Wir kennen das…

Hoppala! Nur der Bruchteil einer Sekunde reicht aus und schon, ’schuldigung, muss kurz abhusten, ist es passiert! Was passiert ist?! Na, irgendeine große Peinlichkeit. Das Pupsen im Restaurant, der Rülpser im Fahrstuhl (oder umgedreht), das Stolpern, wenn mensch besonders gut aussehen will oder ein tierisch fetter Nieser mitsamt Schleim und Co.. bestenfalls auf Essbares oder Lesenswertes.

Verniest und weggeweht

So ergeht es dem Elefanten im Kinderbuch Tierisch peinlich von Insa Schiffmann (Text) und Olha Taran (Illustrationen), das erst gestern im CalmeMara Verlag aus Bielefeld erschienen ist. Eigentlich wollte der mit dem Labrador, dem Affen und dem Löwen eine solide Geburtstagssause veranstalten. So mit Black Jack, Koks und m/w/d-Nutten. Oder auch einfach mit Torte und Musik. Da passiert’s: Beim Kerzen-Auspusten schießt ein riesiger, optisch covidianischer Popel aus seinem Rüssel.

© Insa Schiffmann / Olha Taran / CalmeMara Verlag

Da schämt sich der Elefant nun naturgemäß – wem dürfte es nicht so gehen? Also schmach- und schamvolles Ende der Party? Mitnichten! Denn gute Freund*innen sind nicht nur für Benefits da, sondern auch, um aufzubauen, wenn vermeintlich tierisch Peinliches passiert ist. So berichtet der Labrador von einem Rülps-Vorfall während eines Konzerts: „Es kommt jedoch keine Hundejaul, sondern ein Rülpser aus dem Maul!“

Der Affe wiederum „schwingt von Baum zu Baum und weiß, dass alle zu ihm schau’n.“ So weit, so gut. Doch auf den hohen Schwung, folgt der tiefe Knall. War wohl nix, denkt sich der Affe und lacht drüber. Beim, klar, eitlen Löwen (Grüße gehen raus an Maurice Dziwak!) (f)liegt die Mähne schief. Sei’s drum – statt dem Krönchen eben das Mähnchen richten und weiter geht’s.

Bunte, lebendige Details

Die kurzweilig-frechen Reime Insa Schiffmanns, die eigentlich Ärztin und Forscherin ist, allerdings auch immer mal Beiträge für FAZ und Die Zeit schreibt und nun eben ihr erstes Kinderbuch, kombiniert mit den herrlich lebendigen Illustrationen der in Charkiw lebenden Künstlerin Olha Taran (deren Hund Raphael für den Buch-Labrador Pate stand), vermitteln Kindern ab etwa vier Jahren auf lustige und bunte Weise, wie locker mit Scham und Peinlichkeit umzugehen.

Ein witziges Detail dabei, das immer wieder zu entdecken in diesem Bilderbuch nicht nur Kindern Freude bereiten dürfte, sind eine Biene und ein Vögelchen, die sich in jedem Bild versteckt haben. Damit hat Tierisch peinlich dann gar was von einem Wimmelbuch. Und auch sonst überzeugen die Details in diesem vegan gedruckten Buch. Seien es die Geschenke für den Elefanten, eine Diskokugel oder die Gestaltung der Palmen.

Für Tier und Umwelt

Hä? Vegan gedruckt? Ja, #isso. Und ist nicht immer so (Farben beispielsweise sind da so ein Thema). Der CalmeMara Verlag, 2023 übrigens mit dem Deutschen Verlagspreis ausgezeichnet, hat sich dem Schutz von Tier und Umwelt verschrieben, ja dies allein war Sinn und Zweck oder Auslöser der Gründung. So werden durch jeden Kauf die sozialen Projekte und die Tiere vom Begegnungs- und Gnadenhof Dorf Sentana in Bielefeld unterstüzt. Und zum Ausgleich der angefallenen CO₂-Emissionen unterstützt der junge Indie-Kinderbuchverlag ein Brunneninstandsetzungsprojekt in Eritrea – dafür gibt es sogar eine Nachhaltigkeitsurkunde.

© Insa Schiffmann / Olha Taran / CalmeMara Verlag

Zu Verlag, Gründungsgeschichte und Hintergrund lest ihr aber in Kürze in einer anderen, dazu weit passenderen Rezension mehr. Das wird schweinisch gut, so viel sei schon einmal verraten. Tierisch gut und gar nicht peinlich ist auf jeden Fall der feine, bunte, liebevoll gestaltete, nah illustrierte und wirklich lustig und aussagekräftig geschriebene Band Tierisch peinlich. (Ich schrieb es an anderer Stelle – Reime sind an sich nicht meins, aber wenn’s passt, dann passt’s.)

Hoppala – ein kleiner Exkurs ins Auktionshaus

Kleiner Exkurs zum Schluss. Manchmal ist’s unterhaltsam, wie die Dinge sich so fügen. Wissend, dass zum heutigen Weltkindertag diese Rezension erscheinen würde, besuchte ich mit meiner Begleitung, natürlich aus unserer Redaktion, Anfang dieser Woche eine Buchvorstellung im renommierten Berliner Auktionshaus Grisebach. In einem Gespräch sollte dort gleich der neue, ebenfalls gestern (im Verlag Klaus Wagenbach) erschienene Band von Wolfgang Ullrich Identifikation und Empowerment. Kunst für den Ernst des Lebens präsentiert werden.

Während die Grisebach-Geschäftsführerin und Partnerin Diandra Donecker in den Abend einführte, den Autoren sowie dessen Gesprächspartnerin des Abends, die Journalistin, Schriftstellerin und Grisebach-Podcasterin Rebecca Casati, vorstellte, musste diese niesen. Mitten ins Mikro. Das sorgte natürlich für viele Lacher im Publikum. Aber auch direkt vorn am Tisch – kannste dir halt nicht ausdenken. Zu Beginn des Gesprächs versprach Rebecca Casati dann noch direkt, nicht auch noch zu husten. Wieder alle Lacher auf ihrer Seite. Das ist charmant, uneitel und lockert auf. (Der Abend übrigens war famos interessant, sechs Seiten Notizen legen Zeugnis darüber ab und unsere Rezension zum Buch gibt es in Bälde.)

In diesem Sinne: Tierisch peinlich ist das Wenigste, das wir zuerst so empfinden mögen. Was auch daran liegt, dass wir entsprechend sozialisiert werden. Niesen am besten im dunklen Loch, rülpsen nicht am Tisch, zu stolpern passiert nur den Depperten, etc. pp. Umso feiner ist dieser Band, vermittelt er doch schon sehr früh (und für Eltern neuerlich), dass das alles einfach dazugehört.

AS

Insa Schiffmann (Text), Olha Taran (Illustrationen): Tierisch peinlich; September 2024; 40 Seiten; Hardcover; Format: 21,5 x 27,5 cm; ISBN: 978-3-948877-62-0; CalmeMara Verlag; empfohlen ab 4 Jahren; 22,00 €

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