Putin ist der Inbegriff des Patriarchats

Beitragsbild: Im Hintergrund ein Rapsfeld aus der „Kornkammer Europas“, darauf ein Haus im Donbas mit Einschusslöchern und anderen sichtbaren Spuren des Krieges in der Ostukraine. 

Wladimir Putin hat seine Truppen in Gang gesetzt, der Osten der Ukraine dürfte in nicht allzu ferner Zukunft noch offensichtlicher russisches Territorium sein, als er ohnehin in den vergangen Jahren schon gewesen ist. Und noch immer gibt es Stimmen, die den Einmarsch Russlands zwar verurteilen, aber „den Westen“ hierfür mitverantwortlich machen, die Putin weiter „verstehen“ wollen.

Linke überraschen, Aktivist/innen auch – auf ihre Art

Besonders spannend und irritierend sind die Stimmen von Aktivistinnen und Aktivisten, die sich ansonsten immer für den Kampf gegen Kapitalismus und für Selbstbestimmung einsetzen. Da ist natürlich die Linkspartei, die letztes Jahr noch Frauen, Kinder und – ja, auch – Männer in Afghanistan nicht von der Bundeswehr retten lassen wollte, als die Taliban über das Land herfielen. Vor allem um die Frauenrechte und das selbstbestimmte Leben der Menschen am Hindukusch ist es heute nicht weit her. Im Lauf des heutigen Tages haben sich die Spitzen von Partei und Bundestagsfraktion dazu durchgerungen, die Entscheidung Russlands als „völkerrechtswidrig“ einzustufen – immerhin, wenn auch spät, gut so.

Während die Linkspartei hier tatsächlich zumindest an der Oberfläche überrascht, irritieren aber auch die Ansichten manch anderer gesellschaftlicher Bewegungen oder einzelner Personen, die bewusst die Öffentlichkeit suchen. In meinen persönlichen Feeds in den sozialen Medien wird immer noch auf „den Westen“, „den Kapitalismus“ und „die alten weißen Männer“ geschimpft – oft, das muss eingeräumt werden, um, das leider auch, in leeren Worthülsen „den Einmarsch in der Ostukraine dennoch zu verurteilen“. Putin, Russland und deren Sicherheitsinteressen müssten dennoch berücksichtigt werden. Die Diplomatie hätte hier Lösungen finden müssen, bevor es zu einer Eskalation gekommen ist.

Diplomatie und Symbole

Das stimmt alles. Natürlich wäre es schön gewesen, hätte sich eine friedliche Lösung gefunden. Die Diplomatie und friedliche Konfliktbeilegung müssen immer Vorrang haben. Aber dazu gehört, dass sich auch beide Seiten auf eine friedliche Lösung einlassen wollen. Es ist wie bei einem störrischen Kind: Wenn es seinen Willen durchsetzen will, diesen aber (aus oft gutem Grund) nicht bekommt, kann es sich einsichtig zeigen, sich zurückziehen und bockig sein oder aggressiv werden.

Putin hat die Aggression gewählt und in den vorherigen Verhandlungen mit dem Völkerrecht unerfüllbare Bedingungen gestellt, beispielsweise eine De-facto-Aufgabe des Prinzips der freien Bündniswahl, der nationalen Selbstbestimmung und der territorialen Integrität (niedergelegt in der Schlussakte von Helsinki 1975). Das Völkerrecht, das er übrigens nach 2008 (Georgien) und 2014 (Krim) zum dritten Mal bricht. Übrigens passiert das immer im Umfeld Olympischer Spiele, wenn also die UN-Generalversammlung symbolisch zum „Olympischen Frieden“ aufruft. Selbst Symbole tritt Russland, tritt Putin also mit Füßen.

Aggression statt Frieden

Es ist somit festzuhalten: Russland hat ohne Not die Ukraine angegriffen, indem es 2014 auf der Krim und nun im zweiten Schritt den Osten der Ukraine (wohl) annektiert. Das, und nur das, ist ein eklatanter Bruch des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Dieser wurde eingeleitet damit, dass Putin bereits im vergangenen Sommer einen Essay veröffentlichte, in dem er der Ukraine dieses Recht absprach.

Die Ukraine soll kein eigenes Volk sein? Soll nicht über ihr eigenes Wohl und ihre eigenen Interessen selbst bestimmen dürfen? Wie widersprüchlich ist das denn? Es war übrigens Stalin, der nach dem Zweiten Weltkrieg darauf bestand, dass Belarus und die Ukraine als eigenständige Staaten den Vereinten Nationen beitreten – selbstverständlich primär, um Verbündete und Stimmvieh in der Konfrontation gegen „den Westen“ zu haben. Seit fast 80 Jahren hatte erst die Sowjetunion und dann Russland also das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine und von Belarus anerkannt. Putin hat im letzten Jahr damit Schluss gemacht und damit das Präludium zur jetzigen Eskalation gegeben.

Putin verkörpert das Patriarchat

Manche Kämpferinnen und Kämpfer gegen „westliche Dominanz“, „Kapitalismus“ und „das Patriarchat“ wollen dies nicht sehen. Sie empfehlen stattdessen immer noch die Lektüre von „Putin-Verstehern/-Versteherinnen“ wie Gabriele Krone-Schmalz oder Hubert Seipel, hören noch immer Sahra Wagenknecht oder Sevim Dagdelen zu. Ja, wir brauchen jetzt ausgewogene Analysen, aber nein, nicht jene die Gewalt ausblendende, dogmatische und sich nicht mit deren Ursachen auseinandersetzende Perspektive muss jetzt gesehen werden. Nein, wir brauchen die, die sich wirklich mit den Interessen und Machtstrukturen im Kreml auseinandersetzt, so wie die der Journalistin Catherine Belton, die sich in ihrem vor wenigen Tagen erschienenen Buch mit Putins Netz der Macht auseinandergesetzt hat (unsere Besprechung folgt alsbald).

Putin oktroyiert gerade einem Land und der gesamten internationalen Gemeinschaft seinen Willen auf. Er vertritt die Interessen der ihn umgebenden Oligarchen – die übrigens überaus an persönlichem Reichtum (= Kapital) interessiert sind. Er spricht einem gesamten Volk sein Recht auf Selbstbestimmung ab und verleibt sich dessen Staatsterritorium in mehreren Gängen ein. Putin ist ein „alter weißer Mann“, mit der Clique um sich herum ist er der Inbegriff des Patriarchats. Daran gibt es nichts zu beschönigen und der milde Umgang mit Putin und seiner Clique muss nun beendet werden. Dazu müssen sich alle bekennen, die für jedermanns und jederfraus Unabhängigkeit und Selbstbestimmung eintreten. Alles andere wäre Heuchelei.

HMS

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