Recht spannend

Interne Ermittlungen nach Schusswaffengebrauch gehören vermutlich zum Unangenehmsten, das Polizist*innen aus dienstlicher Sicht drohen kann. Also neben Disziplinarverfahren wegen DiskriminierungRassismus oder ähnlichen Verfehlungen. Mit alldem – zusätzlich noch Misogynievorwürfen – sind Johanna Stern (Lisa Bitter) und zu einem noch größeren Teil Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) in ihrem neuesten Fall, dem 80. für letztere, konfrontiert – wenn auch ohne Disziplinarverfahren (bisher).

Keine Unschuld vom Lande

Der Tatort: Dein gutes Recht startet mit einem Mord in einer Anwaltskanzlei, auch wenn die Rahmenhandlung eine interne Ermittlung wegen Schusswaffengebrauchs ist. Aber von vorne: Lena Odenthal ist in der Nähe, als über den Polizeifunk spätabends ein Einbruch in die Kanzlei der Arbeitsrechtlerin Patricia Prinz (Sandra Borgmann) eingeht. Sie macht sich auf den Weg und findet die eingeschüchtert wirkende Anwältin unter einem Schreibtisch kauernd.

Eine Geiselnahme hat stattgefunden. Um die Lage einschätzen zu können, hören Lena Odenthal (Ulrike Folkerts), Johanna Stern (Lisa Bitter) und der junge Einsatzleiter die Gespräche mit // © SWR/Benoît Linder

Ihr Partner und Partner Jasper Ünel (Mohamed Achour) liegt angeschossen nebenan, der oder die Täter*in scheint noch in der dunklen Kanzlei zu sein. Ünel erliegt später seinen Verletzungen, der Täter oder die Täterin kann fliehen. Doch dass Prinz nicht die Unschuld vom Lande st, die sie vorgibt zu sein, wird uns durch die immer wieder in Schnipseln eingeschnittene interne Untersuchung schnell klar.

Den Job ernstnehmen

Die Anwältin nämlich macht ihren Job: Sie gewährt jedem den rechtlichen Beistand, den sie oder er verdient und schaut dabei offenbar weniger auf das, was ihre Mandant*innen gemacht haben sollen. Eine Frau also, die ihr Berufsethos offenbar einigermaßen lebt. Für den nächsten Tag nämlich – und hier sind wir beim zweiten oder vielmehr dritten Schauplatz dieses Falls – steht ein Gerichtstermin an: Die frühere Callcenter-Mitarbeiterin Marie Polat (Emma Nova) klagt gegen ihren vormaligen Chef, der sie fristlos gekündigt hatte, nachdem sie ihm die von ihm geforderten sexuellen Gefälligkeiten verweigert haben soll.

Luisa Berger (Samia Chancrin) tröstet und stärkt ihre Freundin Marie (Emma Nova, links) // © SWR/Benoît Linder

Prinz vertritt den Mann, der zur Verhandlung nicht auftaucht, aber durch seinen Rechtsbeistand in seinem Sinne erfolgreich vertreten wird. Polat hat mit dem Urteil mehr als ihren Job verloren, nämlich die Aussicht auf das Sorgerecht für ihren Sohn Luca (Leano Wagner). Gemeinsam mit ihrer Ex-Kollegin, Mitbewohnerin und Geliebten Luisa Berger (Samia Chancrin) droht Polat also jeden Halt unter den Füßen zu verlieren…

Komplex und dynamisch

Zugegeben, dieser Fall aus Ludwigshafen ist einigermaßen komplex und verworren, was nicht allein durch die verschiedenen Handlungsebenen zustande kommt. Gleichzeitig haben die Macherinnen und Macher um Regisseur und Autor Martin Eigler einen Fall entwickelt, der sich nach und nach erst entspinnt und so eine hohe Dynamik aufweist.

Kurt Breising (Bernd Hölscher) leitet das interne Verfahren gegen Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und zeigt sich dabei äußerst misstrauisch // © SWR/Benoît Linder

Dass es beispielsweise einen Zusammenhang zwischen dem Einbruch bzw. Mord in der Kanzlei Prinz sowie dem genannten arbeitsrechtlichen Fall gibt, wird erst nach und nach an klar, auch wenn es dennoch offenkundig ist – sonst würden wir nicht gleich in den ersten Minuten in das Callcenter gehen und den schmierigen Chef mit Berger sehen.

„Können Sie das nochmal wiederholen?“

Worüber es sich eher ein wenig zu wundern gilt, ist die scheinbare Unfähigkeit interner Ermittler (und dessen manifesten Rassismus, der aber herrlich absurd vermittelt wird). Dass diese ganz gewöhnliche Ermittlungsarbeit hinterfragen, zeugt davon, wie weltfremd solche Ermittlungen gerne sind – sehr gut persifliert an dieser Stelle.

Korrektes Berufsethos: Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter) beobachten Patricia Prinz (Sandra Borgmann), die trotz ihres persönlichen Verlusts vor Gericht äußerst professionell ihren Mandanten vertritt // © SWR/Benoît Linde

Odenthal und Stern jedoch werden von diesem Fall sehr gefordert, denn gerade in der letzten halben Stunde sehen wir eine Eskalation, die so nur bedingt vorhersehbar war und diesem Film die genannte Portion an Spannung und Dynamik verleiht. Die beiden Hauptdarstellerinnen und auch durchweg alle Nebencharaktere liefern überaus überzeugende Leistungen ab und sorgen so für gute Unterhaltung bis ganz zum Schluss. Dass auch Anwältin Prinz bis ganz zum Schluss ihren Job vollkommen überzeugend macht, ist hier nur die Kirsche auf dem Sahnehäubchen des Tatorts: Dein gutes Recht.

HMS

Wütend, weil er vermutet, dass sie seine Beweise gegen sie gelöscht hat, ist Piet Sievert (Matthias Lier) in die Wohnung von Marie Polat eingedrungen und macht ihr Angst // © SWR/Benoît Linder

Das Erste zeigt den Tatort: Dein gutes Recht am Sonntag, 28. Oktober 2024, um 20:15 Uhr; auf one ist der Film um 21:45 Uhr zu sehen. Anschließend ist der Tatort für sechs Monate in der ARD-Mediathek verfügbar.

Tatort: Dein gutes Recht; Deutschland 2024; Buch und Regie Martin Eigler; Bildgestaltung: Andreas Schäfauer; Musik: Richard Ruzicka; Darsteller*innen: Ulrike Folkerts, Lisa Bitter, Kailas Mahadevan, Sandra Borgmann, Emma Nova, Samia Chanrcin, Mohamed Achour, Leano Wagner, Bernd Hölscher, Christina Hecke, Rouven David Israel, u. a.

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