Zu wenig, zu früh

„Alle 23 Jahre… erwacht… die Legende“ – heißt’s im Trailer zum von einigen lang erwarteten, von anderen eher unerwünschten vierten Film der Jeepers Creepers-Filmreihe namens Jeepers Creepers: Reborn. Natürlich wissen Fans der Reihe, dass dieser vierte Film der Beginn einer neuer Trilogie sein soll und dass es im Vorfeld manch eine Auseinandersetzung um die Rechte an Namen und Themen gab. Insofern werden hier sehr viele Menschen jeweils einen eigenen Film sehen. Alle dürften sich allerdings darin einig sein, dass dieser eher dürftig ist.

Dana Scully und die Nazi-Mondscheibe 

Das liegt gar nicht einmal daran, dass er von Beginn an einen sehr manierierten Vibe hat. Das ist eher charmant, wenn wir etwa erfahren, dass die Begegnung eines älteren Ehepaars (wunderbar überbesorgt und übersicher: Dee Wallace und Gary Graham) mit dem Creeper eine dokumentarische Nachstellung (namens einer Sendung „Macabre Mysteries“) eines aus Filmen bekannten Vorfalls um den titelgebenden Creeper (hier: Jarreau Benjamin) ist. 

Chase (Imran Adams) und Laine (Sydney Craven) // © 2021 Going Places Movie Inc.

Der begeisterte Horror-Fan und stark verliebte Chase (Imran Adams) zeigt diesen Clip seiner sich später nicht ganz zufällig erbrechenden Freundin Laine (Sydney Craven), die ihn zum Horror Hound Festival begleitet und die hier und da an dessen Zurechnungsfähigkeit zweifelt. Denn er glaubt an die Wahrheit der Geschichte; daran, dass alle 23 Jahre der Creeper kommt und tötet. Sie hingegen meint – in etwas plakativer Dana-Scully-Manier – das sei alles Blödsinn und an solche Stories glaubten nur Leute, die ebenso meinten, die Erde wäre eine Scheibe und Nazis hätten sich auf den Mond zurückgezogen…

Unfreiwillige Karikatur

…das wiederum ist natürlich eine äußerst unterhaltsame Ego-Referenz des finnischen Regisseurs Timo Vuorensola, der mit Iron Sky und Iron Sky: The Coming Race eine sehr, sehr gute und eine brauchbare Horror-Science-Fiction-Comedy-Story inszeniert hat. Weiters begegnen wir zu Beginn von Jeepers Creepers: Reborn immer wieder Anspielungen auf die Stärken und Schwächen der vorhergehenden Teile. Alles wirkt als könne es ein reihenreflexiver und die klassischen Mechanismen des Horrorfilms aufgreifender, hier und da auf die Schippe nehmender und doch effektiver Blutspaß werden.

© 2021 Going Places Movie Inc.

Wird es leider nicht unbedingt. Denn zunächst einmal stirbt recht früh ein dezent queer-notierter Macho (Gabriel Freilich; und okay, das könnte immer noch auf die Funktion von Final-Girl-vs.-(Andere)-Marginalisierte-Personen-Verfahrensweise anspielen). Dieses Final Girl muss im Übrigen zwischendurch eine Kostümwechsel-Situation mitmachen, die selbst Family Guy nicht mehr karikieren könnte, so blöde ist’s.

Fluid oder einfach unentschlossen?

Und ab diesem Punkt kippt Reborn irgendwann von charmant zu schlicht nicht mehr gut. Ja, es gibt zuvor eine mysteriöse Frau und einen Moment, der uns kurz an das Haus der 1000 Leichen denken lässt. Ja, es gibt diese Einsiedler und diese arroganten Produzenten-Schnösel und ein einsames, sagenumwobenes Haus. Womöglich kommt es also noch zu absurden Begegnungen und roher Gewalt, bevor es eine Art von Katharsis für anderthalb Seiten geben kann?!

© 2021 Going Places Movie Inc.

Nein. Der von Sean Michael Argo geschriebene Horror-Trash kann sich nicht entscheiden, ob er besser ernst oder doch augenzwinkernd sein mag. Brutal oder seicht. Herausfordernd oder plätschernd. Es gibt Momente, die sicherlich ernsthaft dramatisch, grausig und packend sein sollen, doch es funktioniert schlicht kaum. 

Ich kann deine Schuhe sehen

Wer in welcher Reihenfolge sterben wird – das lässt sich nicht nur für Horrorfilm-Fans voraussagen. Wer dramatisch dreinschaut, wenn jemand aufgrund von Nachlässigkeit das Zeitliche segnet – berechenbar. Wer verloren geht, um kurz vorm Abtreten nochmals zu winken – ich kann deine Schuhe sehen. Apropos sehen: Der Greenscreen und die offensichtlichen Animationen waren in Iron Sky charmant, hier wirkt’s beinahe nur tragisch – wir sind immerhin auf der Erde, selbst wenn immer wieder in den Himmel geschaut wird. Von den unzähligen Logiklöchern fangen wir gar nicht erst zu reden an… aber… huiuiui. 

© 2021 Going Places Movie Inc.

Durchaus gibt es im Lauf der doch recht kurzweiligen achtzig Minuten manch einen Witz, der passt; hier und da ein wenig Blut und Gedärm (dennoch erscheint die Nummer, die eindeutig nicht auf Grusel sondern Slasher ausgelegt ist, arg blutleer) und immer wieder Ansätze, die eine solide Substanz vermuten lassen. Die Musik von Ian Livingstone zum Beispiel ist gerade auf die richtige Art pathetisch, so wie es in Mystery-Slashern sein sollte.

Lass es ruhig 23 Jahre dauern…

Was die Frage aufwirft: Sollte das Endergebnis von Timo Vuorensola so aussehen oder hat ein Studio hier reingewirkt und aus einem möglicherweise Deluxe-Trash-Horror-Spaß ein Stückwerk gemacht, das wirklich nur Menschen gefallen dürfte, die auch kleine Lichtblicke schätzen und ein wenig masochistisch angehaucht sind?

© 2021 Going Places Movie Inc.

Der Autor dieser Zeilen gehört – je nach Laune – zu beiden Personengruppen und fragt sich – insbesondere nach dem so vorhersehbaren wie schlecht integrierten Twist am Ende (der plump auf den Titel anspielt) – musste das sein? Und vor allem: Muss das weitergehen? Nein, nicht unbedingt. Aber schade drum. Vielleicht in 23 Jahren wieder… 

AS

PS: Bei verregneter Nacht über einen Streaming-Anbieter kann Jeepers Creepers: Reborn sicherlich als dritter Film nach Ich weiß, was Du letzten Sommer getan hast und Killer Klowns from Outer Space sehr geil sein.

PPS: Produziert „Macabre Mysteries“ – ich bin an Bord. 

Jeepers Creepers: Reborn; USA 2022; Regie: Timo Vuorensola; Drehbuch: Sean-Michael Argo; Kamera: Simon Rowling; Musik: Ian Livingstone; Darsteller*innen: Sydney Craven, Imran Adams, Jarreau Benjamin, Pete Brooke, Gabriel Freilich, Dee Wallace, Gary Graham, Ocean Navarro, Matt Barkley; 88 Minuten; FSK: 16; ab dem 15. September im Kino

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