Der Alltag kommt schleichend. Wie ein langsam wirkendes Gift dringt er in so manche Beziehung ein. Und zack – da ist die Routine, die Ödnis. Opfer sind meist die Neugier und die Lust, zumindest wenn es um Beziehungen geht.
So ist das bei Sophie (Julia Koschitz) und Paul (Florian David Fitz – demnächst auch in Sönke Wortmanns aktuellem Film Der Spitzname zu sehen). Sophie ist erfolgreiche und vielbeschäftigte Anwältin, seit einer Weile Partnerin in ihrer Kanzlei. Archäologe Paul hingegen führt – so eine bekannte Werbung von vor etwa zwei Jahrzehnten – ein erfolgreiches kleines Familienunternehmen. Sohn Denis (Diyar Ilhan) ist zwar frisch aus dem Haus, aber der Haushalt oblag in der Vergangenheit eher untypisch dem Mann, während Sophie die Brötchen verdiente.
Schwung holen
Nun lässt sich auch bei den beiden der Alltag nicht mehr verleugnen und sie greifen zu einem Gegengift: der sexuellen Eskapade. Gemeinsam mit Pauls Bergsteigerkumpel Andi und Sophies Mandantin Mia (Lucia Barrado) soll eine kleine Orgie wieder Schwung in die Beziehung bringen. Der Vierer ist sowohl Plan des Paares wie auch der Titel des Films, der nun in den deutschen Kinos startet.
Wie das Pläne aber nun so an sich haben, sind sie leichter aufgestellt als umgesetzt. Paul lädt Andi aus und seinen besten Freund Lukas (Friedrich Mücke) dafür ein – ohne zu wissen, dass das zu Komplikationen führen wird. Lukas und Mia sind bereits vorab in der Bar, die Sophie und Paul für das verbale Vorspiel auserkoren haben und belassen es hier nicht allein bei intensiven Worten.
Dynamisch und gut platziert
Dem Anbandeln der beiden wird wunderbar die Krise gegengeschnitten (super Schnitte von Ana de Mier y Ortuno), in die Paul und Sophie in Rekordgeschwindigkeit hineinschlittern (oder sich in dieser manifestiert). Es entwickelt sich eine dynamische Erzählung, die Fitz gemeinsam mit Torben Struck und Iván Sáinz-Pardo (letzterer auch Regie) geschrieben hat und die zu manch einer Trennung und Vereinigung an diesem Abend führen wird.
Die Geschichte soll gleichermaßen unterhalten wie auch eine ernstere Botschaft transportieren. Das funktioniert an vielen Stellen gut. Die Witze und Entwicklungen sind zwar an vielen Stellen vorhersehbar, aber dennoch überwiegend gut platziert. Obwohl dem Ganzen also an manchen Stellen ein wenig das überraschende Moment fehlt oder der letzte konsequente Schritt doch nicht gegangen wird, überzeugen die Witze zumeist, sind sie doch nicht selten so auf den Punkt wie die Chemie zwischen den vier potenziell Vierer-Beteiligten.
Ein Rezept mit fadem Beigeschmack
Wie ein solcher Film endet, trägt natürlich viel dazu bei, wie sich die Zuschauer*innen an ihn erinnern. Nach all der komischen Tragik, die in den knapp anderthalb Stunden zuvor aufgebaut werde, wirken die Schlusssequenzen doch trotz wunderbarem Alpenpanorama ein wenig überhastet. Wo zuvor so viel Zeit war, um sich einer teils kafkaesken Entwicklung zu widmen, gibt es am Ende eher nur Versatzstücke, die uns einfach so versöhnlich hingeworfen werden.
Das ist wie bei einem Rezept im Thermomix: Mensch muss schon bis zum Ende alle Schritte beachten, damit ein gutes Gericht daraus wird. Ja, der Thermomix macht vielen die Arbeit in der Küche leichter, aber ganz ohne Denken und menschliches Zutun funktioniert es auch da nicht. Wer die letzten Arbeitsschritte nicht gut umsetzt, kann sich bei der Vorbereitung des Gerichts noch so viel Mühe gegeben haben. Am Ende droht jedoch ein fader Beigschmack zu bleiben – und der stammt nicht immer von den Seltenen Erden, die mittels Smartphone in der Gazpacho zugesetzt werden (überhaupt, Gazpacho im Winter – warum?).
So bietet Der Vierer zwar gute Unterhaltung, witzige, wenn auch teils vorhersehbare Sprüche und Gags und verspricht dem Publikum in der nun beginnenden Vorweihnachtszeit ein wenig aus diesem Gift namens Alltag entfliehen zu können. Ach ja, Sophie hat natürlich vollends recht: Eine Kaschmirdecke, selbst wenn sie im Angebot war, ist mit 600 Euro nur in den allerseltensten Fällen wirklich ein Schnäppchen.
HMS
Spoiler-PS (markieren, um lesen zu können):
Wer schon immer einmal Florian David Fitz und Friedrich Mücke knutschen sehen wollte – Bitteschön! (Wenn der Kuss auch nicht ganz an die wirklich heiße Nummer zwischen Joel Basman und Jannis Niewöhner in Stella ranreicht.)
Der Vierer startet am Donnerstag, 28. November 2024, im Kino.
Der Vierer; Deutschland 2024; Regie: Iván Sáinz-Pardo; Drehbuch: Florian David Fitz, Torben Struck, Iván Sáinz-Pardo; Bildgestaltung: Torsten Lippstock; Musik: Philipp Fabian Kölmel; Schnitt: Ana de Mier y Ortuno; Laufzeit ca. 93 Minuten; JMK: 14; Eine Produktion von Wiedemann & Berg, Neos Film, Epo-Film, im Verleih von Leonine Studios
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