Eine Bierflasche sei das erste gewesen, das sie sahen, als sie zum Marianengraben tauchten, so die amerikanische Forscherin Dawn Wright Mitte Oktober 2024 im britischen Guardian. Der Himalaya ist vor Vermüllung nicht sicher und die tiefste Stelle des Ozeans offenbar auch nicht.
Viel kleiner als eine Bierflasche ist Mikroplastik, doch auch das wurde nun an der tiefsten Stelle der Ozeane nachgewiesen. Das jedenfalls erzählt Paula (Luna Wedler) ihrem Bruder Tim (Willie Vonnemann) an dessen Grab in den ersten Minuten von Marianengraben, der am 7. November in den deutschen Kinos startet. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Buch von Jasmin Schreiber, das bereits vor einigen Jahren bei Eichborn erschienen ist.
Roadtrip zum Abschluss
Zur Handlung soll an dieser Stelle gar nicht so viel gesagt werden, denn diese haben wir bereits zu unserer Besprechung der Romanvorlage zusammengefasst. Im Großen und Ganzen ist Regisseurin und Drehbuchautorin Eileen Byrne dieser auch in der filmischen Adaption gefolgt, auch wenn sie einige Punkte ein wenig anpassen musste.
Nur in aller Kürze: Auf dem Friedhof läuft Paula Helmut (Edgar Selge) in die Arme, der die Asche seiner verstorbenen Ex-Frau Helga ausbuddelt und in ihrer Südtiroler Heimat wieder bestatten möchte. Paula begleitet ihn auf diesem Roadtrip, denn sie hat selbst auch noch nicht so recht mit dem Tod ihres Bruders abgeschlossen.
Geschmeidig, nicht klamaukig
Bereits Jasmin Schreibers Romanvorlage war eine der bewegendsten Geschichten, die uns bei the little queer review in den letzten Jahren in die Finger kamen. Dem steht die Verfilmung von Eileen Byrne in kaum etwas nach. Ob es die erst ruppige Interaktion zwischen Paula und Helmut ist, die mit der Zeit immer geschmeidiger wird, die wunderbaren Landschaftsbilder aus Tirol und Südtirol oder auch die Lösung, Paula einen imaginären kleinen Tim an die Seite zu stellen, der die Dialoge mit seiner Schwester versinnbildlicht, in diesem Film stimmt wirklich fast alles.
Eine Kleinigkeit lässt sich dennoch konstatieren – zumindest wenn wir den Vergleich mit der Romanvorlage wählen: Der subtile Humor in den schwierigen Situationen von Helmut und Paula, der gerade das Buch auszeichnet und trotz aller Traurigkeit immer wieder hervortritt, ist in der filmischen Adaption in deutlich geringerem Umfang vorhanden. Das ist nicht schlimm, denn hier soll schließlich keine Komödie erzählt werden, sondern bewahrt den Film davor, ins Klamaukige abzurutschen.
Licht in der Düsternis
Der November ist ein trüber Monat. In der katholischen Glaubenslehre startet er mit Allerheiligen und Allerseelen und die Gläubigen gedenken der Verstorbenen. Marianengraben ist sowohl als Buch als auch als Film ein kleines Meisterwerk, wenn es darum geht, Trauer und Verluste einfühlsam zu verarbeiten. Diese schwierigen Themen mit dem gegebenen Fingerspitzengefühl zu bearbeiten ist eine kleine Kunst für sich – und nicht jeder vermag dies umzusetzen.
Jasmin Schreiber ist das in ihrem Buch genauso gelungen wie nun auch Eileen Byrne in dessen Verfilmung. Die darstellerische Leistung der Haupt- und Nebencharaktere unterstreicht das ebenso wie die vielen nachdenklich stimmenden Naturbilder, die bereits Schreibers Vorlage kennzeichnen – und auch ihre weiteren Bücher. Die Musik der Luxemburgerin Claire Parsons, die hier ihren ersten Soundtrack vorlegt, ist klasse und stimmig, die Kameraführung (Petra Korner) hervorragend. Marianengraben ist ein ruhiger Film, der einem schweren Thema die Tiefe bis zum Witjas-Tief zulässt – und einer der wohl besten von vielen, die derzeit im deutschen Kino laufen.
HMS
PS: Die Liste der Hotels im Abspann ist fantastisch lang.
Marianengraben; Luxemburg, Italien, Österreich. 2024; Regie und Buch: Eileen Byrne, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Jasmin Schreiber; Bildgestaltung: Petra Korner; Musik: Claire Parsons; Darsteller*innen: Luna Wedler, Edgar Selge, Willie Vonnemann, Martin Abram, Nicolas Lech, Markus Stolberg, Dominik Raneburger, Celina Terán Gómez, Henriette; Laufzeit ca.: 87 Minuten; FSK: 12: Eine Produktion von Samsa Film, Albolina Film, Film AG, im Verleih von Alamode Film
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