufdringlichen Dario (Giulio Corso) nichts zu ändern.
Dann plötzlich steht nach drei Jahren Luca (Gianmarco Saurino) im Laden, verkündet, dass die Bäckerei seiner Familie schließen musste und bestellt bei Antonio den titelgebenden Rainbow Cake (der besser aussieht als jener Cynthia Barcomis, #sorrynotsorry). Voraussetzung: Antonio muss den Kuchen selber an die angegebene Adresse ausliefern…
Gebackenes Gossip Gay
Dabei allerdings liefert sich Antonio letztlich (erneut) Luca sowie seinen Gefühlen aus. Schnell steht die Frage im Raum, ob das Feuer das früher einmal zwischen ihnen loderte, wieder zu entfachen wäre. War es gar Liebe? Diese Frage ließ der erste Teil unbeantwortet (wir sagen nein). Doch scheint Luca seine Liebe in Tancredi (Andrea Fuorto, Patagonia) gefunden zu haben. Beide arbeiten als Sozialarbeiter/Erzieher in einem Jugendheim.
Dabei wird immer wieder angedeutet, dass Tanrcedi Luca „gefunden“ habe. Der in der Tat ruhiger und weniger Alpha-Männchen ist als im ersten Teil. Was damit gemeint ist und woher diese Veränderung kommen mag, wird im Laufe des Films in einer Schlüsselszene offenbart, die durchaus auf unsere Emotionen geht. Wie Mascarpone 2 uns generell ein ganzes Stück mitnimmt und -reißt, dies ganz ähnlich dem ersten Film. Zu begrüßen ist auch, dass die Storyline dieses Mal eine gänzlich andere ist. Antonio nimmt sich nämlich vor, Luca davon zu überzeugen, dass er der einzig Wahre für ihn sei. Das bedeutet natürlich, einen Keil zwischen diesen und Tancredi treiben zu müssen…
Schwieriger Wechsel
…dies betreibt Antonio mal mit mehr, mal mit weniger Herzblut, derweil sie gemeinsam an der Wieder- beziehungsweise Neueröffnung der Konditorei arbeiten. Name: „Da Denis“ in Erinnerung an ihren gemeinsamen Freund mit guten Extras. Dieser zweite Mascarpone-Teil wirkt oft wie ein Zwischenstück zu einem dritten Film. Wie die Verarbeitungsnummer, die nötig ist, um den nächsten Schritt im Leben zu gehen (das Ende eröffnet auch die Option einer weiteren Fortsetzung).
Das ist alles in allem charmant, wenn auch tonal sehr durchwachsen. Der Wechsel von Komödie zu Drama zu Sexyness will oft nicht so reibungslos gelingen, wie er das im Vorgänger tat. (Überhaupt ist der Sexy-Faktor hier arg reduziert, was bedauerlich ist. Wir vermissen die „wilden Techtelmechtel“. Immerhin gibt es eine Spiegelszene die an die erste Begnung Antonios und Lucas angelehnt ist.) Da hilft auch der ansehnlich, aufmüpfige weitere Neuzugang Ricky (Francesco Greghi) nichts, der als Gay-for-Pay-Guy und Problemkind zwar frischen Wind ins Ensemble bringt, letztlich aber vor allem dadurch in Erinnerung bleibt, dass sein Charakter eine allzu rasche Entwicklung durchmacht.
Klagen auf hohem Niveau
Generell ist die Entwicklung der von Giuseppe Paternò Raddusa, Gaia Marianna Musacchio und Regisseur Alessandro Guida (fort-)geschriebenen Figuren ein mittelgroßes Manko. Oder eher: Der Umgang mit den Intrigen Antonios. Wenn etwa Cristina sich über die Ergebnisse seines Handelns echauffiert, fragen wir uns schon, ob sie denn nicht auch von Anfang an an Bord war. Zumal sie ihn für Entwicklungen verantwortlich macht, die sich nicht durch sein Zutun ergeben haben, sondern aus der Unehrlichkeit Lucas gegenüber Tancredi geschahen. Außerdem ist Trauer eben ein Biest.
Größter Fauxpas ist jeodch das gefühlt ständige darüber Reden, ob ein zweiter Teil besser sei oder abfiele. Wie oben erwähnt, funktionierte der Gag, der dezent an der vierten Wand kratzt, in Scream 2 wunderbar (zumal er in einem Filmseminar stattfand). In das Drehbuch wirkt er hingegen unnötig reingepresst. Die Wiederholung macht’s nicht besser.
Das ist bedauerlich, denn trotz aller Schwere, die Mascarpone 2 – The Rainbow Cake innewohnt, hat dieser letztlich doch süße Film seine heiter-menschlichen und teilweise Laugh-Out-Loud-Momente. Das klingt womöglich alles eher ein wenig weniger gut, was wiederum täuscht. Zwar kann Mascarpone 2 den Zauber, die Magie, die Ironie und die sexy Chemie des ersten Teils nicht vollends aufleben lassen und wiederholen. Dessen unbenommen ist es ein guter Film (auch mit schöner Musik von Marta Venturini), der aber im Vergleich zum wirklich, wirklich grandiosen Vorgänger abflacht.
Als Stand-Alone wäre Mascarpone 2 – The Rainbow Cake, der im Verleih von Cinemien und Pro-Fun am kommenden Donnerstag im Kino startet, eine starke Nummer, nur funktioniert er ohne die Vorkenntnisse der Geschehnisse des ersten Films sicherlich eher weniger. Ein gemütlicher Kinoabend fürs Herz ist aber in jedem Fall drin.
JW
Mascarpone 2: The Rainbow Cake startet am 7. November 2024 im Kino.
Mascarpone 2: The Rainbow Cake; Italien 2024; Regie: Alessandro Guida, Nicola De Angelis; Drehbuch: Giuseppe Paternò Raddusa, Gaia Marianna Musacchio, Alessandro Guida; Bildgestaltung: Giuseppe Chessa; Musik: Marta Venturini; Darsteller*innen: Giancarlo Commare, Gianmarco Saurino, Michela Giraud, Andrea Fuorto, Claudio Colica, Francesco Gheghi, Lidia Vitale, Marta Filippi, Giulio Corso, u. v. a.; Laufzeit ca. 105 Minuten; FSK: 16; im Verleih von Cinemien und Pro-Fun Media; ab 7.11. im Kino
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