Regel 1. Angreifen. Angreifen. Angreifen.
Regel 2. Nichts zugeben. Alles leugnen.
Regel 3. Den Sieg für sich beanspruchen und niemals eine Niederlage zugeben.
Dies die einfachen Regeln des Anstands, äh, menschlichen Abstands und „Erfolgsgeheimnis“ eines gewissen Donald J. Trump. Vermutlich nachzulesen in „seinen“ Büchern. Eigentlich jedoch soll ihm diese der erfolreiche wie zwielichtige Anwalt Roy Cohn eingetrichtert haben. Diesen lernt Trump Anfang der 1970er-Jahre mit Ende zwanzig im New Yorker Edelrestaurant und Nachtclub „Le Club“ kennen.
Kennenleren und kennengelernt werden
Zu einer Zeit, als ihn selber noch nicht so viele kennen. Höchstens über seinen Vater, Fred Trump Sr., und dessen (wohl im Gegensatz zu vielen Unternehmungen des Sohnes nicht auf Sand gebautes) Immobilienimperium. Das steckte damals in einer großen Krise: Das Justizministerium hat eine Klage gegen sie wegen Diskriminierung von Schwarzen bei der Vermietung von Wohnungen eingereicht. Und da sieht es bislang gar nicht gut aus für das das Family Business.
Doch Roy Cohn, der hat schon schnell einen Plan. So weit, so bekannt (oder eben auch nicht), dies die Ausgangslage von The Apprentice – The Trump Story, der am heutigen Donnerstag in unseren Kinos startet. Wir lernen also einen von Sebastian Stan zumeist kongenial gespielten und maskierten Donald Trump kennen, der auf den von Succession-Star Jeremy Srong gewaltig zynischen und beinahe schon monströs verkörperten Roy Cohn trifft. Cohn war damals eine sehr große Nummer, vor allem unter konservativen US-Politikern, Bürger*innen usw. usf.
Agierte dieser doch längere Zeit und prägend für das Komitee für unamerikanische Umtriebe. Also alles, was so gegen Kommunisten und Sozialisten ging. Aber auch gegen zu laut werdende Minderheiten und in der McCarthy-Ära gezielt Jagd auf Homosexuelle machte (siehe dazu auch die Serie Fellow Travelers). Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie, denn Cohn selber war homosexuell – was ein allenfalls mittelgut gehütetes Geheimnis war.
Zwischenmenschliches Drama, aber kein Bio-Pic
Das Schwulsein des konservativen Masterminds, der nicht unwesentlich zum Aufstieg des Jungens mit dem goldenen Löffel im Mund beigetragen haben dürfte, wird in The Apprentice klar auch behandelt. Soll es doch Cohns nachgewiesene HIV-Erkrankug gewesen sein, die einen mittlerweile gewachsenen Trump dazu brachten, zum strauchelnden Cohn auf Abstand zu gehen.
Diesem zwischenmenschlichen Drama geben der iranisch–dänische Regisseur Ali Abbasi sowie Journalist und Drehbuchautor Gabriel Sherman ebensoviel Raum, wie dem Wachsen und Werden Trumps und der Zeit mit seiner ersten Ehefrau Ivana (Maria Bakalova). In kleinerem Format spielen auch Trumps Vater (dargestellt von Martin Donovan) sowie sein in Ugnade gefallener Sohn, Fred Trump Jr. (Charlie Carrick) – übrigens der Vater von Mary L. Trump, einer ausgepsrochenen Gegnerin ihres Onkels Donald – eine Rolle .
Der Film ist kein klassisches Bio-Pic, kein Anti-Trump-Fest (im Gegenteil, manches Mal können wir eine nachvollziehbare Verletzlichkeit sehen), keine trumpkritische Dokumentation. Eher beschreibt er ein System und eine politische wie gesellschaftliche Umgebung, in der Menschen wie Cohn aber vor allem auch Illusionisten wie der Golden Boy The Donald gedeihen können. Dass Trump den Film im Grunde verbieten lassen wollte sowie gegen einzelne Szenen (bisher erfolglos) gerichtlich vorging (wie etwa eine Vergewaltigung Ivanas), überrascht kaum. Ebenso nicht, dass etwa sein Sprecher Steven Cheung zum The Apprentice sagt: „Dieser Müll ist reine Fiktion.“
Kein Anti-Trump-Film
Und doch hat dieser „Fiktions-Müll“ einiges zu bieten. Neben erwähnten Top-Schauspielleistungen etwa einige großartige Einstellungen (Bildgestaltung: Kasper Tuxen) und sowie einprägsame Musik aus der Zeit und einen soliden Score von Martin Dirkov, David Holmes und Brian Irvine. Überhaupt könnte der in Ontario, Kanada, gedrehte Film (in den USA konnte nicht produziert werden) durchaus Anwärter für manch eine Golden Globe- und Oscar-Nominierung sein.
Es sei denn, mensch hat in der quasi anonymen Oscar-Academy eben so viel Sorge, sich die Finger zu verbrennen, wie eben die US-Produktionsfirmen; auch sei es sehr schwer gewesen einen Verleih in den USA zu finden… Land of the free aka der absoluten Meinungsfreiheit. Nur nicht, wenn es vielleicht an die eigene Brieftasche gehen könnte?!
Dazu sei erneut gesagt, es ist kein Anti-Trump-Film. Autor Gabriel Sherman erläuterte auch – mehrfach –, dass er schon vor über sieben Jahren an dem Fim zu schreiben begann und das Drehbuch abgeschlossen gewesen sei, bevor Trump 2020 seine Abwahl nicht anerkannte. Somit auch vor dem umstürzlerischen Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021. Ebenso bezieht er sich wie erwähnt auf vorliegende Informationen, wie sie etwa auch Maggie Haberman in ihrem eindrücklichen Buch Täuschung verwertet hat.
Wird dieser Film fired oder fired up?
Nun bleibt die spannende Frage, ob The Apprentice wohl Auswirkungen auf die US-Wahl am 5. November 2024 haben könnte…? Nun, in den USA ist der Film bereits am 11. September in den Kinos gestartet und hat Stand heute Einnahmen von 3,2 Millionen US-Dollar erzielt. Das ist bisher eher ein Flop. Jedenfalls „drüben“, wo vor allem das Startwochenende als Erfolgindikator gilt.
Das könnte m. M. n. zwei respektive drei Gründe haben: Zunächst einmal eben das Bild, das von republikanischer und konservativer Weise vermittelt wird: ein Hass-Trunp-Film, wie erwähnt. So werden dessen Wähler*innen, Anhänger*innen, (Erz-)Konservative den schon einmal nicht sehen. Dann doch lieber Clips auf dessen Propaganda-Plattform.
Ähnliches gilt für Anhänger*innen von Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris, dem aktuellen demokratischen Präsidenten Joe Biden (der ab heute Abend in Berlin weilt, weshalb hier Ausnahmezustand herrscht) sowie den „demokratischen Werten“. Da dürfte es vielen so gehen, dass sie sagen: „Ich sehe Trunp überall und den ganzen Tag – im Internet, in den News und Satiresendungen. Da löse ich jetzt nicht noch ein Kinoticket.“ Wäre nachvollziehbar.
Wir wählen The Apprentice
Zu guter Letzt bleibt die Frage, ob ein neugieriger Teil der Mitte sowie eventuell manch jüngere Zuschauer*innen und natürlich Fans der vorhergehenden Filme von Regisseur Abbasi sowie den Hauptdarsteller*innen Strong, Stan und Bakalova für einen Ausgleich sorgen könnten. Wie er sich auf dem internationalen Markt schlägt, bleibt abzuwarten, aber auch hier könnten Trump-Ermüdungserscheinungen eher für weniger Interesse sorgen. Dann doch lieber das Hagen-Epos (unsere Rezension folgt) oder ein Horror-Schinken.
Schade wäre es allemal, ist The Apprentice trotz ein wenig redundanter Länge zum Schluss doch ein sehenswertes Gesellschaftsbild mit erschreckend pointierten Dialogen, das nach einem allzu knalligen Beginn schnell die richtige Ton- und Bildsprache findet. Von uns gibt es eine Emfpehlung.
AS
PS: Ja, auch Roger Stone, Anthony Salerno, Andy Warhol, Ed Koch und Rupert Murdoch tauchen in The Apprentice auf. Wenn es hier auch schon manches Mal an Karikaturen grenzt (was, zugegeben, bei Stone zumindest nicht wundert).
The Apprentice startet am heutigen Donnerstag in unseren Kinos.
The Apprentice; 2024; Regie: Ali Abbasi; Buch: Gabriel Shermann; Bildgestaltung: Kasper Tuxen; Musik: Martin Dirkov, David Holmes, Brian Irvine; Darsteller*innen: Sebastian Stan, Jeremy Strong, Maria Bakalova, Martin Donovan, Catherine McNally, Charlie Carrick, Ben Sullivan, Mark Rendall, Joe Pingue, Ian D. Clark, Tom Barnett, Stuart Hughes; Laufzeit ca. 123 Minuten; FSK: 12; seit 17. September 2024 im Kino
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