Von Alexander Schütz
Mit dem kleinen, feinen und gemeinen Retroslasher X gelang Regisseur Ti West ein verdienter Achtungserfolg bei Kritik und Publikum. Mit dem Prequel Pearl baute er den Vorgänger nicht nur zum Franchise aus, sondern etablierte die unglaublich gut aufspielende Hauptdarstellerin Mia Goth als DIE neue Scream Queen der Stunde. Goths atemberaubende Leistung (allein ihr finaler Monolog und der Abspann sind meisterlich gespielt) und Wests Lust am Zitieren des klassischen Hollywood legten die Messlatte hoch für das große Finale. Doch das Warten hat sich ausgezahlt für Maxine Minx, die endlich in der Filmhauptstadt der USA angekommen ist und noch mehr für die Zuschauer*innen.
Triple Threat
Nach den 1970ern und den 1920ern befinden wir uns nun im Hollywood der 1980er-Jahre. Maxine Minx möchte sich vom Porno verabschieden und, getreu ihrem Motto: „I will not accept a life I do not deserve“, als ernstzunehmende Schauspielerin groß rauskommen. Sie folgt dem Castingaufruf von Horrorfilmregisseurin Elizabeth Binder (toll: Elizabeth Debicki) und bekommt, nicht zuletzt dank ihres ausgeprägten Selbstbewusstseins, die Hauptrolle in der Fortsetzung eines Kult-Horrorfilms. Doch nicht nur am Filmset geht es blutig zu, auch auf den nächtlichen Straßen geht es der jungen Frau zunehmend an den Kragen. Sie wird mit ihrer brutalen Vergangenheit erpresst und auch der berüchtigte Serienkiller, den Presse und Menschen nur „Nightstalker“ nennen, macht L.A. unsicher.

Der Titel des Films, MaXXXine, schreibt sich mit drei X. Das weckt gewisse Assoziationen und Erwartungen an die Schauwerte, welche exquisit eingelöst werden, wenn auch anders als erwartet. Das komplette Franchise geizte nicht mit Sex: In X sehr offensiv, in Pearl (mit David Corenswet) eher als unterdrückter Trieb, in MaXXXine ist der Umgang damit subtiler, aber dadurch auch sehr spannend. Wie die Hauptfigur lässt auch die Geschichte ihre explizite Vergangenheit hinter sich oder versucht es zumindest, denn diese lässt sich nicht so leicht abschütteln, doch Maxine weiß sich zu wehren. So wird eine Szene in der sie einem nächtlichen Angreifer zeigt, wer wirklich Eier in der Hose hat, zum symbolischen Akt. Die Schauspielerin hat die Nase voll und „entmannt“ ganz einfach eklige, übergriffige Männer.
Slasher mit Anliegen
Das zeigt schon ganz deutlich, worauf wir uns einstellen dürfen: brutale, sehr grafische Gewalt und starke Frauenfiguren. Beides Dinge die ich im Horrorgenre liebe. Hier spürt man einmal mehr, dass Mia Goth nicht nur ihre Rolle förmlich lebt, sondern auch am Drehbuch mitgeschrieben hat, die weibliche Hand ist hier unverkennbar. So sind es nämlich vor allem neben der Hauptdarstellerin noch Elizabeth Debicki und Michelle Monaghan die ihre Figuren ganz großartig mit Leben füllen und ihre männlichen Gegenparts in jeder Beziehung übertreffen. Mehrmals darf sich dann eindrucksvoll von gruseligen, alten Männern in Hollywood befreit werden. Dies besonders schön im Finale, das dann wieder wunderbar den Kreis zum ersten Teil schließt.

Überhaupt ist das Drehbuch, wie bei West gewohnt, hervorragend geschrieben und trifft genau den Ton zwischen spaßigem Retro-Slasher und im Kern ziemlich cleverem Kommentar über die Gesellschaft, damals wie heute. Das alles ohne sich in seiner Meta-Ebene zu verzetteln wie viele andere Slasher. Orientierte sich der Regisseur und Autor im ersten Teil am 70er-Jahre Backwood-Slasher, im zweiten am technicoloren Epos des klassischen Hollywoodkinos, kommen hier alle Freund*innen des klassischen 80er-Jahre Videotheken-Horrors auf ihre Kosten. Tempo, Erzählart, Ausstattung, Musik, Charaktere und Twists treffen genau den Ton, immer wechselnd zwischen ernst, böse und komplett drüber. Das zeigt sich, wie schon erwähnt, besonders in den wirklich gelungenen Kills, die mit wunderschön handgemachten Effekten ob ihrer Brutalität staunen lassen.

Überhaupt ist der Film auch optisch wieder ein Fest. Aus der Stadt der Engel wird hier ein dunkles, dreckiges Loch, selbst der Hollywood-Schriftzug wirkt bedrohlich, wenn er nachts in den Hügeln aufragt. Ein besonderes Highlight ist eine Verfolgungsjagd durch berühmte Filmkulissen, bei denen passend zum aktuellen Bild auch die Musik wechselt und die dann tatsächlich in einem der berühmtesten Häuser der Horrorfilmgeschichte endet. Eine gelungene Überraschung und ein tolles Geschenk für Fans und nicht das einzige Easter-Egg (man achte z. B. auf die Sterne auf dem Boulevard).
Applaus oder Tod!
Als Pearl durfte Mia Goth voller Wut und Enttäuschung brüllen, dass sie ein Star ist, nach MaXXXine gibt es an dieser Aussage nun wirklich keinen Zweifel mehr. Sowohl sie als auch die von ihr verkörperte Rolle verdienen große Anerkennung für solch eine Leistung. Ein ungewöhnliches, mutiges Franchise wurde hier zu einem perfekten, runden, makellosen Ende gebracht und schickt sich an, die vielleicht beste Trilogie zu sein, die das Genre hervorgebracht hat.
Alle, die ihren Horror gerne blutig, brutal, ein bisschen trashig und in schönster Videotheken-Ästhetik genießen, sollten unbedingt ins Kino gehen und Maxine Minx den Respekt und Applaus zukommen lassen, den sie verdient.
Unser Gastautor Alexander Schütz wurde 1985 geboren und ist gelernter Buchhändler. Auf Instagram betreibt er die Kanäle bookhouse_boy_from_twin_peaks und lets_scare_alex_to_death.

MaXXXine ist seit dem 4. Juli 2024 in unseren Kinos zu sehen.
MaXXXine; USA 2024; Regie und Buch: Ti West; Bildgestaltung: Eliot Rockett; Musik: Tyler Bates; Darsteller*innen: Mia Goth, Elizabeth Debicki, Michelle Monaghan, Bobby Cannavale, Moses Sumney, Halsey, Giancarlo Esposito, Kevin Bacon; FSK: 18; Laufzeit ca. 103 Minuten
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