Offener Brief an Israel und Ägypten: Deutsche Medien fordern ungehinderten Zugang zum Gazastreifen 

Beitragsbild: Eine Karte zum Gaza-Konflikt; Von Mor – Diese Datei wurde von diesen Werken abgeleitet: Is-wb-gs-gh v3.pngCia-is-map2.gif, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=76626205

In einem Offenen Brief haben überregionale deutsche Medien quasi fast pünktlich zu dem Datum, an dem sich der terroristische Angriff der Hamas auf Israel und seine Bevölkerung zum ersten Mal jährt, die Regierungen von Israel und Ägypten dazu aufgefordert, Journalist*innen ungehinderten Zugang zum Gazastreifen zu gewähren. „Der fast absolute Ausschluss internationaler Medien bei einer Krise dieser enormen weltweiten Tragweite ist in der jüngeren Geschichte beispiellos“, heißt es in dem Appell von Chefredakteur*innen, Intendant*innen und dem ARD-Vorsitzenden.

Wer unabhängige Berichterstattung über diesen Krieg unmöglich macht, beschädigt die eigene Glaubwürdigkeit. Wer uns verbietet, im Gazastreifen zu arbeiten, schafft die Voraussetzungen, dass Menschenrechte verletzt werden.“ Die Medien hätten „in der Bewertung und Analyse unterschiedlicher internationaler Krisen jahrzehntelange Erfahrungen“ und seien keine Konfliktpartei. Die Redaktionen wüssten um das Risiko einer Berichterstattung vor Ort, seien aber bereit, es zu tragen.  

Der Appell richtet sich an den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und den ägyptischen Präsidenten Abd al-Fattah as-Sisi. Zu den Unterzeichner*innen zählen unter anderem die Chefredaktionen von DIE ZEIT, DER SPIEGEL, Süddeutsche Zeitung, taz (die im Übrigen ihre Print-Ausgabe unter der Woche einstellen wird), Stern, DIE WELT, BILD, Redaktionsnetzwerk Deutschland, dpa sowie die Spitzen der Fernsehanstalten ARD, ZDF, RTL, NTV, arte und Deutsche Welle. Hinzu kommen berufsständische Organisationen wie Reporter ohne Grenzen und der Deutsche Journalistenverband. Der Brief wurde den Regierungen am gestrigen Montag, dem 16. September, zugestellt.


Den vollen Wortlaut des Appells sowie die Liste der unterzeichnenden Medien findet ihr hier:

Offener Brief

„An den Ministerpräsidenten des Staates Israel, Benjamin Netanjahu, an den Präsidenten der Arabischen Republik Ägypten, Abd al-Fattah as-Sisi,

fast ein Jahr Krieg – und noch immer verhindern die Regierungen Israels und Ägyptens, dass internationale Reporter und Reporterinnen in den Gazastreifen reisen, um darüber zu berichten. Fast ein Jahr Krieg, und noch immer verhindern Ihre Regierungen, dass wir uns unbegleitet und unabhängig ein Bild über die Situation in Gaza machen können. Der fast absolute Ausschluss internationaler Medien bei einer Krise dieser enormen weltweiten Tragweite ist in der jüngeren Geschichte beispiellos.

Nach fast einem Jahr Krieg fordern wir die israelische Regierung auf: Gewähren Sie uns Zutritt zum Gazastreifen!

Nach fast einem Jahr Krieg fordern wir die ägyptische Regierung auf: Lassen Sie uns über den Grenzübergang Rafah in den Gazastreifen einreisen!

Nie ist die Anwesenheit von unabhängigen Reportern und Reporterinnen so wichtig wie in Kriegen und bewaffneten Auseinandersetzungen. Wir sind keine Konfliktpartei. Wir, die Chefredakteurinnen, Chefredakteure und Intendanten, die Reporterinnen und Reporter und unsere Organisationen, die Verlage und Fernsehstationen, haben in der Bewertung und Analyse unterschiedlicher internationaler Krisen jahrzehntelange Erfahrungen.

Wer unabhängige Berichterstattung über diesen Krieg unmöglich macht, beschädigt die eigene Glaubwürdigkeit. Wer uns verbietet, im Gazastreifen zu arbeiten, schafft die Voraussetzungen, dass Menschenrechte verletzt werden. Wir wissen um unser Risiko. Wir sind bereit, es zu tragen. Gewähren Sie uns Zugang zum Gazastreifen. Lassen Sie uns arbeiten – im Interesse aller!“

Unterzeichnet von 

Ein, zwei kurze Gedanken dazu:

Es freut uns zum einen sehr, dass die Medien und Organisationen hier so übergreifend miteinander agieren und einen gemeinsamen Wortlaut für einen nachvollziehbaren Wunsch gefunden haben. Dann wiederum empfinden wir den Ton des offenen Briefes bei aller Dringlichkeit doch ein wenig zu erhaben aka von oben herab bis patzig und durchaus dezent pathetisch.

Zumal, bei aller Gefahr, der sich die unterzeichnenden Redaktionen bewusst sind oder jedenfalls behaupten dies zu sein, werden größtenteils vermutlich eher Redakteur*innen als das Führungspersonal selber dort anlanden. Dies wohl kaum ohne ihre Zustimmung, dass aber der Performance-Druck des Arbeitgebers entsprechend wirken kann, ist ebenso bekannt.

Ressentiments, die bedient werden wollen

Zu guter Letzt: Ungehinderter und vor allem unbegleiteter Zugang in ein Krisen- und Kriegsgebiet ist nun mitnichten gang und gäbe – die Ukraine lässt grüßen. Was unterscheidet diese nun in diesem Zugangskontext vom Gazastreifen? Zumal, und das gilt leider, leider für nicht wenige der Unterzeichnenden, fällt seit geraumer Zeit durchaus auf, dass die Berichterstattung zum Krieg und dem Angriff der Hamas (dezent) tendenziös ausfällt und nicht selten anti-israelische aka „israelkritische“ und zuweilen leider gar antisemitisch geprägte Ressentiments bedient. Ganz so wie manche Äußerung im Vorfeld und Rahmen des diesjährigen ESC.

Ob der geforderte ungehinderte Zugang dies verändern würde?! Wir hätten da einen soliden Tipp…

QR, mit Material aus der PM

PS: In diesem Zusammenhang sei der Film Civil War empfohlen.

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