„Vetrauen ist gut…“

…Kontrolle ist besser? Hmm… Nicht in der High-End-Serienwelt von A Better Place. In dieser lautet die Losung der Kriminologin Petra Schach (Maria Hofstätter, Des Teufels Bad) wie folgt: „Vertrauen ist gut. Wer kontrollieren will, ist selbst das Problem.“ Eine hehre Positionierung. Doch ist sie auch sinnvoll, wenn es um Straftäter geht? Mit dieser Frage und einem großen „Was-Wäre-Wenn-?“ setzt die von Alexander Lindh und Laurent Mercier entwickelte Serie sich im fiktiven Rheinstadt auseinander.

„Gibt es böse Menschen überhaupt?“

Gemeinsam mit dem Bürgermeister Amir Kaan (Steven Sowah, Concordia) sowie einem Team aus Sozialarbeiter*innen sowie der Psychiaterin Lydia Sané (Cynthia Micas, Allein zwischen den Fronten, Maxton Hall, Tatort aus Berlin) und Pressesprecherin Sabine Broich (Sandra Borgmann, Polizeiruf 110: Dein gutes Recht) hat Schach ein mutiges, womöglich zukunftsweisendes Projekt auf die Beine gestellt. Im Rahmen des Resozialisierungsprogrammes TRUST werden Hunderte Straftäter aus den Gefängnissen entlassen, um statt Haftstrafen Unterstützung in Form von Arbeit, Wohnung und Therapie zu erhalten

ARD/WDR A BETTER PLACE (1): Stadt ohne Knast – Mark (Johannes Kienast, r) auf dem Weg nach ‚draußen‘ // © WDR/Komplizen Serien/Studiocanal/Wolfgang Ennenbach

Darunter der 20-jährige Nader (Youness Aabbaz), der die Chance für einen Neuanfang erhält, einen neuen Job als Autohändler antritt und in einen wohlhabenden Teil der Stadt zieht, um sich dem Einfluss seiner kriminellen Schwester Yara (Aysima Ergün) und der Clan-Clique um Brian (Constantin von Jascheroff) zu entziehen.

A BETTER PLACE (2): Böse Menschen gibt es nicht – Die Geschwister Yara (l, Aysima Ergün) und Nader (Youness Aabbaz) sind nach seiner Entlassung wieder vereint // © WDR/Komplizen Serien/Studiocanal

Ein weiterer TRUST-Teilnehmer ist Mark (Johannes Kienast, Polizeruf 110: Der Dicke liebt), der nach seiner Freilassung versucht, das Vertrauen seiner Ehefrau und TRUST-Mitarbeiterin Eva (Katharina Schüttler) sowie seiner Kinder zurückzugewinnen. Soll er seinen Kindern offenlegen, warum er verurteilt wurde und ins Gefängnis musste? Auch der Triebtäter Jens Föhl (Ulrich Brandhoff, Tatort: Der Stelzenmann) wird nach einer Verzögerung aktiver Teilnehmer.

„No TRUST, lieber Knast! No TRUST, lieber Knast!“

Wenig überraschend regt sich in der Bevölkerung von Beginn an Widerstand gegen das Resozialisierungsprogramm, nicht zuletzt unter den Verbrechensopfern bzw. deren Angehörigen. Zu ihnen gehört die 40-jährige Nesrin (Alev Irmak), die ihren Sohn durch die brutale Tat des freigelassenen Klaus Bäumer (Richard Sammel) verloren hat und die sich nach einem gescheiterten Vermittlungsversuch den Gegnern des Programms anschließt. Ihre Wut belastet schließlich die Beziehung zu ihrem Ehemann Tayfun (Sahin Eryilmaz), der am liebsten die Vergangenheit hinter sich lassen will.

A BETTER PLACE (2): Böse Menschen gibt es nicht – Eva (Katharina Schüttler) // © WDR/Komplizen Serien/Studiocanal
Showrunner Alex Lindh

Diese Frage stellte sich Headautor und Showrunner Alex Lindh zu Beginn der Entwicklung des Stoffes. Diese und einige mehr, stellten sich wohl nicht nur ihm und den Kolleginnen im Writers Room (Co-Headautor Karin Kaçi sowie Baher Bektaş, Nora Gantenbrink, Daniel Hendler, Laurent Mercier, Emanuel Tessema) sondern sie landen auch bei uns Zuschauer*innen.

„Ich will einfach, dass wir die Emotionen der Menschen ernstnehmen“

Nach Sichtung der ersten drei von insgesamt acht Folgen, die seit heute in der ARD-Mediathek verfügbar und ab dem 22. Januar 2025 um 20:15 im Ersten zu sehen sind, meinen wir, ein genauerer Blick lohnt sich. Dies nicht nur was die Fragestellungen, sondern ebenso zu Figurenzeichnungen wie auch die geschmeidige und doch bewegte Inszenierung von Anne Zohra Berrached (u. a. div. Tatorte) und Konstantin Bock angeht. Ebenso bringt das Autor*innenteam es fertig, einen großen (sehr gut gespielten) Figurenkreis und eine Menge an Handlungssträngen gut einzuführen, aufzubauen und zu balancieren.

A BETTER PLACE (1): Stadt ohne Knast – Petra Schach (Maria Hofstätter) zu Gast in der Talkshow „Framm“ // © WDR/Komplizen Serien/Studiocanal/Wolfgang Ennenbach

Dazu ist die Darstellung der unterschiedlichen Verhaltensweisen bzw. Anliegen der TRUST-Teilnehmer interessant aufbereitet. Manche sind engagiert dabei, in ein neues Leben zu gehen. Andere sagen Sätze wie: „Danke, dass Sie mir ermöglicht haben, was mir zusteht.“ Oder nennen die lesbische, gutmeinende, aber scheinbar auch mit manipulativen Methoden den Erfolg des zunächst für zwei Jahre bewilligten, wissenschaftlich begleiteten Projekts pushende Petra Schach einfach mal „Fotze“.

„Ach, komm, scheiß dich nicht ein“

Bisher geht die Slow-Burn-Mischung aus Drama mit Thriller-Elementen, gesellschaftlicher Utopie (oder Dystopie?), Charaktererzählung und Familiengeschichte(n) sowie Debattenbeitrag sehr gut auf. Der Beginn von A Better Place in der fiktiven Polit-Talkshow „Framm“ (mit Karin Hanczewski als Moderatorin) wirft uns zudem recht fix in die Ausgangslage, erörtert schnell die Pros und Contras, gibt uns die zunächst wichtigsten Figuren an die Hand. Ein cleverer Move.

A BETTER PLACE (1): Stadt ohne Knast – Psychiaterin Lydia (Cynthia Micas) auf dem Weg zu einem Klienten // © WDR/Komplizen Serien/Studiocanal/Wolfgang Ennenbach

Wir bleiben dran. Wollen wir doch insbesondere nach dem erschreckenden und erschreckend realistischen Cliffhanger der dritten Folge unbedingt wissen, wie es weitergeht.

QR (mit Material von ARD/WDR)

A Better Place – KeyyVisual // © WDR/STUDIOCANAL

A Better Place ist seit heute Morgen in der ARD-Mediathek zu finden. Linear wird die Serie ab dem 22. Januar 2025 um 20:15 Uhr im Ersten zu sehen sein. (Hier wieder so ein „typischer“ Platzierungs-Move, der irritiert: Am 22. Januar laufen zwei Episoden von A Better Place, am 23. Januar ab 22:20 Uhr, dann bis in die morgendliche Nacht des 24. Januar um 2:50 Uhr dann die verbleibenden sechs Folgen. Leute.)

A Better Place; Deutschland 2024/2025; Idee: Alex Lindh, Laurent Mercier; Buch: Alex Lindh, Karin Kaçi sowie Baher Bektaş, Nora Gantenbrink, Daniel Hendler, Laurent Mercier, Emanuel Tessema; Regie: Anne Zohra Berrached, Kostantin Bock; Bildgestaltung: Matthias Fleischer; Musik: Martin Glos, Jasmin Reuter, Christian Ziegler; Darsteller*innen: Maria Hofstätter, Steven Sowah, Katharina Schüttler, Sandra Borgmann, Cynthia Micas, Johannes Kienast, Richard Sammel, Alev Irmak, Ulrich Brandoff, Youness Abbaz, Aysima Ergün, Aljoscha Stadelmann, Berfin Sömnez, Constantin von Jascheroff, Meryem Moutaoukkil, Dylan Blake Mendoza, Miri Sommer, Sahin Eryilmaz, Karin Hanczewski, u. v. a.; Eine Produktion von KOMPLIZEN SERIEN und STUDIOCANAL SERIES sowie FILM AG , The Post Republic in Koproduktion mit dem WDR und der ARD Degeto Film für die ARD, CANAL+ Frankreich und CANAL+ Österreich; gefördert durch den German Motion Picture Fund, die Film- und Medienstiftung NRW, FISAplus, Film in Austria sowie CNC und kofinanziert von Creative Europe Media; für den internationalen Vertrieb der Serie ist STUDIOCANAL TV zuständig

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