Fröhöhöhöööölihihihiiiiicheeee Weeeeiiiihnaaaacht überall… Nun, mit dem heutigen 1. Oktober ist Weihnachten an den meisten Orten, in den meisten Ländern noch eher fern. In einem allerdings nicht: In Venezuela hat der autoritäre Präsident Nicolás Maduro per Dekret verfügt oder auch befohlen, dass Weihnachten in diesem Jahr bereits am 01. Oktober stattzufinden habe. „Es ist September und es riecht schon nach Weihnachten. Als Dank an das kämpferische Volk werde ich Weihnachten per Dekret auf den 1. Oktober vorziehen“, ließ er verlauten.
Die Bürger*innen Venezuelas dürften davon nur bedingt überrascht gewesen sein, hatte Maduro, dem Wahlbetrug vorgeworfen wird und dessen Wahl von den USA, der EU sowie vielen lateinamerikanischen Ländern nicht anerkannt wird, Weihnachten doch bereits in den Corona-Jahren 2020 und 2021 auf den Oktober vorverlegt. Mensch, toll. Für jene, die zwischen dem 23. und 27. Dezember Geburtstag haben, dürfte das ein interessantes Konzept sein.
Herzensfest
Doch auch außerhalb Venezuelas könnte sich der Beginn dieses Oktobers wie Weihnachten und Geburtstag, Chanukka und Bat Mizwa zusammen anfühlen. Pünktlich zum, für viele langen, Wochenende veröffentlicht Netflix die dritte Staffel der auf den gleichnamigen Graphic Novels basierenden Pärchen-Bärchen-Und-Coming-of-Age–Serie Heartstopper! Und die dürfte es in sich haben. Wir erinnern uns: Die zweite Staffel endete in der Episode „Perfekt“ damit, dass Charlie Nick versprach, fortan immer zu ihm zu kommen und ehrlich zu sein, sollte ihn etwas bedrücken. Auf dem Weg nach Hause schreibt er eine Nachricht an Nick, die ein „I Love You“ enthält…
Doch wird er sie auch senden? Diese Frage wird die erste Folge der neuen Staffel mit dem verheißungsvollen Titel „Love“ sicherlich beantworten. Und für all jene, die sich bereits mit den Bänden drei und vier der Comics befasst haben, stellt sie sich gar nicht. Sie wissen auch, dass es nun vermehrt um das durchaus angespannte Verhältnis zwischen Charlie und seiner Mum Jane sowie Charlies psychische Probleme und Erkrankung(en) gehen wird.
Familienfest
Wie wir bereits schrieben, findet Alice Oseman einen wunderbar sensiblen und doch eindringlichen sowie packenden Weg, sich diesen thematisch schwierigen, auch heiklen Problemfeldern anzunähern (in den Jugendbüchern wie auch der Serie). So auch in ihrer zweiten Heartstopper-Novelle This Winter, die die Rückkehr Charlies von einem Therapieaufenthalt und das anschließende Weihnachts“fest“ aus Sicht seiner älteren Schwester Victoria „Tori“ Annabel Spring, seines jüngeren Bruders Oliver Jonathan Spring und natürlich seiner, also Charles Francis Springs, eigenen beschreibt.
Geschrieben wurde This Winter als dritter Band nach Solitaire und Nick & Charlie, somit ist die Story im Grunde vor den Heartstopper-Bänden entstanden, füllt aber doch eine Lücke in Bezug auf die Volumes drei und vier. Erschienen ist der wie gewohnt fein und so schwung- wie liebevoll illustrierte Kurzroman in der Übersetzung von Beate Schäfer im Stammverlag Loewe.
Schmerzensfest
Zum Inhalt soll an dieser Stelle gar nicht mal allzu viel verraten werden. Nur so viel, dass wir mit Toris Tag beginnen, auf den scheinbar nur der jüngste Spross Oliver Lust zu haben scheint. Mum und Dad sind eher gestresst, Charlie graut vor der… nun ja, grausligen Verwandtschaft, die ihn vermutlich mit Fragen zu seiner Abwesenheit wie wohl auch seinem Schwulsein und Coming Out nageln wird, Tori ist ohnehin lieber für sich (aka Solitaire, merkste, ne) und will eigentlich nur ihren geliebten und bestenfalls fröhlichen Bruder an ihrer Seite wissen.
Das kann spätestens dann als gescheitert angesehen werden, als Charlie und Jane sich in der Küche anschreien. Seine Mutter wirft ihm vor, dass er nur im Mittelpunkt stehen wolle, was nicht stimmt. Wir schrieben ja bereits über die Mutter, sie sei eine „sehr schwierige Figur, die, so scheint es mir, eigene Verletzungen aus der Vergangenheit ins Heute trägt und an ihre Kinder weitergibt.“ Charlie jedenfalls kontert: „Die Hälfte der Zeit weigerst du dich zuzugeben, dass ich verdammt noch mal krank bin, und die andere Hälfte versuchst du mit aller Kraft, mir das Gefühl zu geben, dass ich der letzte Mensch bin, den du als Kind haben wolltest!“ Ist Weihnachten nicht einfach schön?!?
Harter Tobak also. Kurz darauf nimmt Charlie Reißaus, lässt Tori und Oliver zurück. Seine Schwester ist traurig, enttäuscht und auch ein wenig wütend auf Charlie. Schließlich will sie für ihn da sein, ist für ihn da – als Schwester und Freundin. „Dabei ist es egal. Ich bin egal. Nur er zählt.“
Liebesfest
Charlie flüchtet sich zu Nick und dessen Familie, dort ist die Stimmung weit angenehmer. Außerdem gibt es einen Mops – wenn das mal kein Trost ist. Andererseits ist auch Nicks Arschlochbruder David da und natürlich gibt es da ein wenig Beef. Immerhin ohne Tote! Nick fängt Charlie auf, sie kuscheln, schauen Doctor Who etc. pp. Tori wird auftauchen und am Ende „fühlt sich alles ein bisschen besser an.“
Nicht so für Oliver, der vollkommen überfordert davon ist, dass im Haus geschrien wird und dann auf einmal seine beiden grohohoooßen Geschwister unauffindbar sind und fürchtet bereits, der Nächste zu sein, der verschwindet. Schließlich ist der Jüngste der Klügste und hilft der Wein trinkenden Mutter beim Reflektieren.
Im Rahmen all dieser Schlaglichter geschieht auf wenigen Seiten recht viel, werden die Figuren nuancierter und auch wenn This Winter, wie erwähnt, im Grunde vor Heartstopper entstand, merken wir, wie sehr alles aus einem Guss kommt und Alice Oseman durchaus weiß, wer ihre Charaktere sind und wohin sie möchte. Was angesprochen werden soll, in welcher Form und mit welcher Verzögerung, ohne dass diese sich wie eine Hinhaltetaktik anfühlen würde. Bleibt nur zu hoffen, dass diese Themen auch in der Serie auftauchen. Da eine Folge „Winter“ heißt, sind wir bester Dinge!
Ganzjahresfest
Der kleine Roman ist eine wunderbare, beinahe gar nötige, Ergänzung zu den Graphic Novels, der uns auch dabei hilft, manch komplexe Figuren- und Familiendynamik besser einordnen zu können. Ebenso die tiefe Liebe zwischen Nick und Charlie mehr und mehr erfahren zu dürfen. Und zu guter Letzt gar selber ein paar nützliche Gedanken für den eigenen Umgang mit uns selbst und unserer Umgebung mitzunehmen.
This Winter ist also absolut eine Ganzjahreslektüre.
AS
PS: Die dritte Staffel werden wir auch rezensieren. An sich gab es auch einen (wirklich guten, ehrlich!) Text zu Season zwei. Dann aber ging das Notebook drauf und der war leider in keiner Cloud gespeichert. Ugh.
PPS: Kalendarischer Winteranfang ist übrigens am 21. Dezember 2024, der Tag der Wintersonnenwende…
PPPS: …apropos Wintersonnenwende: So auch der Titel eines Kriminalromans von Pascal Engman und Johannes Selåker, dem zweiten Band um das Duo Wolf und Berg. Unsere Rezension zu diesem wie auch dem ersten Band Sommersonnenwende gibt’s in Bälde.
PPPPS: Mit This Winter eröffnen wir unsere winterlichen Beiträge. Da erwartet euch in diesem Jahr einiges – Kurzgeschichten, Adventskalender, Krimis, Kinderbücher, Rezepte, Filme, Kolumnen und natürlich auch wieder unsere von euch geliebte Festtagsbücherei.
PPPPPS: Wir wollen Halloween nicht vergessen. Der Grusel startet noch diese Woche! Womit? Hmm… sagen wir mal: Jedes Dämonchen gibt ein Tönchen.
Alice Oseman: This Winter. Ein Heartstopper-Roman; November 2022; Aus dem Englischen von Beate Schäfer; Klappenbroschur; 112 Seiten, mit zahlr. S/W-Illustrationen; ISBN: 978-3-7432-1594-8; Loewe Verlag; 13,00 €; auch als Hörbuch bei argon erhältlich
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