Kochbuch? Nein!
Autobiografie? Nein!
Roman? Nein
Unterhaltsam? Aber sowas von.
Ernst gemeint? Offensichtlich nicht!
Im Kampenwand Verlag ist vor einiger Zeit ein Buch mit queerem Bezug erschienen, dessen Titel schon kurz rätselhaft erscheint. Als „Tuntentoast“ könnte Uwe Krauser im Community-Slang ja auch einen frisch der Sonnenbank entsprungenen, kreischig-weichen Mann mit gleichgeschlechtlicher Veranlagung bezeichnen. Um dem aus dem Weg zu gehen, wurde verlagsseitig direkt das Gericht und die Bezeichnung „Kochbuch“ auf Tunten-Toast: Alles, nur kein anständiges Kochbuch gedruckt. Na bitte — da weiß mensch es dann direkt.
Autor Uwe Krauser klärt dann im Vorwort direkt auf, dass es sich um autobiografische Geschichten handelt, die er mit seinem Mann erlebte, als beide 1998 ohne Sprach- oder großartige Sachkenntnisse ins spanische Benidorm umsiedelten um dort ein schwules Hotel aufzumachen. Mit einer gehörigen Portion Selbstironie blickt der Autor auf diese Zeit zurück. In bester „Deutschland – Deine bekloppten Auswanderer“-Manier meint man, die Hand des Schreibers immer wieder vor seinem eigenen Gesicht zu sehen. „Kaum zu glauben, dass wir DAS tatsächlich gemacht haben“, scheint alle paar Seiten immer wieder anzuklingen.
Aber sie haben es gemacht und in den acht Jahren dort spannende und unterhaltsame Geschichten erlebt, die mit dabei erprobten und gereichten Gerichten kombiniert eine unterhaltsame und schmackhafte Lektüre ergeben sollen. Und so kommen wir über Spanische Mandeltorte direkt zum ersten Gericht nach der Hoteleröffnung, das die beiden ersten zahlenden Gäste bereits abgelehnt hatten, ohne es zu kennen, eine „verflixte Hühnerbrust im Zwiebelmantel“. Wenn von zwei Gästen einer kein Fleisch isst und der andere keine Zwiebeln, dann kann man das schon als Rohrkrepierer bezeichnen. Und natürlich wird das Rezept trotzdem abgedruckt.
Und so reiht sich nach dem Vorwort „pikante“ Geschichte an Rezept an Geschichte an Rezept usw. Natürlich ist das Highlight in Tunten-Toast am Ende der „Tuntentoast“, wobei ich hier nicht von Licht sondern eher von Funzel reden möchte. Da das eh schon auf dem Deckblatt gelüftet wird, darf mensch das hier auch einfach beim Wort nennen. Namensgeber ist ein Toast mit vielfarbigem süßen Aufstrich und Verzierungen. Das in einer Rezeptsammlung aufzunehmen und diese auch noch danach zu benennen, spricht für eine kluge Marketing Strategie.
Und damit haben wir aber auch schon den Kern des Buches erreicht. Ja, wie schön, dass Herr Krauser Baccara bekocht hat, oder dass mehr oder weniger gut bestückte männlich gelesene Wesen in knappsten Höschen an seinem Pool lagen und er damit Rezepte für Waffeln, Kuchen oder eben Würstchen verbindet. Diese Verbindung hat aber halt nur er. Auch dass die ganze Truppe einfach mal in Fummel und Perücke das Nachtleben von Benidorm aufgemischt hat, mag in der damaligen Zeit ein skandalöses Gefühl ausgelöst haben. Bei seiner Leserschaft dürfte das heute aber tatsächlich nur dann noch zu beschleunigtem Herzschlag führen, wenn diese inzwischen zur Stamm-Wählerschaft der AfD tendieren oder nie aus der Gegend weggefunden haben, in der Familie Krauser nun ein neues Hotelprojekt auf die Beine gestellt hat, urdeutsch im bayerischen Bodenmais.
Wer schon mal mit Tränen in den Augen eine scharfe Pepperoni gekaut hat, eine ordentliche Portion Cayenne-Pfeffer auf seinem Gericht zu viel hatte oder beim Inder um die Ecke „scharf“ bestellte, hat eine Vorstellung von Schärfe. Die Geschichten in dieser Sammlung sind im Verhältnis dazu in etwa so pikant wie eine schöne, knackige rote Paprika.
Wobei ich damit jetzt weder dem Buch noch der Paprika unrecht tun möchte. Ich esse sehr gerne rote Paprika auch dann, wenn ich eigentlich scharfe Peperoni erwartet habe. Allerdings fehlt mir dann was.
Rücken wir die Sammlung also einmal ins rechte Licht und geben dem Marketing den benötigten Raum.
Alle, aber ausnahmslos alle Rezepte der Sammlung klingen beim ersten Lesen machbar, relativ einfach nachzukochen und machen grundsätzlich Lust darauf sie zu probieren. Die Verbindung zu den geschilderten Ereignissen besteht eben nur darin, dass der Autor sie in diesen wohl gekocht haben (wollte). Leider zündet diese Verbindung nur ein-, zweimal, danach ist sie ungefähr so unterhaltsam, wie eine tuntige Blind-Date-Schilderung am Nachbartisch wenn mensch einfach nur in Ruhe sein Bier trinken möchte.
Tunte direkt mit in den Titel zu nehmen ist hier übrigens in zweierlei Hinsicht ein kluger Schachzug. Das althergebrachte Schimpfwort selbst zu verwenden hat schon seit langer Zeit in der eigenen Community auch für Aufmerksamkeit gesorgt. Weiterhin beschreibt es direkt noch den erzählerischen Stil, so dass hier keine großen und tief schürfenden Erwartungen einem positiven Leseerlebnis entgegen stehen.
Wer seinen eigenen Schärfegrad noch nicht kennt, der mag sich an diesem Buch selbst probieren und zu einem eigenen Ergebnis kommen. Wer aber Lust hat auf eine schmackhafte Rezeptsammlung und ein bisschen Stammtisch-Gossip aus der alten Zeit, der wird an diesem Buch wirklich seine Freude haben.
PS: Wir von the little queer review sind übrigens auch in diesem Jahr wieder Teil der #PrideBuch-Kampagne, die von der Queer Media Society, dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels sowie der Frankfurter Buchmesse initiiert wurde. Mehr dazu findet ihr u. a. bei Instagram, ebenfalls findet ihr bei den Kolleg*innen von PinkDot-Life eine Empfehlungsliste wie auch via VLB-TIX.
Uwe Krauser: Tunten-Toast: Alles, nur kein anständiges Kochbuch; Oktober 2022; 190 Seiten, div. Abbildungen; Hardcover, gebunden; Format: 17,3 x 24,1 cm; ISBN: 978-3-9866-0022-8; Kampenwand Verlag; 19,90 €
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