Nutzt diese Propaganda, bevor die Gegenseite es macht!

Vor einer Woche fand die erschreckend unterhaltsame Präsidentschaftswahlkampfdebatte zwischen der demokratischen US-Vizepräsidentin Kamala Harris und dem republikanischen Ex-Präsidenten und verurteilten Straftäter Donald Trump statt. Dass der diktaturfreundliche Demagoge Trump sich seiner bekannten Propagandamethoden würde bedienen (wollen), stand wohl von Beginn an außer Frage. Dass das mit einer gut vorbereiteten Kamala Harris nicht unbedingt glanzvoll über die Bühne gehen würde, sicherlich auch, irgendwie. Sie gilt jedenfalls als Siegerin der Debatte – und Taylor Swift hat sie anschließend als Childless Cat Lady endorsed.

© 2024 Verlag Kettler & Yannik Schäfer

Was Donald J. Trump dennoch, logisch, nicht davon abhielt, es einfach mal zu machen. Beispielsweise zu behaupten, dass in die USA kommende Haitianer die Haustiere von Bürger*innen (Gendern der Redaktion, Anm. d. Red.) in Springfield, Ohio essen würden. Sure, why not, DJT?!? Nun scheint es, dass die Propagandalügen des Kandidaten und vormals laut Spike Lee President Orange, mittlerweile weniger gut verfangen, als noch vor einigen Monaten respektive Jahren. Wenn er etwa erzählt, dass Jungs morgens in die Schule gehen, dann „umoperiert“ würden und am Ende des Tages als Mädchen zurückkämen. Trans*Träumchen!?!

Wer nicht fragt, bleibt stumm

Eventuell sollte er sich einmal dem von Yannick Schäfer im Rahmen seiner Bachelorarbeit im Studiengang Mediendesign an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Ravensburg, konzipierten, geschriebenen und (duh) gestalteten sowie von ihm herausgegebenen und im Verlag Kettler veröffentlichten, aktuell für den Mia Seeger Preis 2024 nominierten Band Propaganda nutzen! widmen. (Puuuhhh!) Aber wir wissen ja alle, dass Trump nur in seiner geliebten, falsch herum hoch gehaltenen Bibel liest.

© 2024 Verlag Kettler & Yannik Schäfer

Der so kreative wie mit nicht einmal siebzig Seiten knappe und – Überraschung – köstlich gestaltete Band stellt in der ersten Klappe die „Fragen vor der Propaganda“, die sich Schäfer natürlich nicht aus den Finger gezogen hat. Nein diese sind, ähnlich wie die in den fünf folgenden Kapiteln, halbironisch aufgeladenen Themen, quellenbasiert. Und dies nicht von Russia Today, #sorrynotsorry. So lassen sich die von ihm genutzten Informationen ebenso wie die reichlich vorhandenen Bilder wunderbar nachvollziehen und finden.

Ein Ring der Schlagworte sie zu vereinnahmen

Auf diese neun Fragen, etwa „Welche Symbole sollen wir nutzen?“ oder „An welches Publikum sollen wir die Propaganda richten?“, folgt eine kurze und allgemeingültige Definition des Begriffs „Propaganda“. In den folgenden Kapiteln geht es nun um das handfeste „Untermauern unserer Positionen“, das erfinderische „Abwerten unserer Gegenseite“, das notwendige „Spalten der Gesellschaft“, das formvollendete „Biegen von Meinungen“ und zu guter Letzt das unabwendbare „Ablenken von Problemen“.

© 2024 Verlag Kettler & Yannik Schäfer

Innerhalb der jeweiligen Kapitel werden mensch anhand diverser Schlagworte wie „Vergötterung“, „Symbolik“, „Verlockende Verallgemeinerung“, „Typisieren“, „Scheinargumente“, „Falsche Ursachen“, „Ursache ≠ Wirkung“, „Mitläufer“, „Ignorieren und Verzögern“ oder „Sündenbock“ die wichtigsten Werkzeuge an die Hand gegeben, um schließlich vernünftig Propaganda nutzen! nutzen zu können. Dies alles am Beispiel einer fiktiven Bürgermeisterwahl – es bleibt also greifbar.

© 2024 Verlag Kettler & Yannik Schäfer

Weiters enthält jedes Kapitel mindestens ein prominentes Beispiel, das wenigstens eine dieser Techniken perfekt anzuwenden versteht. Ob die französische Ikone Marine Le Pen, Orange-Fan Trump, Profi-Autokrat und Diktator in Ausbildung Viktor Orbán, Brexit-Held und Frisurmodell Boris Johnson, Anstands-Nazi Bernd, äh, Björn Höcke oder das Nun-Mitglied der niederländischen Regierung Geert Wilders – bis auf den österreichischen Hoffentlich-Bald-Gottkanzler Herbert Kickl, treffen wir auf das Who Is Who der Propaganda. Wow!

Propaganda will verdient sein

Wer es nun bei allem Wunsch, Propaganda gut zu nutzen, nicht sonderlich mag, Bücher zu nutzen (die Zeit!), auch jenen weiß Yannik Schäfer Hilfestellungen an die Hand zu geben. Im Buch finden sich diverse Runenmuster, die nicht nur irgendwie an den Großen Gatsby erinnern, sondern auch eine echte, tatsächliche Funktion erfüllen. (Im Gegensatz zu den meisten Menschen in genannter, hervorragender Geschichte F. Scott Fitzgeralds – dazu in den kommenden Tagen schmuckhaft mehr.)

© 2024 Verlag Kettler & Yannik Schäfer

Auf der Homepage zum Buch finden geneigte Propagandist*innen (hihi) nämlich einen Scanner, mit dem sich diese Muster halt scannen lassen. So kommen wir zu einem digitalen Coaching, zu dem hier allerdings nicht zu viel gesagt werden soll. Wer Propaganda nutzen! will, muss sich dieses Coaching eben verdienen aka käuflich erwerben. Was wir dringend nahelegen. Wer es nicht tut, wird versagen und muss am Ende eben doch Die Grünen wählen. Oder Saskia Esken lauschen. Tja.

Propaganda attraktiv und aktuell

Im Übrigen geht der Rezensent davon aus, dass zumindest der CSU-Vorsitzende Markus Söder das Buch bereits sein Eigen nennt. Womöglich auch der CDU-Vorsitzenden und (designierter) Kanzlerkandidat der Unionsparteien Friedrich Merz. Die kurzfristig einberufene gestrige Pressekonferenz (die keine war, da Fragen nicht zugelassen waren) aka Statementabgabe der beiden Über-Alphas war voller deutlicher Indikatoren.

© 2024 Verlag Kettler & Yannik Schäfer

Wenn Markus Söder mit neuem „Ich-Kann-Kanzler-“Look etwa verkündet, dass der Termin länger geplant und viel besprochen worden wäre, ist das eine Kombination aus Biegen und Ablenken. Wenn beide sich einig sind, dass Deutschland wieder in Ordnung gebracht und der Ampel-Schaden repariert werden müsse, ist dies ein deutliches Abwerten der Gegenseite. Wenn fortwährend von einem geeinten „Wir“ gesprochen wird, soll dies Positionen untermauern sowie verallgemeinern und „uns“, die Volks-Schäfchen, einfangen… uhm, einladen. Schaut’s euch an – die wenigen Minuten sind genutzte Propaganda in a nutshell.

© 2024 Verlag Kettler & Yannik Schäfer

Ganz so wie das attraktive, anziehende und absolut nicht ausgleichende Buch Propaganda nutzen! von Yannik Schäfer, der uns damit in vielerlei Hinsicht ein feines Geschenklein gemacht hat, das nicht unterschätzt werden sollte. Auch dies in mehrerlei Hinsicht. Also ganz im Sinne des Schlussabschnitts des Buches: Geht bitte mit den euch zur Verfügung stehenden Werkzeugen sorgsam um.

„Oder eben auch nicht.“

AS

PS: Noch eine eher allgemeine, aber wie wir meinen wichtige, Info zum Verlag Kettler: Mitte August veranstaltete dieser unter dem Motto: „So viele Bücher wie getragen werden können und alle auf Spendenbasis“ einen Bücherflohmarkt. Der diente dazu den Leser*innen eine Freude zu bereiten sowie dem Verlag den Umzug erleichtern und vor allem die überaus wertvolle Arbeit von Verlage gegen Rechts unterstützen. „Stolze 550 € dürfen wir nun an das Aktionsbündnis weitergeben. Herzlichen Dank für eure Großzügigkeit, das zahlreiche Erscheinen und den schönen Nachmittag mit warmen Temperaturen und kühlen Limos“, schrieb der Verlag dazu. Schön, tolle Sache und wir freuen uns über den Erfolg!

PPS: Am 17. Oktober startet der Film The Apprentice – The Trump Story in unseren Kinos. Sebastian Stan spielt darin den jungen Donald Trump, Jeremy Strong den verkappt schwulen Anwalt und Mentor Trumps Roy Cohn und Maria Bakalova Trumps erste Ehefrau Ivanka Trump. Unsere Rezension lest ihr pünktlich zum Kinostart! Und falls ihr euch das jetzt fragen solltet – ja, The Real Donald Trump hat bereits angekündigt gegen den Film bzw. einzelne Szenen zu klagen. Duh. #FunFact: Der erste Trailer wurde kurz vor der Trump-Harris-Debatte vergangene Woche veröffentlicht kicher.

© 2024 Verlag Kettler & Yannik Schäfer

Yannik Schäfer: Propaganda nutzen!; Februar 2024; 68 Seiten; Softcover; Format: 9.6 × 14.8 cm; Gedruckt auf Munken Print Cream 15 IGEPA, Circleoffset White aus 100 % Altpapier, ISBN: 978-3-98741-101-4; 15,00 €

Unser Schaffen für the little queer review macht neben viel Freude auch viel Arbeit. Und es kostet uns wortwörtlich Geld, denn weder Hosting noch ein Großteil der Bildnutzung oder dieses neuländische Internet sind für umme. Von unserer Arbeitszeit ganz zu schweigen. Wenn ihr uns also neben Ideen und Feedback gern noch anderweitig unterstützen möchtet, dann könnt ihr das hier via Paypal, via hier via Ko-Fi oder durch ein Steady-Abo tun – oder ihr schaut in unseren Shop. Vielen Dank!

About the author

Comments

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert