Alles beim Alten bei den Liberalen

Dieser Text erscheint im Rahmen unserer Reihe Parlamentarische Pause ≠ politische Pause. Wir werden in der sommerlichen Zeit weiterhin politische Bücher besprechen, uns mit den Sommerinterviews von ARD und ZDF beschäftigen, selber Schwerpunktthemen setzen, Interviews führen und uns einiges Spannendes einfallen lassen. Am Ende steht ein Fazit, wie wir den Sommer mit und für euch erlebt haben.

Es ist zwar sicherlich nicht so, als wäre die Welt stehen geblieben, sogar ganz im Gegenteil. Ob es sich nun um den Corona-Ausbruch im bayerischen Mamming handelt, das Ableben von Hans-Jochen Vogel und Olivia de Havilland, die Klage gegen die BaFin oder nicht mehr aus dem Spanien-Urlaub zurückkehrende Briten, die, wenn sie doch zurückkehren können, plötzlich in Quarantäne sollen. Nee, die Welt ist nicht stehen geblieben, auch wenn man in diesem Gespräch für etwa achtzehn Minuten dieses Gefühl haben könnte. Denn im Vergleich zu seinem Sommerinterview vor zwei Wochen in der ARD gab es von FDP-Chef Christian Lindner im Gespräch mit Shakuntala Banerjee nicht viel Neues zu vernehmen

Nach einen äußerst seltsamen, ein wenig peinlichen Einstieg zur Begrüßung und meiner kurzen Überraschung, dass Shakuntala Banerjee bereits im zweiten Jahr Sommerinterviews führt, ging es dann auch direkt zu den inhaltlichen Schwerpunkten.

Keine verlässliche Test-Strategie

Auf die Frage, was man als Veränderung beibehalten sollte, antwortete Lindner so ein „bewusstes Missverstehen-Wollen“, das sollte man abstellen. Dann ging er nahtlos in seine Kritik an der Bundesregierung und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) über. Mancherorts ende die Ferienzeit schon beinahe wieder und man sei noch immer nicht weiter, was wirksame Konzepte in Bezug auf Corona anginge. Der Minister, der derzeit selbst im Urlaub sei, solle sich mehr Mühe geben. Das Risiko einer zweiten Welle sei nach wie vor gegeben und es sei höchste Zeit für eine „nationale Test-Strategie“; so sollten Urlauber, die aus Risikogebieten zurückkehrten, Tests machen müssen „und zwar nicht als unverbindliches Angebot“, so Lindner weiter. 

Für diese Tests sollten dann nach Lindners Meinung auch die Leute bezahlen, die sich freiwillig in die Risikogebiete begeben hätten; das sei für ihn eine Frage der Eigenverantwortung und letztlich sei der Schaden einer zweiten Welle nicht mehr verantwortbar. Ebenso sei die Corona-App wichtig: „Hoffentlich funktioniert nun auch bald fehlerfrei diese Corona-App, das ist ja ein Trauerspiel und sagt etwas über den Stand der Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung aus.“

„Fast romantische Verehrung für Herrn Söder“

Lindner wollte dann auch dem Missverständnis entgegenwirken, die FDP hätte massive Lockerungen gefordert als diese noch unverantwortlich gewesen waren. Zum richtigen Zeitpunkt jedoch zu lockern sei das Gebot unserer Verfassung. Nicht der einzelne Bürger müsse begründen, warum er seine Freiheit ausleben wolle, sondern der Staat, wie und warum er Freiheiten einzuschränken gedenke.

Derzeit allerdings sei bei uns eine andere Politik populär, derzeit ist das vermeintlich harte Durchgreifen gefragt, das sehe man auch an der „fast romantische Verehrung für Herrn Söder“, letztlich seien diese harten Maßnahmen aber eigentlich nicht unserer DNA. Da hat Christian Lindner sicherlich nicht Unrecht, auch wenn seine pointierte Formulierung einmal mehr Augenrollen bei Nicht-FDP-Fans ausgelöst haben dürfte. 

Weiterhin zeigte sich der dieses Mal ganz sportiv auftretende Parteivorsitzende mit der aktuellen staatlichen Krisenstrategie einverstanden. Allerdings werde zu wenig auf wirtschaftlicher Ebene getan, um diese Wirtschaftskrise abzufedern. Da fand er dann Worte, die so deutlich wie austauschbar sind: „Wir können nicht auf Dauer diese Volkswirtschaft nur mit Schulden am Leben halten. Wir müssen wieder in Wertschöpfung kommen, und wir müssen alles dafür tun, dass neue Arbeitsplätze dort entstehen können, wo alte Arbeitsplätze weggefallen sind. Die echte Schadensbilanz kennen wir ja noch gar nicht.“

Christian Lindner & Shakuntala Banerjee beim semi-lockeren Talk. // Foto: © ZDF/Marius Becker

„Sollten wir wieder dahinkommen, zu sagen, wer wirtschaftlich nicht gut aufgestellt war, der muss eben pleitegehen?“ fragt Shakuntala Banerjee ihren Gast herausfordernd. Nein, aber wir können auch nicht auf Dauer mit Kurzarbeit arbeiten, auch nicht auf Dauer die Frist zur Anmeldung für Insolvenzen nach vorne schieben, erwidert Lindner. Ebenso nutze man zu sehr Maßnahmen, die lediglich Einmaleffekte hätten, wie bspw. die Senkung der Mehrwertsteuer. Also doch nicht ganz so einverstanden mit der Krisenstrategie der Bundesregierung.

Und ewig lockt der Kemmerich…

Natürlich durfte dieses Gespräch auch nicht zu Ende gehen, ohne dass man über „den Sündenfall von Thüringen“ (Tina Hassel) gesprochen hätte. Die „massive Vertrauenskrise“, die die Wahl Thomas Kemmerichs zum thüringischen Ministerpräsidenten auch durch Stimmen der AfD ausgelöst hatte. Lindner wiederholt, inzwischen schon gänzlich routiniert, dass es mit ihm als Parteivorsitzendem kein Zusammenwirken mit der AfD geben werde. Dazu eingeblendet wurde die leider gescheiterte Hamburger Spitzenkandidatin Anna von Treuenfels in einer Nachlese zur Hamburger Bürgerschaftswahl. Da kritisiert sie ihren Vorsitzenden deutlich. Lindner habe ein wenig zu lange gewartet, um die Haltung der FDP richtig rüberzubringen und das habe sie auch persönlich enttäuscht. 

Darauf angesprochen, dass Kemmerich dem Vernehmen nach erneut als Spitzenkandidat antreten wolle, sagt Christian Lindner, dass Parteien in Deutschland nicht nach Filialprinzip organisiert seien und er da nicht wirklich aktiv werden könne. Er rate Kemmerich aber auch mit Blick auf dessen Familie und das Ansehen der FDP insgesamt auf eine „Kandidatur in der Spitze“ zu verzichten. Er sei ja auch zu einem Symbol geworden, da gehe es gar nicht mehr um die Person Kemmerich, sondern jenes Symbol und da mache es dann Sinn, sich aus dem Spiel zu nehmen. „Und Herr Kemmerich weiß auch, dass in den anderen 15 Landesverbänden sicherlich seine Kandidatur nicht auf große Unterstützung treffen würde.“

Deutlich. Man wird sehen, ob Lindner es somit schafft, den Cowboy Kemmerich und einzelne Mitglieder des Landesverbandes Thüringen einzuhegen. Sollte das nicht der Fall sein, dürfte man sich die Frage stellen, ob es dann eine so gute Idee wäre, dass Lindner seine Partei in die anstehende Bundestagswahl führen möchte. Dass er das vorhat, machte er zum Ende seines zweiten 2020-Sommerinterviews mehr als deutlich. Helau.

AS

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