Post (von) COVID

Ja, es hat leider seinen Sinn, dass das ‚von‘ in Klammern steht. Ja natürlich, ich habe diesbezüglich auch Post bekommen. Jetzt bin ich aber Post… Abwarten, das klärt sich. Die erste Post war elektronisch und gar nicht so spektakulär. Positiv. Naja, so stand das da zumindest, das Ergebnis war für mich allerdings erstmal negativ. Ich stand zu diesem Zeitpunkt mit dem Auto vor dem Krankenhaus und wollte meinen gerade vor drei Tagen operierten Mann besuchen. Kuchen war gekauft, Kaffee frisch gebrüht im Becher abgefüllt. 

Und plopp, lässt die eingehende Mail den Besuchstraum platzen. Und nicht nur den. 

Die Erkältungssymptome nehmen zu, der Allgemeinzustand ab und drei weitere Tage später entlassen sie den frisch operierten Mann aus dem Krankenhaus zu mir als Covid-Patienten nach Hause. Wir können ja Maske tragen, wenn wir gemeinsam im Raum sind, bzw. in den Raum wollen, in dem der Infizierte (also ich) vorher war, Fenster öffnen und gut lüften. Ach und heyho, ich darf ihn sogar vom Krankenhaus im eigenen Auto abholen. Nur rein darf ich nicht. Er wird rausgebracht. Auf ins Leben mit Maske und offenen Fenstern. 

To tell a long story short, er hat‘s nicht bekommen. 

Die kommenden Tage vermeiden wir größtenteils den Kontakt, leben in unterschiedlichen Zimmern, er im Schlafzimmer, ich im Wohnzimmer. Meinen Schlafplatz habe ich im Arbeitszimmer auf dem Gästesofa bezogen. 

#wirkriegendashin

#wirschaffendas

Jetzt versteht man die hashtags erstmal richtig. 

Mit zunehmenden Symptomen kommen immer mehr Einschränkungen, bis so eine hässliche, widerliche und ja im Übrigen fast tödliche Männergrippe von mir Besitz ergriffen hat … zu haben scheint. Scheint, denn ich weiß ja, dass sie das nicht ist. Die Tage gehen dahin und langsam klingen die Symptome ab. Gaaaanz langsam. Einen Geschmacksverlust habe ich nicht, aber ab einem undefinierbaren Zeitpunkt schmeckte plötzlich alles nach Hopfen. Wirklich ALLES. Mein Fazit aus dieser Zeit: Erdbeermarmelade mit Hopfen geht gar nicht

Als der Geschmack langsam wieder zurückkommt, keimt auch die Hoffnung auf einen mittleren Verlauf auf. Wenn sich jetzt die Muskulatur erholt, der Kopf frei wird und das Atmen wieder einigermaßen geht, dann wird das schon wieder. Denke ich. Wenn ich da gewusst hätte, was ich heute weiß, mir wäre angst und bange geworden. Aber manchmal ist es einfach besser, dass wir das mit dem Indiezukunftsehen nicht so gut können. 

Und so mache ich das, wozu meine Ärztin, mein Gatte und unsere Freunde raten: Ich übe mich in Geduld. Ich habe da übrigens noch ein großartiges Übungspotential und starte in der geringsten Amateurliga. Oder eben gaaanz viel Luft nach oben. 

Jeder kennt das, in einem Krankheitsverlauf kommt irgendwann dieser Moment, in dem mensch feststellt: jetzt wird’s. Ich gesunde, es geht bergauf. Als ich diesen Punkt nach vier Wochen immer noch nicht erreicht habe, komme ich doch ins Grübeln. Aber meine junge und fast immer fröhliche Ärztin hat für mich den coolen Spruch auf Lager: „Also von Long-Covid spricht man frühestens ab sechs Wochen. Das wird.“

Wurde es nicht. 

Zwar klingen die Symptome langsam ab, lassen aber Effekte da, deren Summe mich umhaut. Diese Müdigkeit geht gar nicht. Ich schlafe teils zehn bis zwölf Stunden in der Nacht, brauche aber nach drei Stunden wach einen zweistündigen Mittagsschlaf, um den Rest des Tages zu überstehen. Ich habe Wortfindungsstörungen vom Feinsten. Und wenn ich zum 53. Mal am Tag irgendwo stehe und nicht mehr weiß, warum ich jetzt in den Keller oder in die Küche oder ins Wohnzimmer, Schlafzimmer, Esszimmer gegangen bin, könnte ich kotzen. Meine Kraft reicht aus, um einen Tennisball aufzuheben. Leider musste ich den Sprudelkasten ziehen, an Heben war nicht zu denken. Der Hund muss raus! Ja klar, gerne. Aber bitte nicht so weit oder lang, und am besten mit ner Bank zwischendrin zum Ausruhen. Tief einatmen geht gar nicht mehr. Dass ich das Gefühl der Atemnot wirklich nur streife, dafür bin ich bis heute dankbar. 

Aber was mache ich jetzt mit dem ganzen Sch… ? Und das in unserer doch ach so gesunden, fitten und hippen Gesellschaft. Gerade die queere Community legt doch so Wert auf Gesundheit und dieses „Jung im Alter“. Fit sein ist doch praktisch ein Muss. Egal ob Bär, Chubby, Twink, Otter und Co. müssen sportlich gesund sein. Trutschig oder heterolike, irgendwo mittendrin, egal, der schöne „DINK“ (double income no kids) Charme will schließlich gepflegt werden, nicht wahr?

„50 ist das neue 30“? – Am Arsch! Im Oktober war ich noch ein ganz durchschnittlicher 54-jähriger Mann. Mittelgroß, bisschen viel auf den Hüften, ausgeprägte Lovehandles, dafür dann weniger Haare auf dem Kopf, nicht gerade sportlich, aber Bewegung auch nicht abgeneigt.  

Seit Anfang November 2022 ist das alles anders. Ich komme mir vor, als hätten mir die vergangenen drei Wochen gleich mal drei oder vier Jahrzehnte draufgelegt. Und? Bin ich nun weniger wert? Was gelte ich mit diesen Lebensumständen wohl in der großen queeren Aufsicht? 

Halten wir fest: 

Ich bin krank!

Ich will gesund werden!

Bange Frage: geht das?

Und wenn ja, wie?!

Es bleibt spannend

Frank Hebenstreit.

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