Beitragsbild: Lagebesprechung in der Kölner Mordkommission: v.l.n.r.: Max Ballauf (Klaus J. Behrendt), Freddy Schenk (Dietmar Bär), Norbert Jütte (Roland Riebeling), Natalie Förster (Tinka Fürst). Auf der Leinwand eingeblendet: Die Nagelstudio-Besitzerin Chiara Passlak (Sabrina Setlur) // © WDR/Martin Valentin Menke
Sexarbeit haftet noch heute ein Schmuddelimage an. In der Tat sind die Dienstleistungen, die Sexarbeiter*innen erbringen, eher mit Düsternis, Heimlichtuerei und Verruchtheit verbunden. Das liegt aber primär an den Freiern, denn bei Prostituierten können viele die Bedürfnisse ausleben, die sie ansonsten nicht befriedigt bekommen. Die Frauen und Männer, die ihnen diese Leistung dann erbringen, zu stigmatisieren, gehört wohl zu den größeren Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft.
Notwendigkeit diese aus der Schmuddelecke herauszuholen gäbe es also. Und gerade wo es um soziale Missstände geht, da ist der Kölner Tatort gerne dabei. Wir hatten in den letzten Jahren beispielsweise Obdachlosigkeit oder die Arbeitsbedingungen von Paketfahrer*innen. Nun also – exakt einen Monat vor Weihnachten – Sexarbeit. Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) und diesmal sogar Norbert Jütte (Roland Riebeling) ermitteln im Fall Siebte Etage in einem Bordell, vor dem dessen Haustechniker Malik Zeman (Mehdi Salim) tot aufgefunden wurde.
Das Fenster zum Hof
Vermutlich wurde er von jener siebten Etage aus dem Fenster geworfen und somit stehen vor allem die Dienst habenden Angestellten sowie „Gäste“ im Fokus. Das sind die Sexarbeiterinnen Cosima Adam (Senita Huskic), Jasmin Bakces (Antonia Schill) und Tani Schiller (Maddy Forst), die Friseurin und Schwester des Opfers Kaja Zeman (Nuriye Jendroßek) sowie die Nageldesignerin Chiara Passlak (Sabrina Setlur) und noch ein paar weitere wie der Freier Kai Jankow (Sascha Goepel).
Die Suche nach einem Motiv gestaltet sich, wie so häufig, schwierig und auch ein kleiner Alleingang von Sitte-Jütte, der eine der Sexarbeiterinnen noch aus seiner Zeit in Wuppertal kennt, macht die Sache nicht unbedingt einfacher. Nur als sich das Feld der Verdächtigen gewaltsam lichtet, scheint sich nach und nach eine plausible Spur aufzutun…
Verendet auf der Freifläche
Der Stoff, dessen das Team um Hüseyin Tabak (Regie) sowie Eva und Volker A. Zahn (Drehbuch) in diesem Fall annimmt, hat durchaus das Potential für einen spannenden und gesellschaftskritischen Krimi. Allerdings – leider kennen wir das aus früheren Fällen der Zahn-Duos – verendet dieses Potential auch in Siebte Etage zum großen Teil auf der Freifläche vor dem Bordell in Köln.
Ist die erste Hälfte des Films noch eher öde und plätschert ein wenig vor sich hin – auch bei den jüngsten Fällen beispielsweise aus Ludwigshafen oder Kiel war das der Fall –, verfallen wir in der zweiten Hälfte in totale Lethargie und sogar ein kleines Ärgernis. Der Fall ist einigermaßen vorhersehbar und es stellt sich kaum Spannung ein, ganz im Gegenteil. Ergänzt wird dies um relativ unambitionierte schauspielerische Leistungen von allen Darstellenden. Sabrina Setlur setzt dem Ganzen die Krone auf (in Hollywood gäbe es hierfür wohl die Goldene Himbeere), denn sie spielt ihre Rolle auf dem Niveau von Christine Lambrecht in ihrer bekannten Silvesteransprache.
Griff ins Klo
Dazu kommt, dass zu Beginn der zweiten Hälfte noch ein neues und die erzählerische Struktur vollends brechendes Stilelement eingeführt wird, das – wenn überhaupt – viel früher erstmals hätte eingesetzt werden sollen. Es passt nicht in den gesamten Fall, war wohl als großer Clou gedacht, gehört aber für uns eher in die Kategorie „Griff ins Klo“. Auch die Botschaften, die in diesen Sequenzen vermittelt werden, sind vielleicht in vielen Fällen einigermaßen realitätsnah, aber drücken die Sexarbeiterinnen doch alle unisono in ein Opfernarrativ, aus dem wir eigentlich besser herauskommen sollten.
Nein, die Zahns sind ihrer Tradition einmal mehr treu geblieben und haben mit Siebte Etage den mit Abstand schwächsten Tatort der bisherigen Saison geschrieben. Vielleicht überdenkt die neue Intendanz des WDR in Zukunft die Zusammenarbeit mit dem Autorenduo, denn eine Wurzelspitzenresektion ist fast schon ein größeres Vergnügen als einen Tatort der Zahns sehen zu müssen. Jeder und jede sei darum beraten, sich für diesen Sonntagabend ein anderes Programm zu suchen.
HMS
PS: UPDATE, 27.11.2024: Angemerkt sei, dass ich/wir im letzten Absatz kein Arbeitsverbot für die Zahns fordern (sie haben uns die Goldjungs beschert!) und meinen, die Formulierung so zu interpretieren, ist, bei aller Zuspitzung, kreativ. Ebenso ist uns natürlich bewusst, dass hinter dem Tatort und somit der problematischen Behandlung des Themas ebenfalls eine Redaktion steht, die sich hier ebensowenig mit Ruhm bekleckert hat.
Das Erste zeigt den Tatort: Siebte Etage am Sonntag, den 24. November 2024, um 20:15 Uhr. Anschließend ist er für zwölf Monate in der ARD-Mediathek verfügbar.
Tatort: Siebte Etage; Regie: Hüseyin Tabak; Drehbuch: Eva und Volker A. Zahn; Bildgestaltung: Lukas Gnaiger; Musik: Judit Varga; Darsteller*innen: Dietmar Bär, Klaus J. Behrendt, Roland Riebeling, Joe Bausch, Tinka Fürst, Sabrina Setlur, Sascha Goepel, Maddy Forst, Senita Huskic, Andrei Viorel Tacu, Mehdi Salim, Nuriye Jendroßek, Antonia Bill, André Eisermann, Hella-Birgit Mascus, Ralf Drexler, Lena Hartmann; Eine Produktion der Bavaria Fiction (Niederlassung Köln) im Auftrag des WDR für die ARD
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Einen „Tatort“ schlecht zu finden und das auch zu begründen, ist völlig in Ordnung. Aber was bitteschön sollen die persönlichen Angriffe gegen das Autor*innen-Team am Ende dieses Beitrags?! Der Intendanz des WDR ein Arbeitsverbot vorzuschlagen, dümmliche Wortspiele rund um den Familiennamen… geht’s noch?! Das ist peinliches Stammtisch-Niveau, ein gedankenloser Pöbel-Style, der auf diesen Seiten nichts zu suchen hat.
Hallo. Zunächst sorry, dass der Kommentar erst nicht durchging, das war eine Unachtsamkeit.
Ein Arbeitsverbot wird ja nicht gefordert, wie wir meinen; nur der Gedanke angeregt, mal die Form der Zusammenarbeit zu überdenken. Ein persönlicher Angriff ist ebenso nicht erkennbar.
So dümmlich finden wir die Wortspiele nicht, mögen muss sie natürlich auch niemand. Andererseits sind gerade die WDR-Tatorte, ob bspw. Köln oder Münster, ja auch bekannt für nicht wenige, gern mal als eher plump wahrzunehmende Wortspiele. (Egal welche Autor*innen.) Manches Mal fügt sich der Ton einer Review ja auch dem des Gesehenen.
Im Übrigen haben wir die Arbeit der Zahns an anderer Stelle positiv bewertet, Beispiel „Tatort: Abbruchkante“ oder auch den Film „Goldjungs.“
Viele Grüße
Sorry, aber abgesehen davon, dass die „Intendanz“ sich aus Fragen, mit welchen Autor*innen die Redaktion zusammenarbeit, sowieso raushält… HMS regt nicht an, die „Form der Zusammenarbeit“ zu überdenken (was immer das auch bedeuten mag), sondern schreibt: „Vielleicht überdenkt die neue Intendanz des WDR in Zukunft die Zusammenarbeit mit dem Autorenduo.“ Hört sich an nach: Der Sender sollte in Zukunft einen Bogen um diese Typen machen. Und da gebe ich Evelyn völlig recht: Was hat so eine Aufforderung in einer TV-Kritik zu suchen?! Wieso wird’s hier persönlich? Und dass der plumpe Stil dieser Kritik sich quasi logisch aus der Plumpheit des Films speist, ist auch eine ganz schön kühne Behauptung. Unterm Strich: Dieser Beitrag ist echt alles andere als ein Ruhmesblatt für die little quer review!