Gehasst, geprügelt, geschunden – ungebrochen: Cheers, Queers

Homos klatschen – eine zweideutige Aussage. Leider ist die Bedeutung „Männer liebende Männer oder Frauen liebende Frauen applaudieren“ diejenige, die in deutlich weniger Gegenden dieser Welt gemeint sein dürfte. Selbst in vielen ländlichen oder auch urbanen Teilen Deutschlands ist mit „Homos klatschen“ eher Gewalt gegen Homosexuelle und Homofeindlichkeit gemeint und erschreckend alltäglich.

Ein langer, harter Kampf

Dazu kommen weitere Formen der sexuellen Diskriminierung – Trans*feindlichkeit und manch andere. Dabei ist hierzulande eine Diskriminierung auf Basis der sexuellen Orientierung nicht erlaubt. Einige Vorreiterinnen und Vorreiter haben Jahre und Jahrzehnte dafür gekämpft, dass viele von uns heute ihre Sexualität frei ausleben können, selbst wenn sie und wir noch immer zu häufig verächtliche Blicke dafür kassieren.

Dieser Kampf für die Rechte von queeren Personen war ein langer und harter und er ist noch nicht zu Ende, vor allem nicht in globaler Perspektive. Die beiden australischen Forscher Dennis Altman und Jonathan Symons haben diesen Kampf nachgezeichnet und in ihrem bereits 2016 erschienenen Buch Queer Wars zu Papier gebracht. 2017 erschien das Buch mit dem Untertitel Erfolge und Bedrohungen einer globalen Bewegung in der Übersetzung von Hans Freundl und einem Vorwort von Daniel Schreiber im Verlag Klaus Wagenbach.

Ein Ritt durch die jüngere Queergeschichte

Der Journalist Schreiber startet sein Vorwort zur deutschen Ausgabe direkt mit einem abschreckenden Beispiel: der Verfolgung Homosexueller in Tschetschenien und allgemein der schlechten Menschenrechtslage in Russland (jenseits des damals noch in den Vorbereitungen steckenden Angriffskriegs auf die Ukraine). Das ist ein perfekter Einstieg in ein alles andere als leichtes Thema. Denn Altman und Symons – beide Sozialwissenschaftler – zeichnen in den folgenden sechs Kapiteln die Geschichte der globalen Queerbewegung sowie die Verbreitung von Queerrechten als Menschenrechten nach. Bis nach Russland und speziell Tschetschenien sind sie bekanntermaßen noch nicht merklich vorgedrungen.

Sie gehen dabei sehr wissenschaftlich-analytisch vor. In Kapitel 1 klären sie zentrale Begriffe und Ursachen für politischen Homohass, grenzen Begrifflichkeiten ab (der Fokus liegt tatsächlich auf Homosexuellen und trans*Menschen, weitere sexuelle Orientierungen erkennen sie an, werden jedoch im weiteren Verlauf nicht mehr explizit genannt) und blicken auf eine globalisierte Agenda der Queerrechte. In Kapitel 2 zeichnen sie die Entstehung der globalisierten Queerbewegung nach und in Kapitel 3 geht es darum, wie Queerrechte zunehmend als Menschenrechte geframed wurden.

Que(e)rschläger und Rückschläge

Kapitel 4 beschäftigt sich mit dem „konservativen Gegenschlag“, nämlich beispielsweise Russland oder weiteren reaktionären Bewegungen in Staaten wie Polen oder Ungarn, die sich bekanntermaßen nicht als Eldorado für Queers sehen, sondern ein – wie sie es nennen – „traditionelles Familienbild“ propagieren. Kapitel 5 behandelt die zunehmende internationale Polarisierung und in Kapitel 6 wagen die Autoren einen Ausblick auf die damalige Zukunft der Queerrechte.

All dies innerhalb von weniger als 150 Seiten abzuhandeln, ist bereits eine eigene Leistung. Denn, das muss hinsichtlich Queer Wars neidlos anerkannt werden, die Zusammenfassung der globalen Queerrechtsbewegung der letzten Jahrzehnte, die Darstellung von Spannungsfeldern – auch innerhalb der globalen Szene – und die Probleme, mit denen die Aktivistinnen und Aktivisten hier konfrontiert waren und sind, fassen die beiden Autoren sehr gut und anschaulich zusammen. Das Thema HIV/AIDS taucht dabei konsequenterweise immer wieder auf, ist es doch ein trauriger aber dennoch integraler Bestandteil queerer Geschichte – und wurde nicht selten auch für größere Agenden genutzt.

Akzeptanz und Hindernisse

Auch wenn das Buch in seiner Originalfassung mittlerweile sechs Jahre alt ist – die deutsche Version enthält einen kurzen Nachtrag aus dem Sommer 2017 –, ist es dennoch eine sehr gute Zusammenstellung, die zeigt, wie es um die globalen Queerrechte bestellt ist. In so manchen Gesellschaften – Westeuropa, Australien und Neuseeland, Nord- und dem überwiegenden Teil von Südamerika – haben sich queere Menschen mehr und mehr Rechte und Akzeptanz erkämpft.

Und dennoch gibt es auch in diesen Ländern immer wieder Hindernisse. Welcher Art diese sind, wie Interessengruppen dagegen angehen und weiter für eine nationale, regionale und globale Verrechtlichung der queeren Menschenrechte kämpfen, stellen Altman und Symons sehr informativ und anschaulich dar.

Ein akademischer Ansatz…

Bei aller Anschaulichkeit jedoch ist der akademische Ansatz hier deutlich erkennbar. Der wissenschaftliche Anspruch ist Queer Wars deutlich anzumerken. Das ist einerseits ein Qualitätsmerkmal, denn es ist keine stupide Nacherzählung, sondern ordnet viele Geschehnisse der vergangenen Jahre und Jahrzehnte in einen größeren Kontext ein – auch im Rahmen des globalen Menschenrechtsregimes.

Wer also als Leserin oder Leser bereits etwas vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen oder dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte gehört hat, ist bei der Lektüre klar im Vorteil. Gleichzeitig ist aber die Zugangsbarriere für jene, die mit diesen Institutionen noch nicht vertraut sind, vielleicht doch etwas höher.

…mit nur leichten Defiziten

Nur an einer Stelle musste ich – ganz Sozialwissenschaftler (so wie Altman und Symons) – ein ganz klein wenig zusammenzucken: In Kapitel 2 wagen sie sich an sechs ganz kleine Fallstudien, indem sie die Lage der Queerbewegungen in sechs Ländern bzw. Regionen (Australien, Spanien, Kuba, Indien und Südasien, Südafrika sowie Korea und Ostasien) kurz umreißen. Diese decken unterschiedliche Kulturkreise und geografische Regionen ab.

Wie sie diese Auswahl aber getroffen haben, ob sie für andere Länder inner- oder außerhalb ihrer jeweiligen Region exemplarisch und verallgemeinerbar sind, das wird allerdings nach meinem Empfinden nicht ausreichend erläutert. Das mag ein kleinerer Kritikpunkt sein und die Fallstudien haben im Gesamtkontext des Buchs auch einen eher nachrangigen Stellenwert. Aber dennoch wäre hier noch eine kurze Erläuterung in einem ansonsten mit einem sehr fundierten analytischen Unterbau ausgestatteten Buch wünschenswert gewesen.

Applaus, bitte

Alles in allem aber ist Queer Wars von Dennis Altman und Jonathan Symons ein überaus informatives und anschauliches Buch zur globalen Lage von Queerbewegungen und -rechten. Trotz sehr guter Lesbarkeit hat es einen hohen analytischen und akademischen Anspruch und klärt uns breit und sachlich fundiert über das globale Menschenrechtsregime in Bezug auf LGBTIQ*-Personen auf.

Gleichzeitig zeigen sie immer wieder auf, wo es Probleme und Gegenbewegungen gibt. Diese auszumachen ist für viele queere Menschen nicht schwierig, sind sie doch tagtäglich damit konfrontiert. Dass sie dies dennoch so schonungslos offenlegen und im Prinzip eine Agenda für die künftigen Jahre vorgeben, ist umso wichtiger. Gerade heterosexuelle Personen, die sich der alltäglichen Diskriminierung von Nicht-Heterosexuellen vielleicht nicht so bewusst sind, könnten damit aus Queer Wars noch viel lernen. Allein für diese Aufklärungsarbeit sollten Altman und Symons daher von Menschen jeglicher sexuellen Orientierung beklatscht werden.

HMS

Dennis Altman, Jonathan Symons: Queer Wars. Erfolge und Bedrohungen einer globalen Bewegung; Mit einem Vorwort von Daniel Schreiber; Aus dem Englischen von Hans Freundl; September 2017; 160 Seiten; Klappenbroschur; ISBN: 978-3-8031-3670-1; Verlag Klaus Wagenbach; 18,00 €

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